Berlin. Der neue Vorsitzende der CDU heißt Armin Laschet. Mit einer überraschend starken Rede setzte sich der Ministerpräsident von NRW durch.

Von den 15 Minuten, die jeder Mensch einmal berühmt ist, hat der US-Künstler Andy Warhol einmal gesprochen. Am Samstagvormittag haben 15 Minuten über die politische Zukunft der CDU entschieden – und über drei politische Karrieren.

15 Minuten lang durften die drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz in der Messehalle Berlin zu den 1001 Delegierten sprechen, die digital zugeschaltet waren. Am Ende entschieden sich diese für den Bewährten. Im zweiten Wahlgang setzte sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet mit 521 Stimmen deutlich gegen Friedrich Merz durch, der nur 466 Stimmen erhielt. Abgestimmt hatten 991 der Delegierten, davon enthielten sich drei. Im ersten Wahlgang war bereits der Außenpolitiker Norbert Röttgen ausgeschieden.

Laschet siegt gegen Merz – auch wegen seiner Rede

Den Sieg dürfte Laschet nicht zuletzt einer unerwartet starken Rede zu verdanken haben. Er hatte dabei den Begriff des Vertrauens in den Mittelpunkt gestellt, erzählte ihn anhand der Geschichte seines Vaters, der als Steiger lange unter Tage arbeitete.

Dieser habe ihm immer gesagt: „Wenn du unter Tage bist, dann ist es egal, wo dein Kollege herkommt, welche Religion er hat, wie er aussieht. Entscheidend ist: Kannst du dich auf ihn verlassen?“ Bis heute trage sein Vater seine Erkennungsmarke als Bergmann am Schlüsselbund. Diese Marken wurden nach der Schicht über Tage an den Nagel gehängt, um zu signalisieren, dass jemand heil und gesund wieder zurück ist. Geschickt zeigte sich Laschet damit persönlich und beschwor zugleich den für die Union so wichtigen Gedanken von Geschlossenheit.

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Laschet probt Spagat zwischen Merkels Erbe und notwendiger Reform

Um Vertrauen gehe es auch in der Politik, sagte Laschet weiter. „Es wird einem nicht geschenkt, nicht vererbt. Dieses Vertrauen muss man sich erarbeiten“, sagte Laschet und sprach dabei an, dass sich beim Abgang von Angela Merkel auch für die CDU die Vertrauensfrage in der Bevölkerung neu stellen würde: „Es gibt viele Menschen, die vor allem Angela Merkel gut finden und erst danach die CDU.“

Dabei probte Laschet den Spagat zwischen der Bewahrung des Merkelschen Erbes und der notwendigen Reform der Partei: „Was wir brauchen, ist die Kontinuität des Erfolgs“, sagte er. Dies bedeutet aber auch, vieles anders und vieles neu zu machen. Gegen Merkels Erfolge könnten nicht einmal ihre Kritiker etwas einwenden.

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Laschet beim CDU-Parteitag: "Klartext reden, aber nicht polarisieren"

Immer wieder präsentierte sich Laschet als Mann der Mitte („Man muss das Handwerkszeug der Mitte beherrschen“/ „Wir werden nur gewinnen, wenn wir in der Mitte stark bleiben“) und der rhetorischen Mäßigung. Sein Satz „Wir müssen Klartext reden, aber nicht polarisieren“, war auch eine kleine Spitze gegen den Mitbewerber Friedrich Merz.

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Zum Schluss kehrte der 59-Jährige noch einmal zum Ausgangsnarrativ zurück. Sein Vater habe ihm für den heutigen Tag seine Bergmannsmarke mit den Worten mitgegeben: „Sag' den Leuten: Sie können dir vertrauen.“ Er sei vielleicht „nicht der Mann der perfekten Inszenierung“, sagte Laschet auch in Anspielung auf seinen schwachen Auftritt der vergangenen Wochen: „Aber ich bin Armin Laschet.“ Es ist das Prinzip, mit dem Laschet auch schon – wider alle Erwartungen – 2017 die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen gegen die favorisierte Amtsinhaberin Hannelore Kraft gewonnen hatte.

CDU-Parteitag: Röttgen mit dem größten Charisma

Das größte Charisma vor der Kamera entwickelte Norbert Röttgen. Er hatte eine ganz andere Strategie als Laschet gewählt, fokussierte seine Rede auf den Begriff der „Zukunftskompetenz“. Wie bereits zuvor im Wahlkampf versprach er, die CDU jünger, weiblicher und digitaler machen und Bildung in den Mittelpunkt stellen zu wollen.

Als Einziger der drei Bewerber nahm er auch Ostdeutschland stärker in den Blick: „Wir werden die historische Leistung der Menschen in der DDR nicht vergessen.“ 224 Delegierte stimmten im ersten Wahlgang für ihn. Das reichte zwar nur für den dritten Platz, zeigt aber, welche Anerkennung sich der als Außenseiter gestartete Röttgen mit seinem Wahlkampf in der Partei erarbeitet hat. Er dürfte sich damit für einen Ministerposten in einem künftigen Kabinett positioniert haben.

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Merz blieb deutlich unter seinen rhetorischen Möglichkeiten

Am schwersten tat sich Friedrich Merz mit der Kamera. Immer wieder schweifte sein Blick in den Saal ab oder blieb am Redemanuskript hängen. Wie bereits 2018 blieb Merz deutlich unter seinen rhetorischen Möglichkeiten, hielt eher eine Rede an die Wähler als an die Delegierten.

Dafür machte er klarer als die anderen deutlich, dass er Führungsstärke für die wichtigste Kompetenz hält, sowohl für die Partei als auch für das Land: „Wir setzen die Standards. Und ab heute müssen sich alle anderen Parteien in Deutschland an diesen Standards messen lassen.“ Schärfer als die anderen beiden Bewerber grenzte er sich nach rechts ab: „Mit mir wird es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Alle Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, eine Stimme für die AfD ist eine halbe Stimme für Rot-Rot-Grün.“

Merz scheitert bei CDU-Parteitag: Politisches Aus?

Für Merz ist die Niederlage besonders bitter: Sein zweites Scheitern beim Versuch, CDU-Vorsitzender zu werden, dürfte das Aus für seine politischen Ambitionen bedeuten. Fakt ist aber auch: Merz verkörpert wie kein anderer die Sehnsucht vieler in der Partei nach einem schärferen konservativen Profil. Laschet wird darauf eine überzeugende Antwort finden müssen, wenn er nicht will, dass die enttäuschten Merz-Wähler ihre Hoffnungen nunmehr auf CSU-Chef Markus Söder projizieren.

Der unterlegene Friedrich Merz (r.) gratuliert Armin Laschet corona-konform zur Wahl als CDU-Parteivorsitzender.
Der unterlegene Friedrich Merz (r.) gratuliert Armin Laschet corona-konform zur Wahl als CDU-Parteivorsitzender. © Michael Kappeler/dpa | Michael Kappeler/dpa

Für Befremden sorgte, dass in der Fragerunde an die Kandidaten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zugeschaltet wurde, der im Team mit Laschet angetreten war. Folglich warb er noch einmal für den NRW-Ministerpräsidenten als Parteichef, ohne eine Frage zu stellen.

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Welche Tücken ein digitaler Parteitag haben kann, zeigte sich am Beispiel eines anderen Delegierten. Dieser scheiterte zweimal beim Versuch, per Schalte seine Frage zu stellen.

Neuer CDU-Chef: Ergebnis des digitalen Parteitags wird per Briefwahl bestätigt

Drei große Herausforderungen warten auf den neuen CDU-Chef. Armin Laschet muss die Lager seiner Konkurrenten einbinden. Seiner Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer ist das trotz aller Bemühungen nie gelungen. Er muss das Erbe von Angela Merkel bewahren und sich genügend Freiraum für einen eigenen Weg schaffen.

Und er muss die Wähler davon überzeugen, dass er auch der Richtige fürs Land ist. In nahezu allen Umfragen hatte Laschet sowohl bei den Unions-Anhängern als auch bei den Deutschen insgesamt von allen drei Kandidaten am schlechtesten abgeschnitten. Wie gut das gelingt, wird sich auch bei den bevorstehenden Landtagswahlen zeigen.

Formal muss Armin Laschet sich noch ein wenig gedulden, bevor er sich offiziell Parteichef nennen darf. Denn das Ergebnis des digitalen Parteitags ist erst dann rechtssicher, wenn es durch die anschließende Briefwahl bestätigt wurde. Deren Resultat wird am 22. Januar bekannt gegeben. Theoretisch könnte noch ein Überraschungsbewerber das Feld von hinten aufrollen. Praktisch kann man das bei der CDU ausschließen: Sie war noch nie eine Partei des anarchischen Revoluzzertums.

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