Berlin. Eigentlich wünscht sich unsere Autorin für ihr Kind einen anderen Sport. Doch warum nur? Sie ist doch auch seit 25 Jahren Fußball-Fan.

"Wäre denn Tennis besser gewesen?", frage ich mich, als sich meine zehnjährige Tochter die Fußballstulpen überzieht. Ihre Shorts, ihr Trikot, die Turnschuhe mit den Noppen, wenig mädchenhaft. Alles weit, alles unvorteilhaft geschnitten, das Gegenteil von lieblich. So hatte ich mir ihre Sportkarriere nicht vorgestellt. Eher als anmutige Tänzerin, als Tennisstar in weiß, als schnittige Schwimmerin.

Ich stehe neben ihr und treibe sie an, sich zu beeilen, schließlich muss sie um 8.15 Uhr auf einem Sportplatz stehen. Ich darf sie dorthin fahren, elf Kilometer von uns entfernt. Auf dem Weg, die Sportstätte liegt mitten in einem Szenebezirk, entdecke ich Bars, in denen ich früher war, Restaurants, die es nicht mehr gibt. Morgens um 8 Uhr ist fast nichts los.

Mädchen die Fußballspielen bringen Mütter mit Ansprüchen mit

Die Klage über Samstagmorgen bei 4 Grad, eisigem Wind und zwei Stunden draußen lang rumstehen, lasse ich. Viel zu früh für Bier ist es, Zigaretten rauche ich seit zehn Jahren nicht mehr, so viel zu den Klischees meiner Kindheit, als Eltern das am Spielfeldrand taten und es noch keiner merkwürdig fand. Eine Mutter hat die Wartezeit bis zum Spiel mit Joggen überbrückt und bietet mir statt Bier jetzt Yogitee mit Honig und Milch an. So etwas gibt es am Kiosk vom Vereinsheim nicht. Noch nicht, denn mit den fußballspielenden Mädchen kommen die anspruchsvollen Mütter.

Autorin Diana Zinkler schreibt die „Morgenland“-Kolumne.
Autorin Diana Zinkler schreibt die „Morgenland“-Kolumne. © FMG | FMG

Während des Spiels bin ich voll dabei. Ich kenne mich aus mit Fußball, mit seinen Höhen und vor allem auch Tiefen, bin seit 25 Jahren Fan des HSV. Ich lege meinen Widerwillen ab, dass sie sich ausgerechnet Fußball ausgesucht hat. Und frage mich, was eigentlich mit mir los ist? Ich bin doch emanzipiert, gerade zu feministisch? Ist es der Breitensport – und dass ich mir für sie etwas Individuelleres erhofft hatte? Oder, dass Frauenfußball immer noch so ein schlechtes Image hat? Und Fußball eben doch Männersport ist?

Mädchen: Fußball-Trikot oder Ballett-Tütü?

Ich muss es mir am Spielfeldrand eingestehen, ich hänge fest in Klischees. Möchte meiner Tochter eine Geschlechterrolle überziehen – zumindest was den Sport betrifft. Aber würde ein Ballett-Tütü sie erfolgreicher und stärker machen? So wie ich es mir für ihr Leben wünsche? Sie würde besser ins Bild passen. In mein Bild.

Auf dem Feld tunnelt eine Gegenspielerin den Ball durch ihre Beine, die Folge ein gefährlicher Angriff der Gegnerinnen, der sogar mit einem Torschuss endet. Ich ärgere mich, das hätte mein Kind doch besser wissen können, müssen! Aber von wem? Ich habe nie mit ihr Fußball gespielt. Ihr Vater, der in seiner Freizeit selbst spielt, auch nicht. Hätte er mit dem Kind gekickt, wenn sie ein Junge gewesen wäre?

Beim Abpfiff fließen die Tränen

Das sie jetzt hier steht, hat sie nur sich selbst zu verdanken. Die Mannschaft, also die Mädchenschaft, in der sie spielt, hat sie mitgegründet. Noch nie gab es ein Mädchenteam in ihrem Verein, und der ist so stolz, dass ihr Teamfoto das aktuelle Titelcover der Vereinszeitung ziert. Sie und ihre Freundinnen haben sich aus einer Schul-AG heraus selbst auf diesen Weg gemacht. Und der ist gerade schwer.

Sie kassieren das 3:2. Das Mädchen im Tor steht dort zum ersten Mal, hält und hält. Aber manchmal eben auch nicht. Ein andere Mitspielerin ist ein Stürmerinnentalent. Sie schoss erst das 0:1, dann das 1:2 per Elfmeter. Doch dann kommt das Heim-Team zurück ins Spiel und gewinnt schließlich mit 4:2, mein Kind läuft als erstes auf die Torwärtin zu und umarmt sie, denn beim Abpfiff, bricht das Mädchen in Tränen aus.

Am Ende steht das Team meiner Tochter dem anderen gegenüber, alle umarmen sich, sie rufen ihren Schlachtruf, etwas leiser als sonst. Ich höre die Niederlage.

Und ich höre – mit meinen Ohren – ein echtes feministisches, emanzipiertes Manifest von elf Mädchen.

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