Brüssel. Aus den geplanten Medizinchecks für Autofahrer wird nun doch nichts. Doch die EU ändert im Straßenverkehr einiges. Die Infos im Überblick.

Wieder Aufregung um verbindliche Gesundheitschecks für Autofahrer: Das EU-Parlament hat am Mittwoch dafür plädiert, dass Führerscheininhaber europaweit alle 15 Jahre Auskunft über ihren Gesundheitszustand geben müssen – ob das mit einem ärztlichen Medizincheck zu geschehen hat oder auch nur eine Selbsteinschätzung der Autofahrer genügt, sollen aber die Mitgliedstaaten entscheiden. Damit ist klar: Eine gesetzliche Regelung zu regelmäßigen Gesundheitstests für Autofahrer wird es in Deutschland nicht geben – und auch die Pflicht zur Selbstbewertung ist hierzulande nicht sicher.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) stellte am Mittwoch erneut klar, dass er gegen staatliche Vorgaben zur regelmäßigen Prüfung der Fahrtauglichkeit ist. Er lehnt auch eine Pflicht zur Selbstauskunft ab, die nur weitere Bürokratie mit sich bringe. Auch der ADAC hat sich gegen verpflichtende ärztliche Untersuchungen ausgesprochen, nennt sie unverhältnismäßig.

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Gesundheitschecks für Autofahrer? Mehrere EU-Staaten dagegen

Das Parlament muss sich jetzt erst mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf den Gesetzestext einigen, ein Kompromiss wird erst 2025 erwartet. Klar ist: Nicht nur Deutschland, auch andere wichtige EU-Staaten lehnen die Forderung nach verbindlichen Gesundheitschecks entschieden ab – damit sind sie als EU-Gesetz de facto vom Tisch. Allerdings wird es mit der geplanten Novelle bald eine Reihe anderer wichtiger Änderungen beim Führerschein geben, die Autofahrer kennen sollten:

  • Ein digitaler Führerschein soll bis 2033 verbindlich in ganz Europa eingeführt werden. Das soll Ersatz, Verlängerung oder Tausch der Fahrlizenz erheblich vereinfachen, weil alle Verfahren online abgewickelt werden können. Zudem kann das Dokument mit dem Smartphone vorgelegt werden.
  • Der Führerschein mit 17 Jahren, der bisher in Deutschland schon für Pkw möglich ist, soll auf Lastwagen ausgeweitet werden. Die Erfahrungen mit dem begleiteten Fahren gelten als gut.
  • Autofahrer sollen für Verkehrsdelikte im europäischen Ausland konsequenter bestraft werden, auch mit Führerscheinentzug.
  • Schließlich soll in der Fahrschule künftig klimaschonendes Fahren trainiert und mehr Rücksicht auf Fußgänger oder Radfahrer vermittelt werden.

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Kontrollen bei älteren Autofahrern: Verkehrsminister Wissing senkte den Daumen

Über die Gesundheitschecks wird schon seit mehr als einem Jahr immer wieder debattiert. Die EU-Kommission hatte Anfang 2023 für Autofahrer über 70 Jahren vorgeschlagen, dass ihre Führerscheine alle fünf Jahre verlängert werden müssten, und dies an Bedingungen für die Senioren geknüpft: Genannt wurden etwa medizinische Tauglichkeitstests, eine Selbsteinschätzung der Autofahrer zum Gesundheitszustand oder andere Maßnahmen, zu denen etwa Auffrischungskurse gehören sollten.

Aber: Über die Vorgaben im Detail sollten die Mitgliedstaaten selbst entscheiden. Wissing senkte gleich den Daumen, deutsche Autofahrer wollte er mit solchen Vorgaben nicht behelligen. Als der Rat der Mitgliedstaaten seine Verhandlungsposition festlegte, wanderte die Seniorenregelung schon wegen der Altersdiskriminierung in den Papierkorb, geistert aber auch von dort aus regelmäßig weiter durch die Debatten.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lehnt regelmäßige verpflichtende Gesundheitstests für Autofahrer ab.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lehnt regelmäßige verpflichtende Gesundheitstests für Autofahrer ab. © DPA Images | Andreas Arnold

Übrig blieb im Rat nur eine Hürde: Bei der schon bestehenden Erneuerungspflicht für Führerscheine alle 15 Jahre sollten künftig alle Autofahrer eine Selbstauskunft zu ihrer Fahrtauglichkeit abgeben müssen. Wissing fürchtet enorme bürokratische Lasten für die Verwaltung, ohne dass ein Mehrwert für die Verkehrssicherheit entsteht. Auch andere Regierungen in der EU sind skeptisch.

Pro und Kontra: Was spricht für und gegen Gesundheitstestes für Autofahrer?

Gesundheitstests für Autofahrer in 14 EU-Staaten

Wie der endgültige Kompromiss im kommenden Jahr aussieht, ist offen. Es zeichnet sich aber ab, dass sich Rat und Parlament darauf einigen, alle 15 Jahre eine Selbsteinschätzung der Autofahrer parallel zur Verlängerung der Fahrerlaubnis zu verlangen – und alle Details dann den Mitgliedstaaten zu überlassen.

Verbindliche Tests als Alternative haben indes neben Deutschland auch andere wichtige Staaten wie Frankreich, die Niederlande, Polen, Österreich oder Belgien abgelehnt. Nach Meinung der EU-Abgeordneten müsste ein solcher Medizincheck, wo er eingeführt würde, mindestens Hör- und Sehtests sowie eine Herz-Kreislauf-Untersuchung umfassen. In 14 der 27 Staaten gibt es bereits die Pflicht zu Medizintests, meist für ältere Autofahrer.

Fahrerlaubnis auf dem Handy: In zehn Jahren soll der digitale Führerschein europaweit eingeführt sein.
Fahrerlaubnis auf dem Handy: In zehn Jahren soll der digitale Führerschein europaweit eingeführt sein. © BMVI | BMVI

In Deutschland ist der Widerstand dagegen groß, auch unter den Europaabgeordneten. SPD-Mann Thomas Rudner sagte: „Medizinchecks sind in der Praxis nicht umsetzbar, bei 57 Millionen Führerscheinbesitzern in Deutschland würde das bestehende Facharztsystem überfordert.“ Der FDP-Abgeordnete Jan-Christoph Oetjen meinte: „Ein Gesundheitstest alle 15 Jahre führt nicht zu einer Verbesserung der Sicherheit. Unser bereits belastetes Gesundheitssystem würde weiter strapaziert.“ Aber niemand könne sagen, ob ein Autofahrer ein Jahr später noch fit sei.

Mit den neuen Vorgaben will die EU den Straßenverkehr sicherer machen. Nach Kommissionsangaben sterben in der Union jedes Jahr mehr als 20.000 Menschen bei Unfällen im Straßenverkehr, bis 2050 soll diese Zahl auf null abgesenkt werden.