Tel Aviv/Berlin. Oppositionsführer Benny Gantz soll in Israel eine Regierung bilden. Die Coronavirus-Krise fordert eine schnelle Lösung – gelingt das?

Es ist eine politische Krise, die seit Monaten andauert. Dreimal innerhalb eines Jahres mussten die Menschen in Israel wählen, immer wieder fehlte dem Wahlsieger die Mehrheit, um das Land zu regieren. Doch jetzt zeichnet sich eine Lösung für Israels Politik ab.

Der frühere Armeechef Benny Gantz soll das Land nun aus der Krise führen: Staatschef Reuven Rivlin wird den Oppositionsführer am Montag mit der Regierungsbildung beauftragen, wie das Präsidialamt ankündigte.

Auch die Coronavirus-Krise belastet nun den schwierigen Prozess der Regierungsbildung. Bars, Restaurants, Einkaufszentren sind ohnehin schon geschlossen. Zehntausende Menschen befinden sich in häuslicher Isolation. In Israel wurden nach Angaben der Behörden bislang 213 Coronavirus-Fälle verzeichnet. Schulen sind geschlossen, verboten sind außerdem Versammlungen mit mehr als zehn Teilnehmern.

Die dritte Parlamentswahl in einem Jahr endete erneut mit einem Patt

Eine starke und entscheidungskräftige Regierung ist aus Sicht des Präsidenten Rivlin gerade jetzt notwendig, um entschlossen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus zu kämpfen.

Also rief Rivlin den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Benny Gantz auf, angesichts der Corona-Krise die Möglichkeit einer Einheitsregierung zu erörtern. Erste Gespräche darüber verliefen am Sonntagabend aber ergebnislos.

Auch die dritte Parlamentswahl innerhalb eines Jahres hatte die Pattsituation zwischen dem rechts-religiösen Block von Netanjahu und dem Mitte-Links-Lager um Gantz nicht beendet.

Gantz hatte sich zuvor im Parlament den notwendigen Rückhalt für eine Regierungsbildung gesichert. Nach Angaben des Präsidialamts unterstützen 61 Parlamentarier den früheren Armeechef. 58 Abgeordnete stellten sich demnach hinter Netanjahu.

Jerusalem am Sonntagabend: Reuven Rivlin (Mitte), Staatspräsident von Israel, sitzt mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (links) und Oppositionsführer Benny Gantz zusammen.
Jerusalem am Sonntagabend: Reuven Rivlin (Mitte), Staatspräsident von Israel, sitzt mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (links) und Oppositionsführer Benny Gantz zusammen. © dpa | Koby Gideon

Arabische Minderheit macht in Israel rund 20 Prozent der Bevölkerung aus

In Israel hatten vor rund zwei Wochen die dritten Parlamentswahlen innerhalb eines Jahres stattgefunden. Netanjahus rechtsgerichteter Likud ging daraus zwar als knapper Wahlsieger hervor. Zusammen mit seinen Verbündeten verfehlte der Likud aber die absolute Mehrheit von 61 Mandaten in der Knesset.

Gantz ist bei der Regierungsbildung unter anderem auf die Vereinte Liste der arabischen Parteien und die laizistisch-nationalistische Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) von Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman angewiesen. Dieser hatte eine Zusammenarbeit mit den arabischen Parteien in der Vergangenheit allerdings abgelehnt.

Die arabische Minderheit in Israel macht rund 20 Prozent der Bevölkerung von neun Millionen aus. Sie hat häufig mit Diskriminierung zu kämpfen. Rechte Politiker stellen Araber in Israel oft als Feinde des jüdischen Staates dar.

Aufgrund des knappen Wahlausgangs ist daher fraglich, ob es Gantz gelingen wird, eine Koalition zu schmieden. Bereits nach den Wahlen im April und September waren die Koalitionsverhandlungen in Israel gescheitert.

Korruptionsprozess gegen Netanjahu wegen Corona-Krise verschoben

Rivlin scheint daher auch eine Übergangsregierung unter Beteiligung der Rivalen Gantz und Netanjahu ins Auge zu fassen. Er lud beide Politiker für Sonntagabend zu „einem dringenden Gespräch“ über die Bildung einer neuen Regierung ins Präsidialamt ein. Der Präsident betonte, es sei wichtig, die „direkten Kontakte“ zwischen dem Likud und Gantz’ Blau-Weiß-Liste zu intensivieren.

Die Beratungen am Sonntagabend wurden allerdings ergebnislos beendet. Beide Parteien kündigten an, am Montag weitere Gespräche zu führen.

Netanjahu hatte mit Blick auf die Corona-Virus-Pandemie am Sonntag eine sechsmonatige Übergangsregierung unter seiner Führung vorgeschlagen. Gantz hatte eine Beteiligung an einer Regierung unter Netanjahu bislang aber abgelehnt. Er reagierte außerdem erbost darauf, dass sein Rivale das Angebot über die Medien verbreitete – anstatt zunächst das Gespräch mit ihm zu suchen.

Wegen der Corona-Krise wurde außerdem der für Dienstag geplante Beginn des Korruptionsprozesses gegen Netanjahu um gut zwei Monate verschoben. Der langjährige Regierungschef steht wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue unter Anklage. Er streitet alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft ab und bezeichnet sich als Opfer einer „Hexenjagd“ durch die Staatsanwaltschaft und die Medien.

Israel verschiebt Korruptionsprozess gegen Netanjahu wegen Coronavirus

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    (dpa/cu)

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