Washington. Im Untersuchungsausschuss zum Sturm aufs Kapitol wird es für Donald Trump immer brenzliger. Sein Rückhalt bei Republikanern schwindet.

Die politische Luft zwischen Donald Trump und dem ihm nachstellenden Untersuchungsausschuss zum Sturm aufs Kapitol in Washington Anfang Januar 2021 wird immer bleihaltiger.

Am Ende der siebten Sitzung wartete die stellvertretende Vorsitzende Liz Cheney, die einzige Republikanerin im Gremium, mit dem kaum verhohlenen Hinweis auf, dass sich der ehemalige Präsident der USA womöglich strafbar gemacht habe. Trumps Erzfeindin berichtete, dass der 45. Präsident der Vereinigten Staaten kürzlich persönlich versucht habe, einen noch nicht öffentlich aufgetretenen Ausschuss-Zeugen zu kontaktieren. Hintergrund: Versuchte Zeugenbeeinflussung ("witness tampering") ist eine Straftat.

Besagte Person habe Trump abgewiesen und stattdessen seinen/ihren Anwalt eingeschaltet, sagte Cheney. Dieser wiederum benachrichtigte das Justizministerium, bei dem die Entscheidungshoheit über eine eventuelle strafrechtliche Verfolgung Trumps liegt. Cheneys Warnung: "Wir werden jeden Versuch, Zeugenaussagen zu beeinflussen, sehr ernst nehmen."

Trump: Republikaner wenden sich langsam ab

Aus Sicht von Analysten in Washington zeigt der Vorgang, so er von dritter Seite bestätigt wird, dass es a) einsam um Trump wird; andernfalls hätte einer seiner vielen Kofferträger den Job übernommen. Und b), dass Trump ein Gespür dafür entwickelt, wie sehr ihm die seit Wochen vom Ausschuss in unaufgeregt professioneller Weise präsentierten Enthüllungen über seine tiefe Verstrickung in den versuchten Staatsstreich am 6.1.2021 zu schaden beginnt.

Immer häufiger wurden zuletzt republikanische Stimmen nicht nur aus der vierten Reihe laut, die in dem 76-Jährigen einen Hemmschuh für die Wahl 2024 sehen, falls er denn seine dritte Präsidentschaftskandidatur anmelden sollte. Jüngste Umfragen deuten darauf hin, dass auch in der republikanischen Wählerschaft eine Trump-Fatigue eingesetzt hat. Fast die Hälfte ist der Meinung, er sollte nicht noch mal nach dem höchsten Staatsamt streben. Vor allem in der Altersklasse unter 35 sind die Vorbehalte gegen Trump groß.

Ein Grund laut Meinungsforschern: Durch die stringente Ausschuss-Arbeit sickere bei vielen republikanischen Wählern inzwischen ein, dass Trump sie für seine blutig geendete Polit-Intrige am Kapitol in Washington nur missbraucht hat.

Standard-Aussage hochrangiger Ex-Trump-Mitarbeiter wie Chef-Jurist Pat Cipollone: Der Präsident wusste, dass es keinen Betrug bei der Wahl 2020 gegeben hat, zig enge Mitarbeiter hatten es ihm früh gesagt. Darum, so Cipollione, hätte Trump spätestens Mitte Dezember offiziell seine Niederlage gegen Joe Biden eingestehen müssen. Trump tat das Gegenteil. Er hielt an der Lüge von der gestohlenen Wahl eisern fest.

Trump: "Seid dabei, es wird wild"

Nach einer turbulenten Sitzung im Weißen Haus am 18. Dezember, in der sich seriöse (Cipollone etc.) und unseriöse Berater (Sidney Powell, Rudy Giuliani, Michael Flynn etc.) beschimpften und sogar mit Handgreiflichkeiten bedrohten, ließ Trump via Twitter einen Aufruf vom Stapel, der die Ausschreitungen am Kongress nach Auffassung des U-Ausschusses erst möglich gemacht hat und wie ein Ruf zu den Waffen klang: "Big protest in D.C. on January 6th. Be there, will be wild!" (Starker Protest in Washington D.C. am 6. Januar. Seid dabei, es wird wild!). Lesen Sie auch: USA: Rechtskonservativer Richter warnt vor Trumps Rückkehr

Jason Van Tatenhove, einst Sprecher der militanten "Oath Keepers", die am Kapitol seinerzeit mit schwer bewaffneten Einheiten vertreten waren, und Stephen Ayres, ein ehemaliger glühender Trump-Anhänger aus Ohio, bestätigten in der Sitzung, dass sie 2021 nur noch Washington gekommen seien, weil sie sich von Trump dazu aufgerufen fühlten. Nach einer aufhetzenden Rede Trumps am Weißen Haus sei man dann mit Hunderten anderen zum Kapitol gelaufen, wo die Zertifizierung des Wahlsieges von Joe Biden anstand. Das Ende ist bekannt: fünf Tote.

Ex-Trump-Fan: "Nehmt die Scheuklappen ab"

Stephen Ayres, der sich inzwischen von Trump losgesagt hat, entschuldigte sich am Ende der Sitzung bei einem der damals übel malträtierten Beamten der Kapitols-Polizei. An die Adresse von Millionen Trump-Fans richtete er diesen Appell: "Nehmt die Scheuklappen ab und seht, was da vor sich geht, ehe es zu spät ist."

Die Ausschuss-Vize Liz Cheney machte unterdessen klar, dass Trump sich nicht mit dem Hinweis aus der Affäre ziehen könne, er sei "vorsätzlich blind" gewesen für die Realität nach der Präsidentschaftswahl und von schlechten Beratern schlecht beraten worden. "Das ist natürlich Unsinn. Präsident Trump ist ein 76 Jahre alter Mann. Er ist kein leicht zu beeindruckendes Kind. Wie jeder andere in diesem Land auch ist er für seine eigenen Handlungen und Entscheidungen verantwortlich."

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.