Berlin. Nach dem Anschlagsplan auf die Synagoge in Hagen fordert das Internationale Auschwitz Komitee eine Reaktion von muslimischen Gemeinden.

Laut den Ermittlern hätte der vereitelte Anschlag von Hagen am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur stattfinden sollen. Gerade so wie das Attentat auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019.

Der Rechtsextremist Stephan B. versuchte damals gewaltsam in die Synagoge zu gelangen, feuerte mehrere Schüsse auf die Tür ab, die standhielt. Dann lief er los, tötete eine 40-jährige Passantin sowie einen 20-jährigen Mann in einem Dönerlokal. Zwei weitere Menschen verletzte er schwer. Ab Juli 2020 stand er vor Gericht, er wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit Sicherungsverwahrung verurteilt.

Attacken auf jüdische Einrichtungen – Hagen ist kein Einzelfall

Im Jahr 2018 wurden in Chemnitz das jüdische Restaurant Schalom und sein Geschäftsführer angegriffen. Der Angriff ereignete sich in den Tagen nach dem gewaltsamen Tod eines 35-jährigen Deutschen am Rande des Stadtfestes, für den ein Syrer später zu neun Jahren Haft verurteilt wurde. Rechtsextreme aus ganz Deutschland waren in die Stadt gekommen und randalierten.

Anschlag 2019: Einschusslöcher in der Synagoge in Halle in Sachsen-Anhalt.
Anschlag 2019: Einschusslöcher in der Synagoge in Halle in Sachsen-Anhalt. © AP | Markus Schreiber

Der Antisemitismus in Deutschland hat viele Erscheinungsformen, er kommt von rechts, links, kann religiös motiviert sein oder fremdenfeindlich, der Hass auf Juden und Jüdinnen hat in fast jeder Bevölkerungsschicht Wurzeln. Der Täter von Halle gilt als rechtsextrem und der Verdächtige im Fall von Hagen kommt offenbar aus einem islamistischen Milieu.

Internationales Auschwitz Komitee fordert Reaktion der Muslime

Das Internationale Auschwitz Komitee fordert nun wegen des aktuellen Falls eine Reaktion der muslimischen Gemeinden. „Dieser Fall ist ein Zeichen dafür, dass Antisemitismus unter muslimischen Migranten weit verbreitet ist, der latent immer unter der Oberfläche brodelt – und immer ausbrechen kann“, sagte Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, unserer Redaktion.

Das sei kein Generalverdacht gegenüber allen Muslimen, aber eine Realität. „Jetzt wünscht man sich eine schnelle Reaktion der muslimischen Gemeinden, diesen Hass und diese Gewalt, die Gott sei Dank verhindert werden konnte, zurückzuweisen“, sagte Heubner am Donnerstag.

Judenhass findet seinen Ausdruck häufig bei Corona-Protesten

Die meisten antisemitischen Straftaten ereigneten sich im vergangenen Jahr auf Protestveranstaltungen gegen die Corona-Maßnahmen, wie im letzten Bericht des Bundesverbands der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) festgehalten wird. Demnach gab es auch 2020 eine deutliche Zunahme an judenfeindlichen Übergriffen in Deutschland.

Demonstrierende präsentierten Varianten eines gelben Stoffsterns mit Aufdrucken wie „ungeimpft“, die auf die sogenannten Judensterne aus der Zeit des Nationalsozialismus anspielen. Laut RIAS werden mit „dieser Selbstinszenierung als Opfer die Shoa und der Nationalsozialismus verharmlost“.

Die Polizei erfasste 2020 bundesweit mehr als 2350 antisemitische Vorfälle

Auch das Bundesinnenministerium verzeichnete 2020 einen Anstieg. Laut aktuellen Fallzahlen, die das Bundesinnenministerium in der „Übersicht: Hasskriminalität“ festgehalten hat, ereigneten sich im vergangenen Jahr insgesamt 2351 polizeilich erfasste Vorfälle mit antisemitischem Hintergrund. Bei 57 Fällen davon handelte es sich um Gewalttaten. 94 Prozent aller antisemitischen Straftaten stammen aus dem rechten Lager.

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