Berlin. Die tödliche Messerattacke gegen den Arzt Fritz von Weizsäcker, Sohn des früheren Bundespräsidenten, ist der jüngste Schicksalsschlag.
Sie gehören zu den bekanntesten Familien in Deutschland: die Weizsäckers. Wie bei vielen großen Familien liegen auch hier Glanz und Tragödie ganz nah beieinander. Die tödliche Messerattacke gegen den Arzt Fritz von Weizsäcker, Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, am Dienstag markiert den neuesten Schicksalsschlag.
Richard von Weizsäcker war einer der bedeutendsten Bundespräsidenten. Seine Rede am 8. Mai 1985 machte weltweit Schlagzeilen und schaffte es sogar auf die Titelseite der „New York Times“. Von Weizsäcker bezeichnete den 8. Mai als „Tag der Befreiung vom menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“. Die Ansprache wurde als Einschnitt im Umgang der Deutschen mit dem Zweiten Weltkrieg gelobt.
Familie Weizsäcker – pfälzisch-württembergische Freiherren
Richard von Weizsäcker entstammte dem pfälzisch-württembergischen Geschlecht Weizsäcker. Sein Großvater, der württembergische Ministerpräsident Karl Hugo von Weizsäcker war 1916 in den erblichen Freiherrenstand erhoben worden.
Weizsäcker hatte zwei Brüder und eine Schwester: Der Philosoph und Physiker Carl-Friedrich von Weizsäcker war einer der bedeutendsten Unterstützer der Friedensbewegung.
Als Wehrmachtssoldat beim Überfall auf Polen dabei
1938 wurde Richard von Weizsäcker zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Im Herbst desselben Jahres trat er in die Maschinengewehrkompanie des Potsdamer Infanterie-Regiments 9 der Wehrmacht ein, die zur 23. Infanterie-Division gehörte. Sein älterer Bruder Heinrich diente bereits als Leutnant im selben Regiment.
Das ist die Familie von Weizsäcker
Am 1. September 1939 überschritt die Einheit der Weizsäcker-Brüder im Rahmen des Überfalls auf Polen die polnische Grenze. Heinrich von Weizsäcker fiel am Abend des 2. Septembers. Er wurde durch einen Halsschuss getötet, nur wenige Hundert Meter von Richard entfernt. Dieser beerdigte seinen Bruder und ging am nächsten Tag wieder an die Front.
Enge Freundschaft zu Widerstandskämpfern des 20. Juli
Nach dem Überfall auf Polen wurde Weizsäcker mit seinem Regiment an die luxemburgische Grenze verlegt. Ende Januar 1943 war er wieder an der Ostfront. Ab Februar 1943 nahm sein Regiment an der Leningrader Blockade teil. Mitte Mai 1944 besuchte er seinen Vater, damals deutscher Botschafter am Heiligen Stuhl, in Rom.
Weizsäcker freundete sich eng mit zwei im selben Regiment dienenden späteren Widerstandskämpfern des 20. Juli 1944 an: Axel von dem Bussche und Fritz-Dietlof Graf von Schulenberg. Über beide erfuhr er von den Attentatsplänen des Claus Graf von Stauffenberg gegen Adolf Hitler.
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Verbrechen gegen die Menschlichkeit – der Vater wird verurteilt
Schon 1945 begann Weizsäcker ein Jura-Studium in Göttingen. Parallel dazu arbeitete er von 1947 bis Anfang 1949 als Assistent von Rechtsanwalt Hellmut Becker. Dieser war der Verteidiger seines Vaters bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen. Im sogenannten „Wilhelmstraßen-Prozess“ trat er als Hilfsverteidiger seines Vaters auf, des SS-Brigadeführers und Staatssekretärs Ernst von Weizsäcker.
Der Vater wurde aufgrund seiner aktiven Mitwirkung bei der Deportation französischer Juden nach Auschwitz wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer sieben-, später fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Richard von Weizsäcker bezeichnete das Urteil später als „historisch und moralisch ungerecht“.
Die Kinder machen Karriere als Hochschullehrer oder Autoren
Mit seiner Ehefrau Marianne hatte Richard von Weizsäcker vier Kinder. Drei von ihnen – darunter der getötete Fritz – machten als Hochschullehrer oder Autoren Karriere. Andreas von Weizsäcker, der zweite Sohn, schlug zunächst eine nichtakademische Karriere ein. Parallel zum Abitur an der Odenwaldschule erlernte er den Beruf des Bau- und Möbelschreiners. 1976 legte er die Gesellenprüfung ab.
1978 engagierte sich Andreas von Weizsäcker beim Deutschen Entwicklungsdienst in Thailand. Im selben Jahr stellte man ihm erstmals eine Diagnose auf Lymphdrüsenkrebs. Die anschließende Therapie schien erfolgreich. 1979 begann er ein Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München, das er mit einem Diplom abschloss.
Nach mehreren internationalen Gastprofessuren wurde er 2007 zum Präsidenten der Münchener Kunsthochschule ernannt. Am 13. Juni 2008 starb er im Alter von 51 Jahren an einem Lymphknoten-Tumor. Sein Vater überlebte ihn um sechseinhalb Jahre: Am 31. Januar 2015 endete das Leben des bekanntesten Sprosses der Familie – Richard von Weizsäcker wurde 94 Jahre alt.