Milwaukee. Es ist offiziell: Joe Biden wird die US-Demokraten in die Wahl gegen Donald Trump führen. Biden sagte: „Es bedeutet die Welt für mich.“

Der „roll call” ist das Herzstück eines jeden Präsidentschafts-Parteitags in Amerika. Wenn die Delegationen der 50 Bundesstaaten und Außenterritorien feierlich bekanntgeben, wie viele Stimmen in der Endrunde auf welchen Kandidaten entfallen sind, schlägt in großen Arenen die Stunde von Pathos und Föderalismus.

Am Dienstagabend (Ortszeit) geriet die Prozedur bei den Demokraten Corona-bedingt zu einer per Video und Live-Schaltung verdichteten intimen Sightseeing-Tour, bei der von den Stränden Hawaiis bis zu den Weideflächen Wyomings Amerikas Schokoladenseiten zum Vorschein kamen. Am Ende hatte Joe Biden 3558 Stimmen auf seinem Konto, Bernie Sanders, sein unterlegener Rivale und heutiger Bundesgenosse, kam auf 1151 Delegierte. 2374 Stimmen waren nötig für das Ticket in Richtung Weißes Haus.

Biden (77), der sich 1988 und 2008 erfolglos für das höchste Staatsamt beworben hatte, ist damit offiziell der Herausforderer von Amtsinhaber Donald Trump bei der Wahl am 3. November. „Es bedeutet die Welt für mich und meine Familie”, sagte Biden in einer live aufgenommenen Video-Sequenz, “danke, danke, danke.”

Jill Biden und Joe Biden wurden zum Parteitag zugeschaltet.
Jill Biden und Joe Biden wurden zum Parteitag zugeschaltet. © AFP | -

Biden nun offiziell Trump-Herausforderer – Clinton kritisiert US-Präsident

Zuvor hatten erneut etliche Partei-Prominente ihr Argument für Biden in die virtuelle Parteitagsversammlung eingespeist, die zum Auftakt am Montag rund 29 Millionen Zuschauer an Fernsehgeräten und Computern fand. Der ehemalige Präsident Bill Clinton konzentrierte sich auf eine Breitband-Kritik an Trumps Krisenmanagement in der Coronavirus-Krise. „Trump sagt, wir sind weltweit führend. Nun, wir sind die einzige große Industrienation, deren Arbeitslosenquote sich verdreifacht hat”, erklärte Clinton. „In einer Zeit wie dieser sollte das Oval Office eine Kommandozentrale sein. Stattdessen gleicht es einem Sturmzentrum. Es gibt nur Chaos.”

Trump sei permanent entschlossen, „Verantwortung abzulehnen und die Schuld auf andere abzuwälzen”. Vier weitere Jahre unter Trump bedeuten laut Clinton: Schuldzuweisungen, Schikane und Herabsetzung („blame, bully and belittle“). Joe Biden biete dagegen einen Wiederaufbau der Wirtschaft zum Besseren („Built back better“).

Jimmy Carter, mit 95 der älteste noch lebende Alt-Präsident, sagte in einer Videobotschaft: “Wir verdienen eine Person mit Integrität und Urteilsvermögen, jemanden, der ehrlich und fair ist, jemanden, der sich für das einsetzt, was am besten für das amerikanische Volk ist.” Darum: “Joe Biden muss unser nächster Präsident werden.” John Kerry, einst Außenminister unter Barack Obama, griff Trump ebenfalls scharf an: „Er trennt sich von unseren Verbündeten und schreibt Liebesbriefe an Diktatoren.”

Videografik- Der lange Weg ins Weiße Haus

weitere Videos

    Parteitag der US-Demokraten erinnert an Eurovision Song Contest

    Der Parteitag der Demokraten war wegen der Corona-Pandemie auf den Kopf gestellt worden. Ursprünglich war ein viertägiges Mega-Event in einer großen Halle in Milwaukee (Wisconsin) geplant gewesen mit Zehntausenden Gästen. Nun wurde das Programm auf täglich zwei Stunden reduziert und wurde bei vielen Fernsehsendern und online übertragen.

    Und tatsächlich erinnerte die Abstimmung zur Nominierung in diesem Jahr, bei der Videos aus den einzelnen Teilen des Landes gezeigt wurden, an die Punktevergabe beim Eurovision Song Contest. Typischerweise verkünden Vertreter der Staaten und Gebiete der USA die Verteilung der Delegiertenstimmen – und nutzen den Auftritt für politische Forderungen oder Preisungen ihrer Heimat.

    Der 77-Jährige war acht Jahre lang Vizepräsident unter Barack Obama. Ex-First-Lady Michelle Obama hatte den Auftakt des virtuellen Parteitags geprägt und Biden als „zutiefst anständigen Mann“ bezeichnet.

    Michelle Obama- Trump ist der falsche Präsident für unser Land

    weitere Videos

      Joe Biden will die USA aus der Corona-Krise führen

      Joe Biden verspricht, das Land als Präsident zu einen. Er will aus der Corona-Krise führen und die Wirtschaft wieder aufbauen, die erheblichen Schaden genommen hat. Zudem verspricht er, sich für mehr Gerechtigkeit einzusetzen und gegen systematischen Rassismus einzutreten.

      In die Wahl ziehen will er mit der kalifornischen Senatorin Kamala Harris, die im Fall eines Sieges die erste schwarze Vizepräsidentin der USA wäre. Harris soll am Mittwoch (Ortszeit) nominiert werden und anschließend ihre Nominierungsrede halten. Das ist die mögliche neue US-Vizepräsidentin.

      Biden liegt in landesweiten Umfragen vor Amtsinhaber Donald Trump, der kommende Woche bei dem Parteitag der Republikaner offiziell zum Kandidaten gekürt werden soll. Die Erhebungen haben allerdings wegen des komplizierten Wahlsystems nur begrenzte Aussagekraft.

      Hintergrund: Trump vs. Biden: Welche Chancen haben die Kandidaten?

      Biden ist bislang gut mit einem zurückhaltenden Wahlkampf gefahren, mit dem er der Pandemie Rechnung getragen hat. Die Demokraten unterstreichen damit ihre Botschaft, einen verantwortungsvollen Kandidaten ins Rennen ums Weiße Haus zu schicken.

      Wegen Trumps treuer Basis sind sie auf eine breite Koalition an Unterstützern angewiesen, von enttäuschten Trump-Wählern bis hin zu den Parteilinken. Die Hoffnung ist, dass der moderate Biden diese hinter sich vereinen kann. Die US-Präsidentschaftswahl findet am 3. November statt.

      (mit dpa/jha)