Weimar. Eric Wrasse ist dankbar, dass die breite Mitte unserer Gesellschaft öffentlich Haltung zeigt

Thüringen ist ein weltoffenes, vielfältiges und demokratisches Bundesland. Es strotzt nur so vor Kultur und atemberaubender Landschaft. Seit der Wende haben die Menschen sich hier viel Wohlstand erarbeitet.

Die Mitte Deutschlands ist ein Standort für Zukunftstechnologien, Weltkonzerne, exzellente Universitäten, Spitzensport und Kunst. Der Freistaat hat seinen Platz im Herzen Europas wieder gefunden, ist eingebunden in die weltweiten Wertschöpfungsketten.

Es gibt so viel hier, auf das man zu Recht stolz sein kann. Als Oldenburger, der seit 2007 in Weimar arbeitet, kann ich sagen, dass ich sehr gerne hier lebe.

Thüringen ist gleichzeitig das Land zahlreicher rechtsextremer und rassistischer Verbrechen. Ein schwarzer Freund von mir entkommt in Erfurt nur knapp rechten Schlägern, sein Bekannter wird krankenhausreif geschlagen. In Weimar wird einem Café mehrfach die Scheibe zertrümmert, bis es endlich schließen muss. In seinem Schaufenster war sichtbar der Ermordeten von Hanau gedacht worden. Eine schwarze Kollegin von mir wird in der Klassikerstadt von einem Busfahrer nicht mitgenommen.

Von 1990 bis 2020 erkannte die Bundesregierung 113 Personen als Opfer rechtsextremer Tötungsdelikte an. Unabhängige Beobachter nennen noch weit höhere Zahlen. Von Mölln bis Halle zieht sich eine Todesspur durch Deutschland. Allein der im Freistaat stark verankerte NSU ist für neun dieser rassistisch motivierten Morde verantwortlich. Ich frage mich: Wie konnten wir das in unserer Mitte geschehen lassen? Wo blieb der gesellschaftliche Aufschrei in der Nation, die so stolz auf die Aufarbeitung der NS-Verbrechen ist? Wie können wir es weiterhin hinnehmen, dass Menschen täglich bedroht werden? Wie schaffen wir es, die Strafverfolgung so zu gestalten, dass Täter schnell zur Rechenschaft gezogen werden und die Gesellschaft nicht über Jahre weiter terrorisieren?

2024 scheint es, als könne eine in Thüringen als erwiesen rechtsextrem eingestufte Partei über 30 Prozent der Wählerstimmen bekommen. Eine Partei, die das gesellschaftliche Klima schafft, in dem Rassismus salonfähig wird.

Ich bin dankbar, dass angesichts dessen die breite Mitte unserer Gesellschaft öffentlich Haltung zeigt. Das, was bei den genannten rassistischen Morden schon längst hätte passieren müssen, scheint jetzt endlich zu erfolgen: ein breites gesellschaftliches Votum, das sagt: Bis hierhin und nicht weiter! Schluss mit Hass, Spaltung und Gewalt! Die vielen besinnen sich dabei auf unsere geteilten Werte: die Anerkennung und den Schutz jedes Einzelnen, also das, was man Menschenrechte nennt. Die Völkerverständigung und europäische Zusammenarbeit. Die Mitbestimmung eines jeden in den Fragen, die alle betreffen, also das, was man Demokratie nennt.

Lassen Sie uns diese Werte stark machen. Lassen Sie uns überall sichtbar machen, dass Thüringen ein weltoffenes, freundliches Land mit einem menschlichen, einladenden Antlitz ist.

Eric Wrasse ist pädagogischer Leiter der Europäischen Jugendbildungs- und -begegnungsstätte Weimar (EJBW). thueringen-weltoffen.de