Berlin. Eine Prognose zeigt, wie sich die Lage auf Intensivstationen je nach Art des Lockdowns entwickelt. Weihnachten spielt eine große Rolle.

  • Intensivmediziner haben eine Prognose entwickelt, wie sich die Corona-Pandemie entwickeln dürfte
  • Es zeigt: Ein harter Lockdown ab Montag hätte einen extrem positiven Effekt
  • Wenn der „Lockdown light“ fortgeführt wird, hätte das hingegen verheerenden Folgen

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland ist am Freitag auf ein Rekordniveau gestiegen. Gleichzeitig werden immer mehr COVID-19-Patienten auf Intensivstationen behandelt. Viele deutsche Kliniken sind bereits an der Belastungsgrenze.

Dass die Kapazitäten auf den Intensivstationen ohne einen massiven Rückgang der Infektionen schon bald ausgeschöpft sein könnten, zeigen Prognosen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Das sogenannte DIVI-Belastungsmodell simuliert die Konsequenzen der Infektionsdynamik für die lokale Intensivbettenauslastung. Es zeigt: Ein harter Lockdown ab dem 14. Dezember hätte einen extrem positiven Effekt auf die Patientenzahlen.

Corona und Weihnachten: DIVI befürchtet die nächste Infektionswelle

Christian Karagiannidis, einer der Entwickler des DIVI-Prognosetools, blickt beunruhigt auf die aktuelle Situation: Wir hatten nicht damit gerechnet, dass wir zu diesem Zeitpunkt so viele Patienten haben würden.“ Der Anstieg der Neuinfektionen liegt nahezu wieder im exponentiellen Bereich.

Gerade die anstehenden Feiertage bereiten dem Intensivmediziner daher Sorge, es drohe gar eine Weihnachts-Welle: „Nach Thanksgiving in den USA und Kanada haben wir beobachten können, wie sehr diese Feste und Zusammenkünfte das Infektionsgeschehen negativ beeinflussen können. Weihnachten wird einen ähnlichen Effekt haben“, sagt Karagiannidis.

DIVI-Prognose: Ohne harten Lockdown droht Überlastung der Intensivstationen

Der Intensivmediziner, der das DIVI-Bettenregister leitet, hat mit seinem Kollegen Andreas Schuppert vom Universitätsklinikum Aachen ausgerechnet, wie die Belegung der Intensivstationen in den kommenden Wochen mit Berücksichtigung eben jenes Weihnachtseffektes aussehen wird. Die Simulation macht eines deutlich: Ein Fortführen des „Lockdown lights“ würde verheerende Folgen haben.

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Aktuell sind 4440 Erkrankte in intensivmedizinischer Behandlung. 2000 Fälle mehr – das wäre für die Intensivstationen deutscher Kliniken nicht mehr verkraftbar, sagt Karagiannidis. „In diesem Fall wird schon jeder ein Bett bekommen, aber es wird die Krankenhäuser vor enorme Herausforderungen stellen.“

Genau diese Grenze würde aber Ende Februar erreicht werden, wenn das Infektionsgeschehen nicht deutlich eingedämmt werden könne. Dann müssten der Prognose zufolge deutlich mehr als 6000 Covid-Patienten intensivmedizinisch behandelt werden. Schon Ende Januar wären es 5800.

Ein vollständiger Lockdown nach den Feiertagen, wie bisher geplant, würde diese Zahl nur auf 4900 herunterdrücken. „Wenn wir erst am 1. Januar 2021 runterfahren, werden wir schon dann über 5000 Patienten haben und der Abfall beginnt erst Ende des Monats“, erklärt Karagiannidis. Insgesamt gibt es in Deutschland 27.160 Intensivbetten. Über 18.000 sind derzeit mit anderen Notfällen belegt. Experten sehen aber weniger die Zahl der Betten als kritischen Faktor, sondern das Personal, das ausfallen könnte.

Intensivmediziner: „Lockdown so früh wie möglich“

Würde man allerdings schon am kommenden Montag tiefgreifende Einschränkungen, vergleichbar mit denen in Frankreich, umsetzen, wäre der Lockdown viel effektiver, wie neue Berechnungen von Karagiannidis zeigen. Die Daten würden „extrem eindrucksvoll“ zeigen, dass ein strenger Lockdown ab dem 14. Dezember dazu führe, dass die Intensivbelegung zwar bis kurz vor Weihnachten noch ansteigen würde, dann aber erheblich abfalle, so der DIVI-Experte. Ende Januar wäre man so bereits bei weniger als 2000 Intensivfällen, vorbehaltlich nicht kalkulierbarer Effekte.

Neue Berechnungen des DIVI zeigen, wieso ein früher Lockdown notwendig ist.
Neue Berechnungen des DIVI zeigen, wieso ein früher Lockdown notwendig ist. © Andreas Schuppert, RWTH Aachen/ Christian Karagiannidis, DIVI

„Es wäre daher am besten, der Lockdown würde so früh wie möglich, schon vor Weihnachten, beginnen. Zudem sollte man überlegen, wie an den Feiertagen Übertragungen vermieden werden können“, sagt Karagiannidis. Zum Beispiel könne man mehrere Tage vor Weihnachten breit Menschen auf Corona testen, um Superspreader vorab zu identifizieren. Gottesdienste sollten seiner Meinung nach nur draußen stattfinden und die maximal mögliche Zahl bei Treffen nicht voll ausgereizt werden.

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Viele Kliniken arbeiten seit Wochen am Limit: „Der Bettendruck ist schon jetzt hoch“, erklärt der Intensivmediziner. Über 500 der 1244 Krankenhäuser hätten dem DIVI aktuell bereits Betriebseinschränkungen gemeldet. Ein schneller, harter Lockdown könnte dem tatsächlich am besten entgegenwirken, so der DIVI-Experte.

Die Berechnungen stimmen ihn optimistisch: „Diese zwei Wochen haben einen wirklich erheblichen Effekt. Daher ist mein Credo: Jetzt runterfahren und im Januar wieder lockern, auch wenn wir damit rechnen müssen, dass die Zahlen wieder steigen werden, sind wir dann auf einem erheblich niedrigeren Niveau angekommen.“