Berlin. Hohe Preise, steigende Inflation – Hartz IV muss deshalb erhöht werden, meint Diana Zinkler. Und auch das 9-Euro-Ticket muss bleiben.

Der Bundeskanzler bezeichnet das, was da gerade auf die Verbraucher zurollt, als „sozialen Sprengstoff“. Richtiger hätte man die Auswirkungen der Inflation nicht beschreiben können. Doch was wird die Antwort auf seine Erkenntnis sein?

Die sogenannte konzertierte Aktion – die am Montag beginnende Gesprächsrunde, die Olaf Scholz mit Arbeitgebern, Gewerkschaften, Wirtschaftsexperten und der Bundesbank ins Leben gerufen hat, um eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern?

Schon jetzt bezeichnen Kritiker die Runde als „Rohrkrepierer“. Vielleicht sollte man so weit im Vorfeld nicht gehen; aber darauf hoffen, dass die Gewerkschaften ihren Anspruch auf höhere Löhne erst einmal vergessen, sollte Olaf Scholz nicht.

Diana Zinkler, Textchefin der Zentralredaktion
Diana Zinkler, Textchefin der Zentralredaktion © Krauthoefer | Krauthoefer

Fahimi: Reichen werden mit jeder Krise immer reicher

Die laute Forderung von DGB-Chefin Yasmin Fahimi einen Tag vor dem Treffen zeugt jedenfalls nicht davon: Sie warnte, dass die Reichen mit jeder Krise immer reicher würden und dass es daher einen Energiekostendeckel für Privathaushalte und ein drittes Entlastungspaket brauche, das explizit die berücksichtige, die keine Arbeit haben wie Studenten, Arbeitslose und Rentner.

Das klingt nicht nach Kompromissbereitschaft bei den Gewerkschaften, vielmehr zeigen sie mit dem Finger auf den Staat. Lesen Sie auch: Lindner: Kein neues Entlastungspaket mehr in diesem Jahr

Inflation und steigende Kosten: Kirschen für 16 Euro das Kilogramm

Die steigenden Kosten für Lebensmittel lassen sich Tag für Tag beim Gang in den Supermarkt beobachten: Kirschen für 16 Euro das Kilogramm, Butter für 3 Euro pro 250 Gramm, die Liste ist endlos, und kaum ein Discounter verschont seine Käufer und Käuferinnen: Aldi kündigte gerade an, den Liter Bio-Milch, 1,5 Prozent Fett, künftig für 1,59 Euro anzubieten, der Preis steigt damit um 54 Cent.

Am Beispiel der Milch lässt sich leicht errechnen, dass die Kosten für Lebensmittel selbst in gut ausgestatteten Haushaltskassen einen weit höheren Posten als bisher ausmachen werden. Verbraucherzentralen sprechen von einem Mehr von 11 bis 13 Prozent, wobei einige Lebensmittel wie Speisefette um mehr als 30 Prozent teurer geworden sind, Fleisch um 16 Prozent.

Die finanzielle Lage zu – und zwar mit Ansage

Auch die Energiekosten, deren Preisentwicklungen zum jetzigen Zeitpunkt nicht wirklich abzusehen sind – mancher Experte warnt vor einer Verdreifachung der Kosten für Gas – werden am Ende des Jahres eine Belastung für die Verbraucher darstellen. Gerade für Geringverdiener, Studenten, Rentner und Hartz-IV-Empfänger spitzt sich die finanzielle Lage zu – und zwar mit Ansage.

Das Arbeitslosengeld II beträgt 449 Euro, 5 Euro etwa sollen davon pro Tag fürs Essen reichen. Auch die Rechnung kann schon jetzt nicht mehr aufgehen. Auch interessant: Rentner, Studierende: Wer beim Energiebonus zu kurz kommt

Die steigenden Kosten für Lebensmittel lassen sich Tag für Tag beim Gang in den Supermarkt beobachten. Verbraucherzentralen sprechen von einem Mehr von 11 bis 13 Prozent, wobei einige Lebensmittel wie Speisefette um mehr als 30 Prozent teurer geworden sind, Fleisch um 16 Prozent.
Die steigenden Kosten für Lebensmittel lassen sich Tag für Tag beim Gang in den Supermarkt beobachten. Verbraucherzentralen sprechen von einem Mehr von 11 bis 13 Prozent, wobei einige Lebensmittel wie Speisefette um mehr als 30 Prozent teurer geworden sind, Fleisch um 16 Prozent. © dpa | Hendrik Schmidt

Einmalzahlung löst keine strukturellen Probleme

Viele Ideen sind im Gespräch, wie die Bürger entlastet werden sollen. Sicherlich wäre eine Reform der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen schnell umzusetzen und gut zu vermitteln. Eine Einmalzahlung hingegen löst keine strukturellen Probleme.

Hartz-IV-Empfänger brauchen jetzt eine Erhöhung ihrer Bezüge. Genauso wie sie würden sich aber auch alle anderen gering oder gar nicht verdienenden Gruppen über eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets freuen. Warum nicht über den August hinaus? Es wäre im Übrigen gleichzeitig auch noch ein ökologischer Beitrag des Staates zum Klimaschutz. Mehr zum Thema: Indexmieten: Warum Mietern saftige Mieterhöhungen drohen

Auch könnte man den Mindestlohn sofort auf 12 Euro anheben und nicht erst wie geplant ab Oktober 2022. Das wäre ein Verhandlungsziel, eine „konzertierte Aktion“, die den Namen verdient. Bis dahin aber bleibt nur eine Maßnahme: Legen Sie, wenn es geht, Geld zurück, die Nebenkostenabrechnung kommt ganz sicher.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.