Berlin. Die Diskussion um das Buch der Grünen-Kandidatin geht weiter. Ein Wissenschaftler stellt sich nach der neuesten Entdeckung vor Baerbock.

Falls Annalena Baerbock gehofft hatte, dass sich während ihres Urlaubs die Aufregung um ihre Kandidatur ein wenig legt, wird die Kanzlerkandidatin der Grünen bislang enttäuscht. Baerbock hat sich nach dem Wochenende in eine kurze Sommerpause zurückgezogen, doch die Debatte um ihr Buch und die ungekennzeichnete Übernahme darin von Gedanken und Sätzen aus anderen Quellen geht weiter.

Jüngste Ergänzung in der Liste von Stellen mit frappierenden sprachlichen Ähnlichkeiten ist ein Absatz in „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“, in dem es um die Förderung neuer, emissionsarmer Technologien in der Industrie geht. Der Staat, so die Idee, die da beschrieben wird, soll die Unsicherheiten und Schwankungen des europäischen CO2-Preises ausgleichen, in dem er einen festen Preis für vermiedene Emissionen garantiert.

Baerbock: Diese Stelle im Buch ähnelt Formulierung in Studie

In Baerbocks Buch heißt es dazu: „Sollte der europäische CO2-Preis über die vertraglich festgelegten Vermeidungskosten steigen, muss das Unternehmen die Differenz an den Staat zurückzahlen. Eine Überförderung ist somit sehr unwahrscheinlich. Bei einer ambitionierten EU-Klimapolitik, die eine Steigerung des CO2-Preises nach sich ziehen würde, und hinreichend langer Vertragsdauer könnten dem Staat als geduldigem Investor über diesen Rückzahlungsmechanismus sogar zusätzliche Mittel zufließen.“

In einer Studie der Denkfabrik Agora Energiewende aus dem Jahr 2019 heißt zum selben Thema: „Wenn der CO2-Preis im EU-ETS über den im CfD festgelegten Preis (strike price) steigt, muss das Unternehmen die Differenz an den Staat zurückzahlen. Eine Überförderung ist somit sehr unwahrscheinlich. Bei einer ambitionierten EU-Klimapolitik und hinreichend langer Vertragsdauer könnten dem Staat als geduldigem Investor sogar zusätzliche Mittel zufließen.“ Lesen Sie auch: CDU stellt Kampagne zur Bundestagswahl vor – mit Pannen

Kommentar: Habeck statt Baerbock würde alles nur schlimmer machen

Der Chef der Denkfabrik verteidigt Baerbock

Entdeckt hatte die Ähnlichkeit der Passagen nicht Stefan Weber, der zuerst auf offenbar kopierte Stellen in Baerbocks Buch hingewiesen hatte, sondern Martin Heidingsfelder, Gründer der Plattform „VroniPlag“. Dem Nachrichtenportal „t-online“ sagte er, Baerbock habe „ganz klar abgekupfert“.

Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende, erklärte, die Denkfabrik habe kein Problem mit der Art, wie Baerbock die Studie aufgegriffen habe: Man freue sich, wenn Politiker und Politikerinnen Vorschläge und Konzepte von Agora übernähmen, schrieb Graichen auf Twitter – „gerne auch wortwörtlich“.

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Grüne halten an Baerbock als Kanzlerkandidatin fest

Auch die SPD und die Union hätten das Konzept bereits übernommen. Das sei für Agora kein Plagiat, sondern im Gegenteil „Sinn und Zweck eines Think Tanks“. Graichen warb außerdem dafür, die Diskussion zum Anlass zu nehmen, im Wahlkampf darüber zu sprechen, mit welchen Instrumenten die Klimaziele erreicht werden können. „Das ist nämlich echt noch eine Baustelle“, schrieb er. Lesen Sie auch: "War falsch" – Baerbock benutzt N-Wort und entschuldigt sich

Die Grünen hatten angesichts der anhaltenden Kritik an Baerbock und immer neuen Stellen, die als offenbar kopiert identifiziert werden, am Montag betont, dass sie an ihrer Kanzlerkandidatin festhalten. „Wir gehen als Team, als grünes Team, gemeinsam in diesen Wahlkampf mit Annalena Baerbock an der Spitze“, hatte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Montag betont. „Daran ändert sich nichts.“

Habeck ist nach wie vor im Urlaub – und schweigt

Vorangegangen waren Spekulationen unter Beobachtern, dass die Partei möglicherweise ihre Kandidatin austauschen könnte – und statt ihrer Co-Parteichef Robert Habeck aufstellen. Zumindest ein Teil der Wählerinnen und Wähler hielte das offenbar für eine gute Idee: In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey in der vergangenen Woche sagten 60 Prozent der Befragten, es sei „eher nicht“ oder „auf keinen Fall“ eine gute Entscheidung gewesen, Baerbock aufzustellen.

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Habeck hat sich in den vergangenen Tagen nicht öffentlich zu der Diskussion geäußert. Eine Sprecherin verwies darauf, dass der Co-Parteichef im Urlaub sei. Überraschende Unterstützung erhielt Baerbock am Dienstag vom politischen Gegner. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte der „Süddeutschen Zeitung“, er halte die fortgesetzte Kritik an Baerbock und ihrem Buch für „übertrieben“. Seehofer riet zu mehr Gelassenheit im Wahlkampf.