Washington. Donald Trump startet nach seiner Corona-Infektion wieder in den US-Wahlkampf – doch die Spitzen seiner Partei fürchten ein Wahldebakel.

Als Donald Trump vor einer Woche das Walter-Reed-Militärhospital nach dreitägiger Intensivbehandlung gegen seine Corona-Erkrankung pompös inszeniert per Hubschrauber verließ, erwog er einen abenteuerlichen PR-Stunt. Er wollte sich vor den TV-Kameras das Oberhemd aufreißen. Darunter wäre ein „Superman“-T-Shirt zum Vorschein gekommen; als Zeichen seiner Widerstandskraft gegen das Virus.

Corona-Patient Trump ist zurück im Weißen Haus

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    Dass der US-Präsident auf diese Fisimatenten verzichtete, von denen die „New York Times“ erfahren hat, ist für Top-Republikaner eine kleine Erleichterung in schwerer Zeit. Bei ihnen wächst drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl – um die Trump ab heute wieder vor Publikum kämpfen will – die Angst vor einem Erdrutschsieg des Demokraten Joe Biden. Inklusive eines republikanischen Mehrheitsverlusts im Senat.

    Wenn die Wähler „wütend“ sind am 3. November, sagte Senator Ted Cruz, könnte es ein „Blutbad“ geben. Dass der Texaner überhaupt die Option einer breiten Niederlage für Trump und die Konservativen ins Spiel bringt, steht für eine schleichende Absetzbewegung in den eigenen Reihen, die für Trump auf der Schlussetappe des Wahlkampfes sehr gefährlich werden kann.

    Trump liegt laut Umfragen deutlich hinter Biden

    Zuvor hatte der mächtige republikanische Senatsführer Mitch McConnell das als Virenschleuder geltende Weiße Haus für den laxen Umgang mit dem Erreger, der bisher den Tod von über 215.000 Amerikanern gefordert hat, in den Senkel gestellt. Er selber sei schon seit zwei Monaten nicht mehr in der Regierungszentrale gewesen, sagte der 78-Jährige. Weil ihm die dortigen Sicherheitsbestimmungen nicht behagten.

    Noch weniger behagt dem Machtpolitiker aus Kentucky, dass Trumps Widersacher Joe Biden in Umfragen stabil zweistellig vor Trump liegt. Eine gestern präsentierte Studie von „Washington Post“/ABC sieht den Herausforderer landesweit mit zwölf Prozentpunkten (Biden: 54 Prozent, Trump: 42 Prozent) vorn. Auch in Schlüsselstaaten wie Florida und Pennsylvania oder für Trump sicher geglaubten Regionen wie Iowa hat der Präsident wenig zu bestellen.

    Es ist darum kein Zufall, dass Trump von heute bis Mittwoch genau an diesen Orten vor seine Wähler treten will. „Ich fühle mich großartig“, rief er am Sonnabend rund 500 geladenen Anhängern auf dem Südrasen des Weißen Hauses zu und hielt eine 18-minütige Rede, in der er Amerika untergehen sah, falls die Demokraten die Wahl gewinnen sollten.

    Trumps Ärzte weigern sich, einen Negativtest vorzulegen

    Dr. Anthony Fauci, Trumps Chef-Immunologe, hatte eine ähnliche Veranstaltung an gleicher Stelle vor zwei Wochen als „Superspreader-Event“ qualifiziert, nach­dem sich über 20 Teilnehmer, die dicht an dicht saßen und keinen Mundschutz trugen, mit Sars-CoV-2 infiziert hatten. Dass sich Trumps Ärzte weigern, nach offenbar abgeschlossener Therapie ein negatives Testergebnis des Präsidenten vorzulegen oder zu sagen, wann sich dieser wo angesteckt hat, verstärkt den Argwohn.

    Sean Conley, Trumps Leibarzt, erklärte, der Präsident sei nicht mehr ansteckend und darum voll arbeitsfähig. Sein Bulletin legt jedoch nach Ansicht unabhängiger Ärzte den Schluss nahe, dass bei Trump weiter Coronaviren feststellbar sind. Tenor der Kritiker: Es wäre besser, wenn der Präsident noch mehrere Tage kürzertreten würde.

    Republikaner folgen Trumps Zickzackkurs nicht mehr

    Trump tickt anders. Ihm rennt die Zeit davon. Er sucht die Öffentlichkeit, um die Aktualität (circa 50.000 Corona-Infektionen und rund 1000 Tote am Tag) aus den Schlagzeilen zu verdrängen. Wie? Indem er Kamala Harris, die demokratische Vizepräsidentschaftskandidatin, als „Monster“ beschimpft. Indem er von Justizminister Bill Barr verlangt, Vorgänger Barack Obama und den Kontrahenten Joe Biden unter Anklage zu stellen.

    Begründung: Sie hätten 2016 ein Komplott gegen ihn dirigiert und seine Wahlkampagne in den Verdacht gerückt, mit Russland konspiriert zu haben. Indem er die im Vorfeld des Urnengangs am 3. November bereits millionenfach genutzte Briefwahl als manipuliert bezeichnet – alles ohne stichhaltige Belege.

    Bei seinen Ruderbewegungen unterlaufen Trump Fehler. So gilt sein Nein zu einer virtuellen TV-Debatte mit Joe Biden am kommenden Donnerstag als „Eigentor“. Wer lässt sich die Chance entgehen, vor 70 Millionen Zuschauern für sich zu werben?

    Zweites TV-Duell zwischen Trump und Biden abgesagt

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      Noch einschneidender könnte sein, dass Trump ein neues, sehnlich von Bürgern und Märkten erwartetes Corona-Konjunkturpaket in Billionenhöhe erst storniert hat – um nur Stunden später in die Gegenrichtung zu marschieren. Zu spät. Die Republikaner um Mitch McConnell signalisieren: Mit uns vor der Wahl nicht mehr. Klarer könnte der Vertrauensentzug der Parteioberen für ihren Kandidaten kaum sein.

      US-Wahl 2020 - Alles zum Duell Trump vs. Biden