Berlin. Im Kampf gegen die Klimakrise rücken technologische Lösungen in den Fokus. Manche sind nur Zukunftsmusik – eine ist schon eingeplant.

Die Erde glüht. Egal ob in den USA, Indien, China oder Europa: Hunderte Millionen Menschen kämpften in den vergangenen Wochen mit großer Hitze und zum Teil extremen, gesundheitsgefährdenden Temperaturen. Anfang Juli wurde gleich an mehreren Tagen hintereinander der Rekord für den global heißesten Tag in der Geschichte gebrochen.

Immer mehr Hitze, immer heftigere Ausschläge: Beides gehört zu den Auswirkungen der Klimakrise, die die Wissenschaft seit Jahrzehnten vorhersagt. Doch obwohl die Folgen des global immer noch steigenden Ausstoßes von Treibhausgasen weltweit spürbar sind, ist die Trendwende bislang nicht gelungen. 2022 waren die CO2-Emissionen auf einen Höchststand geklettert, wenn auch langsamer als zuvor.

Während es schwieriger wird, per Emissionsreduzierung die Ziele des Pariser Klimaabkommens noch zu erreichen, rücken zunehmend technologische Lösungen in den Fokus. Das Schlagwort dafür heißt Geoengineering.

Was ist Geoengineering?

Geoengineering ist ein Überbegriff für technologische Ansätze im Kampf gegen die Klimakrise. Grob unterscheidet man dabei zwei Kategorien: Versuche, CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen oder zu verhindern, dass es da überhaupt erst hingelangt – und Methoden, mit denen der Einfluss der Sonnenstrahlung auf das Klimasystem verringert werden soll.

Klimaschutz durch Geoengineering: Welche Methoden gibt es?

In die erste Kategorie fallen verschiedene Methoden, Kohlendioxid, das etwa bei Industrieprozessen entsteht direkt abzuscheiden und zu speichern (Carbon Capture and Storage, CCS) oder weiter als Rohstoff zu nutzen (Carbon Capture und Utilization, CCU). In Norwegen, wo das CCS schon lange eingesetzt wird, soll so blauer Wasserstoff gewonnen werden, den Deutschland perspektivisch einkaufen will.

Auf Island läuft zudem seit 2021 „Orca“, eine Anlage, die CO2 direkt wieder aus der Luft absaugt (Direct Air Capture, DAC) – bis zu 4000 Tonnen im Jahr. Zum Vergleich: Deutschland hatte 2022 insgesamt einen Treibhausgasausstoß von 746 Millionen Tonnen.

Die Schweizer Firma Climeworks entwickel Verfahren, um CO2 aufzufangen – hier in der Schweiz, aber auch in Island.
Die Schweizer Firma Climeworks entwickel Verfahren, um CO2 aufzufangen – hier in der Schweiz, aber auch in Island. © picture alliance/KEYSTONE | Walter Bieri

Andere Ansätze konzentrieren sich auf die Quelle der Hitze, die der Treibhauseffekt in der Atmosphäre festhält: Unter dem Begriff Solar Radiation Management oder auch Solar Radiation Modification (SRM) versteht man Ideen, mit denen die Sonneneinstrahlung reduziert werden könnte. Das soll die Erwärmung des Planeten bremsen. Die US-Regierung veröffentlichte im Juni einen Forschungsplan zum Thema, in dem es unter anderem heißt, SRM biete die Chance, die Erde innerhalb weniger Jahre „signifikant“ abzukühlen.

Das kann zum Beispiel bedeuten, Oberflächen, auf die die Sonne trifft, so zu verändern, dass sie mehr Sonnenlicht zurückwerfen – so hat ein Forschungsteam in den USA eine Farbe entwickelt, die so weiß ist, dass sie 98 Prozent der Sonnenstrahlen reflektiert und Gebäude so um mehrere Grad kühlen kann.

Es gibt aber auch Ansätze, die deutlich größere Eingriffe erfordern. Etwa Überlegungen, reflektierende Partikel – zum Beispiel Schwefeldioxid – per Flugzeug in die Stratosphäre einzubringen, um so einen Teil der Strahlung zurück ins Weltall zu werfen. Die Idee geht zurück auf einen Vulkanausbruch 1991, in dessen Folge die Erde messbar kühler wurde.

Wird Geoengineering in Deutschland eingesetzt werden?

Ohne die Abscheidung und auch Entnahme von CO2 wird das 1,5-Grad-Ziel nicht zu halten sein, sagt der Weltklimarat IPCC in seinem jüngsten Bericht. Und auch in Deutschland sind CCS und CCU, also die Speicherung oder Nutzung von aufgefangenem Kohlendioxid, geplant. Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet derzeit an einer sogenannten Carbon-Management-Strategie, mit der erklärt werden soll, wie beides in Deutschland eingesetzt werden kann. Ein Dialogprozess dazu läuft.

Bisher schränkt das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz die Möglichkeiten rechtlich stark ein – das soll sich aber ändern. „CCU und CCS sind technisch ausgereift, startbereit und werden im Ausland schon eingesetzt“, sagt Olaf in der Beek, klimapolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag. „Wir müssen auch über die Anwendung in Deutschland sprechen. Nur mit natürlichen Senken und Enthaltsamkeit werden wir das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen.“

Die Klimaziele sind ohne neue Technologien nicht mehr zu erreichen. Solar Radiation Management ist eine diskutierte Lösung.
Die Klimaziele sind ohne neue Technologien nicht mehr zu erreichen. Solar Radiation Management ist eine diskutierte Lösung. © Getty Images | blackred

Konkret geht es um unvermeidbare Restemissionen, die zum Beispiel bei der Zementherstellung entstehen. Schätzungen zufolge werden diese künftig bei 70 bis 100 Millionen Tonnen CO2 liegen. 20 bis 25 Prozent davon könne man über natürliche Senken ausgleichen, sagt in der Beek, „den Rest werden wir mit Technik machen müssen. Wir haben ein gemeinsames Verständnis in der Koalition, das Problem der Restemissionen anzugehen.“

Naturschützer fürchten, dass weniger Emissionen eingespart werden

Der Opposition geht das nicht schnell genug: „Wer Klimaneutralität will, wird an CCU und CCS nicht vorbeikommen“, sagt Andreas Jung, Vize-Parteichef der CDU und klimapolitischer Sprecher der Unionsfraktion. „Wir fordern, dass das jetzt konsequent vorangetrieben wird.“ Unter anderem, sagt Jung, müsse die Regierung das Londoner Protokoll ratifizieren, das den Export von CO2 ermöglicht, und so internationale Zusammenarbeit ermöglichen, und ein Transportnetz innerhalb Deutschlands aufbauen.

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„Was wir sehen, ist halbherzig, ein Schritt vor, zwei zurück“, kritisiert Jung. „Wenn Habeck Offenheit signalisiert, streuen fundamentale Grüne und linke Sozialdemokraten Sand ins Getriebe.“

Vertreter von Naturschutzorganisationen sind weniger überzeugt – bei einer Anhörung im Bundestag zum Thema vor der Sommerpause warnte etwa Tobias Pforte-von Randow vom Deutschen Naturschutzring, dass der Aufbau einer Infrastruktur für CCS und CCU dazu führen könnte, das weniger CO2 vermieden wird.

Soll auch die Sonneneinstrahlung verringert werden?

Den Einsatz von Solar Radiation Management sieht die Bundesregierung „kritisch“, erklärt das Wirtschaftsministerium auf Anfrage. Die meisten der Methoden seien „teuer, in ihrer positiven Wirkung begrenzt und bergen kaum erforschte Risiken, Auswirkungen und unbeabsichtigten Folgen“, zum Beispiel veränderte Regenfälle und Monsunzyklen, mögliche Ernteausfälle und eine Vergrößerung des Ozonlochs.

Auch der Weltklimarat warnt vor großen Unsicherheiten und Wissenslücken bei SRM. Im jüngsten Synthesebericht weisen die Forscherinnen und Forscher des Rats außerdem darauf hin, dass SRM-Ansätze zwar das Potenzial hätten, einige Gefahren des Klimawandels zu mildern. Sollte der Einsatz der Technik aber aus irgendeinem Grund plötzlich ausgesetzt werden, während weiterhin Treibhause emittiert werden, würde der bis dahin verhinderte Erwärmungseffekt dann sehr plötzlich eintreten.

„Zukunftsmusik“, sagt auch FDP-Politiker in der Beek. Genutzt werden müsse, was jetzt zur Verfügung steht. Auch CDU-Klimapolitiker Jung geht nicht von einem Einsatz in den kommenden Jahren aus, mahnt aber, das Thema nicht aus den Augen zu verlieren. „An der Forschung zum Thema sollten wir nicht nur teilhaben, die sollten wir auch vorantreiben“, sagt er. „Wir haben oft erlebt, dass Fortschritt sich selbst überholt und Dinge in kurzer Zeit möglich werden.“ Dabei brauche es auch Sensibilität für kritische Fragen.