Berlin. In etwa zwei Wochen soll der Bundestag auf Drängen der Grünen über ein Tempolimit abstimmen. Vor allem aus der FDP hagelt es Kritik.

Eine namentliche Abstimmung im Bundestag findet statt, wenn es um „bedeutsame oder umstrittene Entscheidungen“ geht. So erklärt es das Parlament auf seiner Internetseite. Beides ist der Fall, wenn die Abgeordneten sich in etwa zwei Wochen offen und mit vollem Namen entscheiden müssen, ob sie für oder gegen ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen sind.

Die Grünen haben die Abstimmung angesetzt; sie wollen einen Keil in die Koalition treiben, denn die SPD-Abgeordneten müssten – würden sie der Linie ihrer Partei folgen – für das Tempolimit sein. CDU und CSU aber sind dagegen, weshalb das Thema in der großen Koalition nicht weiter diskutiert wird.

Tempo 130: Grüne werben für mehr Sicherheit, Entspannung und Umweltschutz

Die Grünen wollen es trotzdem zur Abstimmung bringen: „Wir wollen sehen, wie es die Mehrheit im Bundestag mit der Vernunft und mit dem Bevölkerungswillen hält“, sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Cem Özdemir, unserer Redaktion.

Ein Tempolimit bringe mehr Sicherheit, mehr Entspannung, mehr Umweltschutz: „Es wird Zeit, dass unser Land auch in dieser Frage im 21. Jahrhundert ankommt“, so Özdemir.

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Tempolimit: Umfragen zufolge ist die Mehrheit dafür

Die Ökopartei hat das Tempolimit auch in ein 29-seitiges Klimaschutzprogramm geschrieben, das auf ihrem Parteitag im November beschlossen werden soll und in dem weitere Klimaschutzpläne stehen. Auf Seite 16 heißt es, Tempolimits „tragen auch zu Lärm-, Umwelt- und Klimaschutz bei“. Deshalb solle auf Autobahnen ein „allgemeines Sicherheitstempo“ von 130 gelten.

Tatsächlich ist es unumstritten, dass eine Geschwindigkeitsgrenze auf der Autobahn den Verkehr sicherer macht. In Umfragen ist eine Mehrheit der Deutschen inzwischen auch für ein Tempolimit.

Beitrag für den Klimaschutz ist umstritten

Nicht so sicher ist, wie groß der Beitrag des Tempolimits zum Klimaschutz wäre. Experten der Denkfabrik „Agora Verkehrswende“ haben berechnet, dass ein Tempo 130 auf Autobahnen den Kraftstoffverbrauch senken und andere Verkehrsmittel attraktiver machen könnte. Dadurch ließen sich ein bis zwei Millionen Tonnen Treibhausgase sparen.

Aber: Verglichen mit den rund 115 Millionen Tonnen CO2, die der Autoverkehr in Deutschland jedes Jahr produziert, ist das wenig.

Mit anderen Worten: Ein Tempolimit würde kaum etwas daran ändern, dass Autos in Deutschland – das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts – immer mehr Kraftstoff verbrauchen und immer mehr CO2 produzieren. Das ist auch eines der Argumente, die Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gegen das Tempolimit hat.

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Lindner fordert CO2-Limit

FDP-Chef Christian Lindner wirft den Grünen vor, einen „Kulturkampf gegen das Auto“ zu führen. „Statt eines Tempolimits brauchen wir ein CO2-Limit für Deutschland“, sagte er unserer Redaktion. „Das wird auch beim Auto den Innovationsmotor anspringen lassen – zum Beispiel, indem Wasserstoff oder klimafreundliche Treibstoffe eine echte Alternative zu Benzin und Diesel werden.“

Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) reagiert mit Skepsis auf die Vorschläge der Grünen zum Klimaschutz: „Entscheidend ist für mich, dass keine unzumutbaren Belastungen entstehen, weder für die Bürger noch für die Wirtschaft“, sagte der CDU-Politiker. Für einen nationalen Klimakonsens müssten „auch Grüne und FDP zu Kompromissen bereit sein“.

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Grüne fordern viermal so hohen CO2-Preis wie geplant

Tatsächlich stehen im Klimapapier der Grünen, das sie selbst als „radikal realistisch“ bezeichnen, viele umstrittene Forderungen. Die Grünen gehen weit über das Klimapaket der großen Koalition hinaus.

So soll der Preis für eine Tonne CO2, die beim Autofahren oder beim Heizen produziert wird, nicht bei zehn Euro starten, sondern bei 40 Euro. Aus den Einnahmen soll die Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimum gesenkt werden. Alle Bürger sollen 100 Euro „Energiegeld“ pro Jahr erhalten.

Insgesamt solle es einen „klugen Mix“ aus CO2-Bepreisung, Anreizen, Förderung und Verboten geben, heißt es in dem Antrag. Auch der Aufsichtsrat der Otto Group, Michael Otto, forderte jüngst im Interview mit unserer Redaktion eine viel höhere CO2-Bepreisung.

Forderungen: Keine Ölheizungen und keine neuen Bundesstraßen mehr

Konkret bedeutet das, dass Ölheizungen ab sofort und fossile Gasheizungen ab 2025 nicht mehr in Häuser eingebaut werden sollen. Stattdessen wollen die Grünen Heizungen mit Sonnenwärme, Wärmepumpe oder Holz fördern. Ab 2025 sollen keine neuen Bundesstraßen mehr gebaut werden. Bis 2030 sollen mindestens 75 Prozent aller Bahnstrecken elektrifiziert werden.

Die letzten Kohlekraftwerke sollen nach dem Willen der Grünen 2030 vom Netz gehen – und damit acht Jahre früher als im Kohlekompromiss vereinbart. Was die umfangreichen Förderprogramme kosten, die die Grünen für Städte und Gemeinden, Verkehrsunternehmen, Autofahrer, Hausbesitzer und Mieter vorschlagen, ist unklar. Dazu gibt es keine Angaben. Umweltministerin Svenja Schulze hatte sich jüngst offen für Veränderungen des Klimapakets gezeigt.

Linke gehen Grüne-Vorschläge nicht weit genug

Die Linke hält die Vorschläge der Grünen für unzureichend: „Die halbherzige CO2-Besteuerung wird letztendlich auf Kosten der Verbraucher gehen, ohne die Probleme an der Wurzel anzugehen“, sagte Parteichef Bernd Riexinger unserer Redaktion.

Die Wirkung eines CO2-Preises von 40 Euro sei sehr gering und der soziale Ausgleich von 100 Euro Energiegeld ungenügend. Riexinger: „Wir brauchen eine sozial-ökologische Transformation unseres gesamten Wirtschaftssystems.“