Berlin. Nach Pannen und Fehlern bei der Wahl in Berlin fordert die Regierung Aufklärung von den Behörden vor Ort. Wird die Wahl wiederholt?

Die Menschen in Berlin haben am vergangenen Wochenende nicht nur über einen neuen Bundestag abgestimmt. Auch die Wahl zum Abgeordnetenhaus, dem Berliner Landesparlament, sowie die Wahlen der Bezirksvertretungen standen an. Dann kam noch ein Volksentscheid zur Enteignung der Mietkonzerne dazu. Und ein Marathon, bei dem Tausende Athletinnen und Athleten durch die Stadt liefen.

Offenbar, so spotten nun manche, war das alles zu viel für Berlin. Wahlzettel konnten am Sonntag nicht rechtzeitig ausgeliefert werden, weil Straßen gesperrt waren – wegen des Marathons. Lesen Sie auch: Ampel oder Jamaika: Woran die Gespräche scheitern könnten

Damit nicht genug: Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf hatte laut Recherchen des rbb nach der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung fiktive vorläufige Ergebnisse gemeldet. In drei Briefwahllokalen muss die zum Volksentscheid erfolgte Abstimmung nachgezählt werden, da hier der Anteil an ungültigen Stimmen auffällig hoch ist.

Wahltag in Berlin: Lange Schlangen bilden sich vor den Wahllokalen in Friedrichshain.
Wahltag in Berlin: Lange Schlangen bilden sich vor den Wahllokalen in Friedrichshain. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Erste Prognosen, als Berliner noch wählen konnten

Und: Die ersten Prognosen wurden veröffentlicht, da konnten Berliner noch wählen. So haben Wähler in Wilmersdorf und Pankow so lange in der Schlange vor ihren Wahllokalen warten müssen, dass sie erst gegen 19.30 Uhr am Zuge waren.

Am Montag hatte die Landeswahlleitung von Problemen in etwa 100 Wahllokalen gesprochen. Vor allem bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen, da die Menschen aufgrund der Vielzahl der Entscheidungen lange in den Wahlkabinen verweilten. Das sei vorhersehbar gewesen, schreibt Christian Waldhoff. Er ist Professor für Öffentliches Recht an der Humboldt-Universität – und war am Sonntag als Wahlhelfer im Einsatz.

Mehrere Seiten haben Beschwerden gegen die Wahl angekündigt

„Viele Wähler gingen nach Hause, um mit Lektüre oder einer Sitzgelegenheit zurückzukehren“, schreibt er in einem Beitrag auf dem „Verfassungsblog“. Nun läuft eine Debatte über die Konsequenzen aus dem Wahl-Chaos in Berlin. Sogar der Sprecher der Noch-Bundesregierung Steffen Seibert meldet sich zu Wort und fordert Aufklärung von den Berliner Behörden. „Es ist die Verantwortung der zuständigen Berliner Stellen und Verantwortlichen, das, was geschehen ist, ganz klar aufzuarbeiten“, sagte Seibert.

Inzwischen haben mehrere Seiten Beschwerden gegen die Wahl angekündigt. Mehrere Bezirke erklärten auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, derzeit seien keine Anlässe für eine Nachwahl bekannt. Die genaue Prüfung könnte sich aber noch zwei Wochen hinziehen. Und doch gibt es schon Folgen des Wahldesasters: Am Mittwoch kündigte die Landeswahlleiterin ihren Rücktritt an – nachdem sie sich vorher vehement gegen Anschuldigungen verteidigt hatte.

Der „Spiegel“ berichtet nun, dass der Bundeswahlleiter die Verantwortlichen in der Hauptstadt schon vor dem Wahltag auf eine Betrugsmöglichkeit hingewiesen habe, weil für die Bezirkswahlen 16-Jährige wählen dürfen, für die Bundestagswahl aber nicht. Dennoch hätte sich das mischen können. Hektisch änderten die Organisatoren in Berlin daraufhin den Modus der Auszählung. Auch interessant: Ampel-Parteien einig: Wahlalter 16 und Cannabis-Lockerung

Einzelne Wahlbezirke könnten erneut ausgezählt werden

Wird die Wahl in Berlin nun wiederholt? Die Stelle des Bundeswahlleiters hebt auf Nachfrage hervor, dass einzelne Wahlbezirke erneut ausgezählt werden könnten, um Unstimmigkeiten zu beheben. Derzeit überprüft das Amt den Wahlvorgang in Berlin, ein Bericht soll bis Anfang Oktober vorliegen. Über die Gültigkeit der Wahl entscheidet der Bundestag im Wahlprüfungsverfahren.

Zudem gilt: Angefochten werden kann die Wahl erst, wenn das amtliche Endergebnis vorliegt. Das soll am 14. Oktober der Fall sein. Gegen die Prüfung der Wahl kann jede oder jeder sogar Beschwerde einlegen – an höchster Stelle, beim Bundesverfassungsgericht. Lesen Sie auch: Merz über eigene Partei: „CDU ist denkfaul geworden“