Brüssel/Berlin. Die EU sichert sich mehrere Millionen Dosen des Corona-Impfstoffs von Biontech. Was bedeutet das für den Kampf gegen die Pandemie?

Zitterpartie um den ersten Corona-Impfstoff: Am Montag hatte das Forschungsunternehmen Biontech vermeldet, dass der vor ihm entwickelte Corona-Impfstoff nach erfolgreichem Zwischentest wohl bald zugelassen werden kann. Doch noch am selben Tag wurde bekannt, dass die EU mit der Mainzer Firma sowie ihrem US-Partner Pfizer noch gar keinen Vertrag über die Auslieferung der Dosen hat – nur einen Vorvertrag.

Am Dienstagmittag kam dann die erlösende Nachricht aus Brüssel. Die EU-Unterhändler haben sich mit den Mainzern geeinigt. Damit ist der Ankauf von zunächst 200 Millionen Impfdosen mit einer Kaufoption auf 100 weitere Millionen für die EU gesichert. Zusammen würde das für 150 Millionen Menschen reichen (zwei Impfungen), etwa ein Drittel der EU-Bevölkerung. Am Mittwoch soll der Vertrag in der Kommissionssitzung abgesegnet und in den kommenden Tagen unterzeichnet werden. Doch das gilt nur noch als Formsache. Lesen Sie auch: Biontech-Gründer: Dieses Ehepaar macht der Welt Hoffnung

Das Rennen um den Impfstoff hat eben erst begonnen. Denn am ersten wirksamen Corona-Impfstoff ist die ganze Welt interessiert. Wer hier zu spät versorgt wird, den könnte das viele Menschenleben kosten. Bereits im März soll US-Präsident Donald Trump deshalb versucht haben, sich den möglichen Impfstoff eines anderen deutsches Unternehmen für die USA zu sichern: den der Tübinger Firma CureVac. Angeblich soll er bereit gewesen sein, eine Milliarde Dollar vorab für die Exklusivrechte zu zahlen. CureVac bestritt allerdings, dass es ein solches Angebot gegeben habe.

Corona-Impfstoff: EU pochte auf übliche Haftungsregeln

Überraschend wäre es nicht. Auch deshalb hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) darauf gedrängt, dass der Vertrag zwischen der EU und Biontech schnell zustande kommt. „Wir könnten es den Europäern und ich insbesondere den Deutschen nicht erklären, wenn ein Impfstoff aus Deutschland in den USA und anderen Regionen der Welt verfügbar wäre, aber in Deutschland und Europa nicht“, sagte er am Dienstag auf einer Pressekonferenz.

Nach Angaben aus EU-Kreisen hatten sich die Verhandlungen in die Länge gezogen, weil das Unternehmen gelockerte Haftungsregeln durchsetzen wollte. Die EU lehnte das ab und beharrte darauf, dass die europäischen Haftungsregeln gelten sollten. Aus Brüssel hieß es jetzt, man habe sich in diesem Punkt durchgesetzt.

Die EU-Kommission versprach eine vertragliche Abnahmegarantie; eine Anzahlung wird aus EU-Mitteln finanziert. Am Ende kaufen aber die Mitgliedstaaten den Impfstoff, den sie über die EU bestellt haben. Der Kaufpreis ist nicht bekannt, Insider gehen davon aus, dass Pfizer ebenso wie andere Hersteller in einer Preisspanne von fünf bis 20 Euro pro Dosis operiert. Lesen Sie auch: Was Sie wissen sollten, bevor Sie Biontech-Aktien kaufen

EU will Verträge mit sechs Impfstoff-Herstellern schließen

Die Kommission will im Rahmen einer „Impfstrategie“, die die Versorgung aller EU-Bürger innerhalb von 12 bis 18 Monate sichern soll, mit insgesamt sechs Herstellern Verträge abschließen. Verträge liegen schon vor mit AstraZeneca (400 Millionen Dosen), Sanofi-GSK (300 Millionen Dosen) und mit Johnson&Johnson (400 Millionen Dosen); Vorverträge mit der EU haben außerdem Moderna und CureVac.

Anfangs hatten einzelne Mitgliedstaaten selbst mit Unternehmen verhandelt (auch Deutschland). Doch das hätte einen Vorteil für größere Länder wie Deutschland und Frankreich bedeutet. Weil sie die attraktiveren Pharmamärkte haben, hätten sie auch höhere Preise bezahlen können. Deshalb entschied man sich, gemeinsam als EU zu verhandeln, die Kommission übernahm die Vertragsverhandlungen für alle. Die Mitgliedstaaten hinterlegen bei der Kommission, welche Mengen sie benötigen, eine Lieferung würde dann entsprechend der Bestellung auf die EU-Länder verteilt. Lesen Sie auch: Bringt uns die Corona-Impfung das normale Leben zurück?

Der Impfstoff von Biontech-Pfizer muss allerdings noch von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA zugelassen werden – alternativ wären auch nationale Zulassungen möglich, doch wäre das für die Hersteller viel aufwendiger. Die Prüfung hat die EMA bereits vorab eingeleitet, um Zeit zu sparen – ein Expertenteam steht bereit, es prüft schon die Teilergebnisse, die die Hersteller übermitteln.

Deutschland ist beim Corona-Impfstoff doppelt abgesichert

Spitzenbeamte der Kommission hatten vor wenigen Tagen vor EU-Abgeordneten die Erwartung geäußert, dass schon im Dezember oder Januar 40 bis 50 Millionen Impfdosen für die EU zur Verfügung stehen, ab April dann bereits 100 Millionen.

Deutschland ist beim Impfstoff quasi doppelt abgesichert. Denn nicht nur über den EU-Vertrag hat es Anspruch auf Impfdosen. Weil es sich um deutsche Firmen handelt, unterstützt das Bundesforschungsministerium sowohl Biontech als auch CureVac und das Dessauer Unternehmen IDT Biologika bei der Entwicklung eines Impfstoffs mit rund 750 Millionen Euro. Im Gegenzug haben sich die Firmen verpflichtet, im Erfolgsfall Deutschland mehrere zehn Millionen Dosen Impfstoff zur Verfügung zu stellen.

Sauer ist US-Präsident Donald Trump. Er hatte seinen Anhängern einen Impfstoff noch vor der US-Präsidentschaftswahl versprochen. Dass die gute Nachricht einer baldigen Zulassung nun erst sechs Tage danach kam, hält er für einen Komplott der US-Demokraten und der amerikanischen Gesundheitsbehörde, wie er in einem Tweet mitteilte.

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