Rom. Wegen rasant steigender Corona-Zahlen zieht Italien die Notbremse. Teile des Landes kehren ab Montag in einen harten Lockdown zurück.

  • Zu Beginn der Pandemie galt Italien als einer der Corona-Hotspots in Europa
  • Dann schaffte es das Land, die Zahlen zu senken – doch zuletzt stiegen sie wieder stark an
  • Um eine Eskalation der Lag zu verhindern, kehrt Italien in einen harten Lockdown zurück
  • In etwa zwei Dritteln des Landes dürfen die Menschen ihre Wohnungen nur noch aus triftigen Gründen verlassen

Mitten beim Abendessen schlägt die Nachricht wie eine Bombe ein: Erstmals seit dem Beginn der Corona-Pandemie schließen in Italien ab kommenden Montag auch Grundschulen. Ein entsprechendes Dekret wurde von Ministerpräsident Mario Draghi am Freitag unterzeichnet. Auch für die sieben Jahre alte Ludovica in Rom heißt es nun bis auf Weiteres: Homeschooling. Ihre 75-jährige Großmutter zieht nun zur Familie ihrer Tochter, um ihre Enkelin zu betreuen. „Dabei wohne ich lieber zu Hause, denn ich liebe meine Privatsphäre“, seufzt die Dame.

Corona in Italien: Schwierige Situation für Familien

Die Schließung der Schulen verschärft die Probleme vieler Familien. Ludovicas Mutter arbeitet wie viele andere Angestellte im Homeoffice, ihr Mann geht jeden Tag ins Büro. Bislang brachte die Großmutter Ludovica nachmittags auf den Spielplatz und machte Hausaufgaben mit ihr, bevor sie die Enkelin am Abend nach Hause brachte.

Da Homeoffice mit der Betreuung von kleinen Kindern besonders schwierig ist und die traditionelle Virusvariante als weniger ansteckend für die Kleinen galt, blieben Grundschulen auch im harten Lockdown des vergangenen Frühjahrs in Italien geöffnet.

Lockdown in Italien: Draghi zieht die Notbremse

Die neuen Restriktionen bedeuteten eine weitere Belastung für die Wirtschaft und für Familien mit Kindern, räumte Draghi ein. Sie seien aber „nötig, um eine Verschlimmerung der Lage zu verhindern, die noch strengere Maßnahmen erforderlich machen würde“.

Der italienische Premierminister Mario Draghi (Mitte).
Der italienische Premierminister Mario Draghi (Mitte). © Mauro Scrobogna/LaPresse/AP/dpa | Mauro Scrobogna/LaPresse/AP/dpa

Der Regierungschef zieht mit der Verschärfung der Corona-Maßnahmen die Notbremse. Am Donnerstag war die Zahl der täglichen Neuinfektionen auf knapp 26.000 angestiegen – ein Plus von 25 Prozent gegenüber dem Vortag. Allein in der Lombardei sind es knapp 6000. Vor rund einem Jahr hatten die Bilder von Militärlastern, die massenweise Särge aus dem völlig überlasteten Friedhof von Bergamo abtransportierten, weltweit für Entsetzen gesorgt. Und der Höhepunkt der dritten Welle wird in Italien erst um den 20. März erwartet.

Corona-Ampelsystem: Zwanzig Regionen gelten als „rot“

Doch nicht nur die Schulen schließen ihre Tore: Das ganze Land macht dicht. Die Mehrheit der insgesamt 20 Regionen wird von Montag an im geltenden Ampelsystem als rot eingestuft. In zwei Dritteln des Landes dürfen die Bürger nur in dringenden Fällen das Haus verlassen. Auch der bislang in Hochrisikogebieten mögliche Besuch von Freunden einmal am Tag für maximal zwei Personen wird nicht mehr möglich sein.

Die rasante Ausbreitung des Virus hat mehrere Ursachen. Zum einen trieb der erst vor wenigen Wochen wieder eingeführte Präsenzunterricht an allen Schulen die Infektionszahlen nach oben. Zum zweiten grassierte die hoch ansteckende britische Variante viel schneller als erwartet. Von kommender Woche an gilt Alarmstufe Rot automatisch in allen Regionen, deren Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner 250 übersteigt. Landesweit stieg der Wert mittlerweile im Schnitt auf 225.

Italien: Verschärfte Corona-Regeln gelten auch für Ostern

In den Krankenhäusern wächst die Nervosität: Über 30 Prozent der Intensivbetten sind mit Menschen belegt, die an Covid-19 erkrankt sind. Damit ist der Grenzwert überschritten, bis zu dem eine Versorgung aller Patienten gewährleistet ist. Wer sich für einen nicht umgehend erforderlichen Eingriff anmeldet, muss in einigen Landesteilen derzeit Wartezeiten von bis zu zwei Jahren in Kauf nehmen.

Auch über Ostern gelten verschärfte Bedingungen. Die Regierung verhängte eine weitgehende Ausgangssperre, um die üblichen Familientreffen, Gruppenausflüge und Reisen mit Menschenansammlungen in touristischen Anziehungspunkten wie Venedig, Florenz oder Rom zu verhindern. Auch in den wenigen Landesteilen, die Anfang April nicht rot eingestuft sein werden, dürfen die Bürger das Haus nur zur Arbeit und zum Einkaufen verlassen. Maximal zwei Besucher darf jede Familie pro Tag an Ostern empfangen.

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Führt der neue Lockdown bei den Italienern zu mehr Alltagsdisziplin?

Bereits in den vergangenen Wochen konnten Italiener auch in den weniger belasteten Landesteilen nur in dringenden Fällen in andere Regionen reisen. Trotz Sperrstunde ab 22 Uhr und der Schließung von Bars und Restaurants um 18 Uhr trafen sich besonders junge Leute gern zu einem vorgezogenen Aperitif. Von Bozen bis Palermo saßen sie dann gemeinsam ohne Abstand und ohne Maske an Tischen. Das Frühlingswetter nutzten viele am Wochenende, um in beliebten Shoppingmeilen oder an der Uferstraße von Neapel dicht gedrängt spazieren zu gehen.

Wer sich ohne Atemmaske auf der Straße zeigt, stößt auf gemischte Reaktionen. Diejenigen, die sich an die Regeln halten, üben Kritik. Doch die Polizei greift nicht ein. „Gehen ist Sport“, verteidigt sich ein Römer im Nobelviertel zwischen Tiber und der Konzerthalle des Star-Architekten Renzo Piano. Wider besseres Wissen, denn in Italien herrscht auch auf Straßen Maskenpflicht. „Ich bin noch nie von einem Carabiniere angehalten worden“, sagt der Mann. Auch interessant: Impfstoff: Schieflage bei der Verteilung unter EU-Staaten