Jerusalem. Erstmals nach zwölf Jahren entsteht in Israel eine Regierung ohne Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Sie muss noch vereidigt werden.

  • Israel bekommt eine neue Regierung - ohne Benjamin Netanjahu
  • Acht Parteien schließen sich um Jair Lapid zu einer Koalition zusammen
  • Ministerpräsident soll der Ultrarechte Naftali Bennett werden
  • Die neue Regierung muss noch vereidigt werden

Israel bekommt einen Neuanfang: Gegner von Benjamin Netanjahu haben mit der Bildung einer Koalition das vorläufige Ende der Ära des Langzeit-Ministerpräsidenten eingeläutet. Der bisherige Oppositionsführer Jair Lapid schmiedet ein Bündnis von insgesamt acht Parteien. Teil von Lapids Koalition wird auch die ultrarechte Jamina-Partei von Naftali Bennett, der nach der Wahl am 23. März als Zünglein an der Waage galt.

Beide einigten sich beide auf eine Rotation im Amt des Regierungschefs. Ex-Verteidigungsminister Bennett soll laut der Vereinbarung als erster für zwei Jahre Ministerpräsident werden, Lapid soll ihn am 27. August 2023 ablösen. "Mit Gottes Hilfe werden wir gemeinsam tun, was gut für Israel ist, und wir werden Israel wieder auf den richtigen Weg bringen", sagte Bennett am Mittwoch.

Dies teilte der Jair Lapid nach Angaben seines Sprechers am Mittwochabend Präsident Reuven Rivlin mit. Mit Vereidigung einer solchen Regierung im Parlament wäre die Ära von Netanjahu als Ministerpräsident vorerst beendet.

Israel: Neue Koalition beendet die Ära Netanjahu

Es hatte noch zur letzten Minute heftige Meinungsverschiedenheiten unter den verschiedenen Koalitionspartnern gegeben. Die Verhandlungen dauerten bis kurz vor Ablauf einer Frist an. Als voraussichtlicher Vereidigungstermin galt der 14. Juni, Lapid teilte jedoch mit, er strebe den frühestmöglichen Termin an. Vor der Vereidigung muss eine einfache Mehrheit der 120 Abgeordneten für die neue Regierung stimmen.

Lapid will zunächst das Amt des Außenministers übernehmen. Seine Zukunftspartei ist in der politischen Mitte angesiedelt. Sie war bei der Wahl im März zweitstärkste Kraft nach dem rechtskonservativem Likud von Netanjahu geworden. Lapid war nach einer Karriere als Fernsehmoderator in die Politik eingestiegen. In einer früheren Netanjahu-Regierung diente er als Finanzminister.

Politische Umbruchsituation in Israel

Israel befindet sich in einer politischen Umbruchsituation. Erst kürzlich flammte der Konflikt mit der radikalislamischen Hamas wieder auf und forderte zahlreiche Tote und Verletzte. Eine Waffenruhe konnte die Eskalation vorerst stoppen.

Zuvor hatte das israelische Parlament einen neuen Staatspräsidenten gewählt - kurz vor einer erwarteten Ablösung des langjährigen rechtskonservativen Regierungschefs Netanjahu. Mit 87 zu 26 Stimmen gewann am Mittwoch der frühere Oppositionsführer Izchak Herzog gegen die 67 Jahre alte Lehrerin und Aktivistin Miriam Peretz.

Israel: Izchak Herzog will "Präsident aller Israelis" sein

Am 9. Juli übernimmt Herzog das Amt des bisherigen Präsidenten Reuven Rivlin. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gratulierte dem neuen Staatspräsidenten via Twitter zu der Wahl. Er wünschte ihm im Namen aller Israelis viel Erfolg.

Herzog hatte nach der Wahl angekündigt, "Präsident aller Israelis" zu sein und sich für eine Einheit in dem gespaltenen Land einzusetzen. "Jetzt ist die Zeit, Brücken zu bauen." Er werde weltweit gegen Antisemitismus und Israel-Hass kämpfen.

Präsident hat vor allem eine repräsentative Funktion

Herzog führte seit 2013 die Arbeitspartei, sein Vater Chaim Herzog war bereits Israels Staatspräsident. 2018 wurde er Vorsitzender der Hilfsorganisation Jewish Agency, die unter anderem für die Einwanderung nach Israel zuständig ist.

Der Präsident hat in Israel eine vor allem repräsentative Funktion. Zu den wichtigsten Aufgaben zählt die Begnadigung von Häftlingen und die Erteilung eines Auftrags zur Regierungsbildung. Er wird alle sieben Jahre in einer geheimen Abstimmung vom Parlament bestimmt.

(dpa/lhel)