Berlin. Die Zahl der Privatflüge In Deutschland steigt. Klimaschützer fordern ein Verbot – ein überraschender Grund spricht aber dagegen.

Kurz mal nach Sylt oder Ibiza – und zwar mit dem Privatjet. Trotz Klimakrise ist das für immer mehr Menschen Realität. Die Zahl der Privatflüge in Deutschland hat ein neues Rekordniveau erreicht. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Privatflüge 2022 um mehr als die Hälfte gestiegen. Das geht aus einer im März 2023 veröffentlichten Analyse des niederländischen Beratungsunternehmens CE Delft im Auftrag von Greenpeace hervor. Aber wie schädlich sind Privatjets für das Klima? Und dienen sie tatsächlich immer nur zum Vergnügen?

Ganze 208.600 Tonnen CO2-Emissionen wurden im vergangenen Jahr laut Greenpeace allein durch Privatflüge aus Deutschland in die Atmosphäre abgegeben. Europaweit hat sich der Ausstoß von Treibhausgasen durch Privatflüge im Vergleich zum Jahr davor damit mehr als verdoppelt. Laut Greenpeace liegen die Pro-Kopf-Emissionen eines Privatflugs etwa beim fünf- bis 14-fachen eines kommerziellen Flugs und dem 50-fachen einer Zugfahrt der gleichen Strecke.

Reguliert würden Privatflugzeuge zu großen Teilen nicht, sagt Lena Donat, Expertin für Verkehrswende bei Greenpeace. Vom EU-Emissionshandel seien Privatflüge sogar ganz ausgenommen. „Für Privatflüge fällt überwiegend keine Kerosinsteuer an und auch eine CO2-Abgabe zahlen die Flüge bislang nicht. Damit fördert die Bundesregierung und die EU indirekt ausgerechnet die klimaschädlichste Art der Fortbewegung“. Der Emissionshandel der Europäischen Union soll helfen, die Treibhausgasemissionen schrittweise zu senken. Über den Kauf von Zertifikaten kann man so Verschmutzungsrechte erwerben. Pro Tonne CO2, die in die Atmosphäre gelangt, ist ein bestimmter Preis fällig.

Platz drei im EU-Ranking der Vielflieger

In Europa fanden 2022 entsprechend der Greenpeace-Analyse 571.806 Privatflüge statt. Die CO2-Emissionen dieser Flüge allein summieren sich auf rund 3,4 Millionen Tonnen – mehr als das Doppelte im Vergleich zu 2021. Die Zunahme ist auch auf das Ende der Corona-Pandemie zurückzuführen, heißt es in der Studie. Fliegen hätte danach wieder an Bedeutung gewonnen.

Wie schädlich sind Privatflüge für die Umwelt? Knapp 60.000 Privatflügen fanden 2022 in Deutschland statt.
Wie schädlich sind Privatflüge für die Umwelt? Knapp 60.000 Privatflügen fanden 2022 in Deutschland statt. © IMAGO/dieBildmanufaktur | imago stock

Deutschland trägt mit knapp 60.000 Privatflügen zu der schwindelerregenden Bilanz bei. Damit belegt die Bundesrepublik den dritten Platz im EU-Ranking der Vielflieger. Nur in Großbritannien und Frankreich flog man in noch größerem Umfang. Lange Strecken werden bei diesen Flügen nicht unbedingt zurückgelegt – mehr als die Hälfte aller Flüge waren Kurz- und Ultrakurzflüge von weniger als 750 Kilometern. In Deutschland wird die Strecke Berlin-Köln mit am häufigsten geflogen. Eine Strecke, die mit dem ICE innerhalb von viereinhalb Stunden zu fahren ist.

Deutschland hat EU-weit die meisten Privatflugzeuge

Laut der European Business Aviation Association (EBAA) waren im Juli 2023 insgesamt 728 sogenannte Geschäftsreiseflugzeuge in Deutschland registriert – die höchste Anzahl an Privatjets in ganz Europa. Genutzt werden diese Flugzeuge nach Informationen der German Business Aviation Association (GBAA) im Geschäftsflugverkehr zur Hälfte gewerblich. Das heißt, Luftfahrtunternehmen vermieten die Flugzeuge für Privatflüge. Ein Drittel diene dem nicht-gewerblichen Flugbetrieb, darunter fallen unter anderem anderweitige private Flüge und Eigentümerflüge.

Weniger bekannt: Auch Flüge, die bei medizinischen Notfällen und Rettungsaktionen eingesetzt werden, zählen offiziell zu Privatflügen. Ambulanz- und Spezialflüge wie beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Such- und Rettungsdienst machen laut GBAA rund 13 Prozent des Flugverkehrs aus, 3 Prozent sind auf Regierungs- und Militärflüge zurückzuführen.

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„Diese Flüge werden nicht nur von Millionären angetreten“, sagt Andreas Mundsinger, GBAA-Geschäftsführer. „Das Gros dieser Flüge dient unseren weltweit vernetzten Unternehmen, um schnell reagieren zu können.“ Zahlreiche Unternehmen seien in ländlichen Gebieten angesiedelt. Die Firmen würden Privatflugzeuge laut Mundsinger deswegen unter anderem dafür nutzen Mechaniker oder Monteure zu transportieren, um Liefer- und Produktionsketten zu stabilisieren und Serviceverträge einhalten zu können. „Der längere Ausfall eines Produktionsbands ist weitaus teurer, als schnell einen Techniker einfliegen zu lassen. Auch bei medizinischen Notfällen ist ein schneller und unkomplizierter Transport unabdingbar“, so Mundsinger.

Keine Verbote, sondern Förderung neuer Kraftstoffe

Von einem Verbot von Privatjets zum gewerblichen und privaten Verbrauch hält Mundsinger nichts. Stattdessen solle man mehr auf die Entwicklung von Sustainable Aviation Fuel (SAF) zu Deutsch „nachhaltige Flugkraftstoffe“ setzen. Dabei handelt es sich um synthetische Kraftstoffe, die aus Biomasse oder erneuerbaren Energien und CO2 erzeugt werden. „Sustainable Aviation Fuels sind eine große Chance für die Luftfahrtnation Deutschland. Mithilfe dieser neuen Treibstoffe kann man langfristig den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren“.

Deutschlands prominentester Privatjet-Besitzer: CDU-Chef Friedrich Merz, hier mit seinem Privatflieger auf dem Weg zur Hochzeit von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) 2022.
Deutschlands prominentester Privatjet-Besitzer: CDU-Chef Friedrich Merz, hier mit seinem Privatflieger auf dem Weg zur Hochzeit von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) 2022. © dpa | Axel Heimken

Der Klimaforscher Mojib Latif von der Universität Kiel sieht ein Verbot ebenfalls kritisch. Er sagt: „Autos kann man elektrifizieren, da ist es überhaupt nicht sinnvoll, die enorm aufwendig zu produzierenden und teuren CO2-neutralen, synthetischen Kraftstoffe einzusetzen. Flugzeuge oder auch große Schiffe kann man nicht elektrifizieren. Dort sollte man synthetische Kraftstoffe verwenden. Momentan ist die Entwicklung noch nicht ausgereift, aber das wäre eine Möglichkeit, den Leuten ihre Privatflüge zu erlauben.“

Auch die Bundesregierung hat keine strengere Regulierung von Privatflügen in Planung. Das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium will nach eigenen Angaben die Forschung und Förderung innovativer Technologien und „technologieoffen die Entwicklung und Produktion erneuerbarer Kraftstoffe“ unterstützen. Verkehrsminister Volker Wissing betonte jüngst im Gespräch mit dieser Redaktion, dass Fliegen im Vergleich zur Bahn „unschlagbare Vorteile” habe. Man müsse aber „auch beim Fliegen schnellstmöglich klimaneutral werden“, so der Minister.