Brüssel. Die EU-Staaten wollen grundsätzlich bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Darauf einigten sie sich in Brüssel. Es gibt eine Ausnahme.

Europa soll der erste klimaneutrale Kontinent werden: Darauf haben sich die Staaten der EU in der Nacht zur Freitag beim Gipfel in Brüssel geeinigt. Zumindest grundsätzlich – für Polen gibt es nach langem Ringen um einen Kompromiss eine Ausnahme.

Klimaneutralität bis 2050 bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt kein CO2-Ausstoß über das Maß hinaus erfolgt, in dem Umwelt und Technik die Treibhausgase absorbieren können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Energieversorgung, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft komplett umgebaut werden, erforderlich ist die Abkehr von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas.

In ihrem „Green Deal“ hatte die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch Deal“ einen Fahrplan vorgestellt, wie die Klimaneutralität binnen 30 Jahren möglich sein soll. Der belgische EU-Ratspräsident Charles Michel wollte nun unbedingt, dass sich die EU-Staaten hinter das Ziel stellen.

Klimaneutrales Europa: Was den Kompromiss so schwierig macht

Das gestaltete sich beim Brüsseler Gipfel aber außerordentlich schwierig. Zu Beginn hatten Tschechien, Ungarn und Polen Bedingungen gestellt. Alle drei Länder sind abhängig vom wenig klimafreundlichen Energieträger Kohle. Sie bestanden auf klaren Zusagen für finanzielle Hilfen, weil der Umbau der Energieversorgung für sie besonders teuer ist.

Tschechien eröffnete dann noch eine neue Front und forderte, vor der offiziellen Festlegung auf das neue Ziel, die Kernkraft als grünen Strom anzuerkennen. Das traf bei Luxemburg, Österreich und auch Deutschland auf Widerstand. Letztlich heißt es im Beschluss nur, einige Staaten hätten darauf hingewiesen, dass sie Atomkraft in ihrem Energiemix hätten.

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Klimakompromiss in der EU: Polen bekommt Sonderregelung

Polen holte jedoch für sich eine Sonderregel bei der Klimaneutralität heraus. Das Land bezieht 77 Prozent seines Stroms aus Kohle. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte schon bei seiner Ankunft, beim Erreichen des Ziels sollte ein unterschiedliches Tempo gewährt werden. Im Gipfelbeschluss heißt es nun, ein Land könne sich noch nicht darauf verpflichten, das Ziel umzusetzen.

Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, zeigte sich erleichtert über den Klimakompromiss.
Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, zeigte sich erleichtert über den Klimakompromiss. © dpa | Virginia Mayo

Ratschef Michel zeigte sich erleichtert über die Einigung und betonte, die Entscheidung habe trotz der Ausnahme enorme Tragweite: „Wir teilen das Ziel, aber ein Land braucht mehr Zeit, um über die Umsetzung dieses Ziel zu entscheiden.“ Von der Leyen zeigte Verständnis, dass Polen sich zunächst den Fonds genau anschauen wolle, aus dem Hilfen finanziert werden sollen. Mit diesem Fonds will von der Leyen 100 Milliarden Euro mobilisieren, ein genaues Konzept liegt allerdings noch nicht vor.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich in der Nacht „recht zufrieden“. Es gebe „keine Spaltung Europas in verschiedene Teile, sondern es gibt einen Mitgliedstaat, der noch etwas Zeit braucht“, sagte sie. Darüber wolle man im Juni erneut sprechen. Insgesamt sei das Ergebnis ein Bekenntnis, „dass wir unsere Energiepolitik vollkommen verändern werden, um eben die Klimaneutralität zu erreichen“.

EU-Beschluss: Sanktionen gegen Russland bis Juli verlängert

Neben der Klimadebatte gelangen den Staats- und Regierungschefs immerhin einige weitere Beschlüsse. So entschieden sie, die Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland wegen des Ukraine-Konflikts abermals bis Juli 2020 zu verlängern. Grund für die Entscheidung ist, dass es bislang unklar ist, ob es im Zuge der Wiederbelebung des Friedensprozesses wirklich zu Fortschritten kommt.

In der Debatte über den mittelfristigen EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 kamen die Staats- und Regierungschefs kaum weiter. Sie einigten sich lediglich darauf, dass Michel nun die Verhandlungsführung übernehmen soll. Umstritten ist sowohl die Höhe des Haushaltsrahmens als auch die Verwendung der Mittel.

Brexit am Freitag Thema beim EU-Gipfel

Mitten in den Verhandlungen kamen am späten Abend die ersten Prognosen für einen Wahlsieg des britischen Premierministers Boris Johnson. Sein erklärtes Ziel ist, den britischen EU-Austritt nun wie vorgesehen bis Ende Januar zu vollziehen und in der anschließenden Übergangsphase ein Handelsabkommen mit der EU zu schließen. Ratschef Michel betonte, die EU sei offen für die nächsten Schritte, sobald das Austrittsabkommen ratifiziert sei.

Die Staats- und Regierungschefs wollen am Freitag nicht nur über den Brexit sprechen, sondern auch über die Reform der Eurozone. Es geht darum, das gemeinsame Währungsgebiet besser gegen künftige Finanzkrisen zu wappnen. Vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte sich dafür stark gemacht, zuletzt gab es aber wenig Fortschritt. (dpa/epd/moi)