Berlin. Die EU will den digitalen Euro. Das hat Vorteile – birgt aber auch Risiken. Was bei der Einführung der neuen Währung wichtig wird.

Die Menschen lieben Bargeld. Sie zücken beim Bäcker ihr Portemonnaie, bezahlen mit Scheinen im Restaurant, geben Trinkgeld in Münzen. 60 Prozent aller Käufe zahlen die Deutschen an der Kasse bar. Der Anteil der Zahlung mit Bankkarten oder digitalen Bezahldiensten wie PayPal nimmt stetig zu, seit Jahren. Und doch: Die Münze hält sich hartnäckig neben den vielen Kärtchen in der Brieftasche der Käufer. In Portugal, Spanien, Italien, Österreich, Slowenien und Malta zahlen die Menschen sogar noch häufiger mit Bargeld.

Bargeld hat Vorteile: Es schafft Gefühl für Geld. Wir sehen, wie unser Portemonnaie mit jedem Kauf Scheine verliert, wie es dünner wird. Der Umgang mit Geld ist gefährlich abstrakt, wenn Einkäufe erst einige Wochen später vom Konto der Kreditkarte abgebucht werden.

Lesen Sie auch:Wie die Mafia mit Menschenleben auf dem Mittelmeer Millionen macht

Bargeld ist auch anonym. Wenn wir einen 50-Euro-Schein in der Hand haben, wissen wir nie, wer ihn vorher verdient hat oder was damit gekauft wurde. Es gibt eine Gruppe, die sich darüber freut: die Kriminellen. Illegales Geld aus Drogengeschäften oder Menschenhandel lassen sich problemlos in Deutschland in Immobilien ummünzen. Der wirtschaftliche Schaden ist immens. Ermittler schätzen das 100 Milliarden Euro in Deutschland illegal gewaschen werden, jedes Jahr. Das ist mehr als ein Fünftel des gesamten Bundeshaushalts für das laufende Jahr.

Die EU-Kommission bereitet nun den Weg für den digitalen Euro vor. Jeder EU-Bürger in der Euro-Zone soll die europäische Währung digital besitzen können, auf einem extra Konto, einem digitalen Portemonnaie, dem „Wallet“. Aktuell legt die EU-Spitze einen Gesetzentwurf vor, frühestens 2028 soll die neue Währung kommen.

Politischer Korrespondent und Autor: Christian Unger
Politischer Korrespondent und Autor: Christian Unger © Reto Klar | Reto Klar

Die EU will Verbraucherinnen und Verbrauchern damit das Zahlen erleichtern. Europa drängt in einen Markt, in dem bisher amerikanische Unternehmen dominieren: Kreditkarten-Firmen, genauso wie beliebte digitale Bezahlmodelle wie PayPal. Hier einen unabhängigen europäischen Weg zu gehen, ist richtig. Ein digitaler Euro kann den Innovationsstandort EU stärken – das Geld kann eine datenschutzsichere Variante der digitalen Bezahlmodelle sein.

Auch als Alternative zu einer anderen, riskanten Konkurrenz: Krypto-Währungen wie Bitcoin. Abseits staatlich gesteuerter Finanzmittel boomt seit einigen Jahren der Markt mit verschlüsselten Bezahlmodellen. Der Kurs der Krypto-Währungen ist anfällig, Investitionen riskant. Doch längst wickeln Millionen Menschen ihre Geschäfte mit Bitcoin und Co. ab – unter ihnen ebenfalls organisierte Mafia-Gruppen und Cyberkriminelle.

Niemanden stört es, die Brötchen für 6,80 Euro in bar beim Bäcker zu zahlen

Dass die EU den heiklen Krypto-Währungen mit dem digitalen Euro ein starkes wie sicheres eigenes Internet-Geld entgegenstellt, ist richtig. Zugleich aber nutzt ein solcher Euro nichts, wenn mit ihm im Netz ebenso anonym gekauft und getauscht werden kann wie bei Krypto-Währungen. Zur Sicherheit gehört auch Transparenz. Das gilt besonders für digitale Geldgeschäfte, in denen sich Verkäufer und Käufer nicht mehr die Scheine übergeben müssen.

Ein digitaler Euro sollte Scheine und Münzen der gemeinsamen Währung nicht ersetzen. Wenn in Bussen das Ticket nur noch mit dem „Wallet“ im Handy bezahlt werden kann, schließt das Menschen aus, die kein Smartphone besitzen. Und gegen Kriminelle hilft ohnehin ein Instrument viel besser: eine Obergrenze für Bargeld. Niemanden stört es, die Brötchen für 6,80 Euro in bar beim Bäcker zu zahlen. Doch eine Million in einem Koffer voller Scheine für eine Immobilie am Stadtrand? Künftig bitte nur noch mit dem digitalen Euro! Aber bitte transparent und datenschutzsicher.

Lesen Sie auch: Organhandel – ein weltweites Phänomen der organisierten Kriminalität