Berlin. Ein Wahlrechtsexperte der Bertelsmann Stiftung schließt einen XXL-Bundestag nach der Wahl im September nicht aus. Die Voraussetzungen.

Ein Bundestag mit gut 1000 Abgeordneten? Kein ganz unwahrscheinliches Szenario nach der kommenden Bundestagswahl, wenn man die Berechnungen des Wahlrechtsexperten Robert Vehrkamp berücksichtigt. "Die Bandbreite der plausibel möglichen Bundestagsgrößen läuft von etwa 650 bis mehr als 1000. Das kann man nicht ausschließen", sagte der Fachmann der Bertelsmann Stiftung der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Vehrkamp ist auch Teil der vom Bundestag eingesetzten Kommission zur Reform des Wahlrechts und Modernisierung der Parlamentsarbeit. Eine genaue Vorhersage ist nach seiner Darstellung jedoch nicht möglich.

Größe des Bundestags auch von Überhangmandaten abhängig

"Was in der Diskussion häufig übersehen wird: Es kommt nicht nur auf das Zweitstimmenergebnis an", erklärte er. "Mindestens genauso stark hängt es vom Stimmensplitting ab, wie viele Überhangmandate es geben wird. Und das Splittingverhalten ist noch unkalkulierbarer als die Zweitstimmenvergabe."

Die Grünen könnten beispielsweise doppelt so viele Zweitstimmen bekommen wie bei der Wahl 2017. "Wir wissen aber nicht, wie dann das Splittingverhalten der Grünen-Wähler aussieht." Für den Fall, dass 20 Prozent von ihnen etwa aus alter Verbundenheit der Union die Erststimme geben, habe das "einen enormen Hebeleffekt", sagte Vehrkamp. "Dann ist man je nach Szenario schnell bei 880, 950 oder im Extremfall sogar bei über 1000 Mandaten. Das muss nicht so kommen, ist aber möglich. Das geltende Wahlrecht ist mit Blick auf die Größe des Bundestages ein echtes Vabanquespiel."

Berechnungen: Bis zu 978 Abgeordnete möglich

Vehrkamp hat aus dem ARD-"Deutschlandtrend" vom 5. August (CDU/CSU: 27 Prozent, Grüne: 19, SPD: 18, FDP: 12, AfD: 10, Linke: 6) mit drei verschiedenen Splittingszenarien die Größe des Bundestags errechnet. Je nach Konstellation kommt er auf 695, 851 oder ganze 978 Abgeordnete.

Auf seine Arbeits- und Politikfähigkeit habe die Größe des Bundestags enorme Auswirkungen, sagte der Wahlforscher. "Ein zu großer Bundestag verschlechtert die Qualität des Politikbetriebs." Davon könne sogar die Regierungsbildung beeinflusst werden. "Je größer die Fraktionen, umso schwerer könnte es werden, knappe Mehrheiten zu organisieren und für die Dauer der Legislaturperiode stabil zu halten."

Der Bundestag hat eine Normgröße von 598 Mandaten. Seit der Wahl 2017 zählt er allerdings 709 Abgeordnete - so viele wie nie zuvor in seiner Geschichte.

(dpa/raer)