Berlin. Keine Exit-Strategie, kein Corona-Kalender: Angela Merkel wartet in der Krise ab. Sie geht den Weg einer Europäerin – und einen klugen.

Angela Merkel ist zurück, politisch seit Langem ohnehin wieder im Spiel. Kanzlerinnendämmerung – keine Spur. In der Corona-Krise schart sich das Volk um ihre Regierung. Ein paar Prozentpunkte fallen in den Umfragen selbst für die SPD ab.

Es scheint keinen zu stören – Merkel am allerwenigsten –, dass die Kanzlerin als Krisenmanagerin von zwei Hyperaktiven getrieben wird: in der EU vom Österreicher Sebastian Kurz, daheim von Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU). Bevor die Kanzlerin mit den 16 Ministerpräsidenten bundesweit Kontaktauflagen verabredet hat, war Söder schon da und verhängte Ausgangssperren.

Während Merkel über eine Exit-Strategie aus der Corona-Eindämmung grübelt, verkündete der Wiener Regierungschef Kurz am Montag bereits einen ersten Schritt – die Öffnung von kleinen Geschäften – und verknüpfte ihn mit einem Datum, dem 14. April. In der Alpenrepublik haben sie mehr Planungssicherheit. Vor allem zeigt Kurz seinen Bürgern Licht am Ende des Tunnels.

Merkel bleibt sich in der Corona-Krise treu

Er ist nicht der Einzige in Europa, der auf die erste Maihälfte schaut. Sie ist auch in anderen Ländern eine Zielmarke, um die Läden wieder zu öffnen und die Kinder zurück in die Schule zu schicken. Die Österreicher haben es gut. Sie können sich jetzt einen Abrisskalender basteln. Allein, es kommt nicht darauf an, als Erster Hoffnungen zu wecken. Das Versprechen – Rückkehr zur Normalität – muss haltbar sein. Die Freude könnte in Frust umschlagen, falls die Zahl der Neuansteckungen steigen sollte und Regierungen sich genötigt sehen, Lockerungen zurückzunehmen.

Politik-Korrespondent Miguel Sanches kommentiert die Politik der Kanzlerin in der Corona-Krise.
Politik-Korrespondent Miguel Sanches kommentiert die Politik der Kanzlerin in der Corona-Krise. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Merkels Exit-Pläne stehen unter diesem Vorbehalt, sie bis zum Ende durchhalten zu können. Und so erkennt man die Kanzlerin nach dem Ende ihrer Quarantäne gut wieder, ganz die alte: vorsichtig, abwartend und ohne Lust, sich wirklich zu erklären. Lasst mich mal machen. So ist Merkel.

Versuch und Irrtum ist was für Tüftler, eine Ideallinie in guter Regierungsführung ist es nicht, vor allem nicht in einem so großen Wirtschaftsraum. Der österreichische Weg kann nur unter Bedingungen einer Abschottung funktionieren. Andernfalls wird es immer wieder neue Wellen von Ansteckungen geben – durch Reisende. Die Alpenrepublik ist zu nah an einigen akuten Krisenregionen, Italien, Schweiz, Frankreich. Was für Österreich gilt, trifft erst recht auf die Bundesrepublik zu, die in Europa das Land der Mitte ist.

Merkel muss sich in der Corona-Krise mit zahlreichen Partnern abstimmen

Die Aufgabe, vor der Merkel steht, ist ungleich anspruchsvoller. Sie muss sich mit allen abstimmen, mit Österreichern, Schweizern, Franzosen, Luxemburgern, Belgiern, Holländern, Dänen, Polen und Tschechen. Das gilt für die Grenzöffnungen, für den Reiseverkehr, überhaupt das Wirtschaftsleben, weil in der Globalisierung jeder von jedem (Zulieferer) abhängt. In gewisser Weise gibt der Langsamste das Tempo vor.

Zögerlich war Merkel in ihrer Grenzpolitik, die ein einziger Widerspruch ist. Es gibt keinen rationalen Grund, Reisende an der Grenze nach Luxemburg zurückzuweisen, nicht aber an den Übergängen nach Belgien und Holland, und das obwohl die Niederlande zum Krisengebiet geworden sind. Es ist auch unfassbar, dass erst jetzt Reisende, die an den Flughäfen ankommen, zu einer 14-tägigen Quarantäne verdonnert werden.

Am Montag hat sich nicht nur eine Kanzlerin von der Quarantäne zurückgemeldet, sondern auch eine Europäerin. Vom Süden Europas aus betrachtet – von Italien oder Spanien aus – sitzen wir zwar alle im selben Boot, aber nicht jeder hat auch eine Rettungsweste. Im Süden fühlen sie sich in der Corona-Krise im Stich gelassen. Es ist klug, dass Merkel gesagt hat, dass es Deutschland nur besser gehen kann, wenn es allen in Europa besser geht. Vor allem ist es wahr.

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