Berlin/Los Angeles. Der Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd sitzt in der Todeszelle. Tochter Gazelle telefonierte mit ihm – und befürchtet nun das Schlimmste.

Gazelle Sharmahd steckt im Wechselbad der Gefühle. Die Tochter des im Iran zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd konnte mit ihrem Vater sprechen. Eigentlich eine gute Nachricht. Doch nun befürchtet sie, es könnte sich um einen Abschiedsanruf gehandelt haben. „Es macht mir große Angst“, schrieb Gazelle Sharmahd auf Twitter.

Dass Jamshid Sharmahd vor fünf Monaten zum Tode verurteilt wurde – davon habe ihr Vater nichts gewusst, berichtet die Tochter, die in Los Angeles lebt, nach dem Telefonat. Das zeige, dass es sich um ein politisches Urteil handele. „Wo in der Welt ist es einem Angeklagten nicht erlaubt, sein oder ihr Urteil zu kennen?“

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Kommentar: Nur ein Verbrecherregime tötet das eigene Volk

Seine Stimme sei schwach gewesen, so Gazelle Sharmahd. Die Hitze im Sommer verursache Herzprobleme. Zum ersten Mal habe er ihr gesagt: „Ich bin müde. Ich bin zerstört.“ Seit fast drei Jahren sei er nun gefangen. Er hoffe auf Europa und die USA, „nur sie können mein Leben retten“, zitiert die Tochter ihren Vater. Sein dringender Appell: „Holt mich hier raus.“

Jamshid Sharmahd vor einem Teheraner Revolutionsgericht. Sein Geständnis soll unter Folter erzwungen worden sein.
Jamshid Sharmahd vor einem Teheraner Revolutionsgericht. Sein Geständnis soll unter Folter erzwungen worden sein. © dpa | Koosha FalahiMizandpa

„Herr Bundeskanzler Olaf Scholz: Was tun sie, um ihn zu retten?“

Gazelle Sharmahd, die wiederholt die Bundesregierung aufgefordert hatte, sich vehement für die Rettung ihres Vaters einzusetzen, wandte sich erneut direkt an den Bundeskanzler: „Herr Scholz, ihr Staatsbürger wurde entführt, verschleppt, nach 1000 Tagen in Einzelhaft und Schauprozessen zum Tode verurteilt. Was tun sie, um ihn zu retten?“

Frauen, Leben, Freiheit: Unter diesem Motto kommt es seit dem vergangenen Herbst in Teheran und vielen anderen iranischen Städten zu Demonstrationen.
Frauen, Leben, Freiheit: Unter diesem Motto kommt es seit dem vergangenen Herbst in Teheran und vielen anderen iranischen Städten zu Demonstrationen. © dpa | Uncredited

Ähnlich äußerte sich Amnesty International nach dem Telefonat zwischen Jamshid Sharmahd und seiner Familie. „Wir sind in großer Sorge und appellieren an die Bundesregierung, sich für seine Freilassung einzusetzen.“ Weiter heißt es von Amnesty auf Twitter: „Wir fordern, dass Jamshid Sharmahd unverzüglich freigelassen und das Todesurteil aufgehoben wird.“

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Jamshid Sharmahd wurde im Iran geboren und wuchs in Deutschland auf. Vor seiner Festnahme lebte Sharmahd jahrelang in den USA, wo er sich in der Exil-Oppositionsgruppe „Tondar“ (Donner) engagierte, die sich für eine Rückkehr der Monarchie einsetzt. Er besitzt neben dem deutschen auch den iranischen Pass. Teheran entlässt seine Bürger nicht aus der Staatsbürgerschaft und gewährt den Heimatländern von inhaftierten Doppelstaatlern keinen diplomatischen Zugang.

Der iranische Geheimdienst kidnappte den Deutsch-Iraner

Im Sommer 2020 wurde er vom iranischen Geheimdienst in Dubai bei einer Zwischenlandung gefangen genommen und in den Iran gebracht. Ein Revolutionsgericht machte den 68-Jährigen im Februar dieses Jahres unter anderem für einen Terroranschlag verantwortlich. Außerdem wird ihm vorgeworfen, mit ausländischen Geheimdiensten kooperiert zu haben. Seine Familie und Menschenrechtsgruppen werfen unter Berufung auf die UN der iranischen Justiz Folter vor und weisen die Vorwürfe gegen ihn zurück.

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Jina Mahsa Amini starb in Teheran in Polizeigewahrsein. Sie wurde 22 Jahre alt. Seit ihrem Tod im vergangenen Herbst kommt es im ganzen Iran zu Protesten.
Jina Mahsa Amini starb in Teheran in Polizeigewahrsein. Sie wurde 22 Jahre alt. Seit ihrem Tod im vergangenen Herbst kommt es im ganzen Iran zu Protesten. © IMAGO/ZUMA Wire | imago stock

Jina Mahsa Amini: Ihr Tod war der Auslöser für landesweite Proteste

In den vergangenen Monaten hat die Zahl der Hinrichtungen von politischen Gefangenen im Iran drastisch zugenommen – für Experten eine Reaktion auf die landesweiten Proteste nach dem Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini im vergangenen Herbst. Die junge Frau starb in Polizeigewahrsam. Ihr wurde vorgeworfen, das Kopftuch nicht richtig getragen zu haben.

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