Hamburg. Die Internierungslager in China erfordern striktes Handeln des Westens. Dabei geht es um Selbstbewusstsein, nicht um Feindseligkeit.

Folter, Schießbefehl, Zwangsarbeit: Die schockierenden Berichte aus den Umerziehungslagern in China lassen keinen Zweifel mehr daran, dass die Regierung in Peking ein brutales Unterdrückungsregime mit systematischen Menschenrechtsverbrechen gegen Millionen Uiguren aufgebaut hat. Die Behauptung, bei den Lagern handele es sich um freiwillige Fortbildungseinrichtungen, ist endgültig als zynische Propagandalüge entlarvt. Europa und die USA müssen Konsequenzen ziehen und ihre bisher zaghafte Sanktionspolitik überdenken. Kleine Nadelstiche genügen nicht mehr.

Aber es geht um mehr. Die Enthüllungen machen klar: Wir haben nicht allein mit dem kriegerischen Russland ein Problem, auf längere Sicht ist China die größere Herausforderung und der eigentliche Systemrivale. Das chinesische Regime unterdrückt die eigene Bevölkerung, während es mit zunehmend aggressiven Mitteln versucht, weltweit seinen Einfluss auszudehnen. Mit der Kombination aus wirtschaftlicher Dynamik und politischer Diktatur will China Weltmacht Nummer 1 werden.

Datenleak: Was bedeutet das für Europa?

Sind wir auf diesen Systemkonflikt vorbereitet? Die Enthüllungen aus Xinjiang sind ein Weckruf, dass der Westen seine Werte und Prinzipien in einer neuen internationalen Unordnung stärker verteidigen muss. Das bedeutet: Wir müssen die Abhängigkeit von China etwa bei den Lieferketten oder den Absatzmärkten verringern. Und westliche Werte, vor allem Menschenrechte, offensiv gegen die Feinde der Freiheit behaupten.

Es geht dabei aber nicht um völlige Abschottung. Wir brauchen China – auch für die Zusammenarbeit etwa im Kampf gegen den Klimawandel. Gefragt ist in Europa daher nicht Feindseligkeit, sondern ein Selbstbewusstsein, das aus einer Position der Unabhängigkeit und Stärke erwächst.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.