Berlin. Corona hat den Wettstreit um den CDU-Parteivorsitz und das Kanzleramt verändert. Wer im Rennen derzeit führt – und wer zurückliegt.

Es war die Woche der omnipräsenten Kanzlerin. Am Mittwoch rüttelte sie im Bundestag mit einer eindringlichen Rede zur Corona-Lage das Land auf. Am Donnerstag holte sie Polen und Ungarn im festgefahrenen Streit um den EU-Haushalt wieder an Bord. In den Umfragen steht die Union mit dem Merkel-Bonus wieder hoch im Kurs. Umso banger fragen sich inzwischen viele Deutsche: Was kommt nach Angela Merkel? Oder vielmehr: wer?

Im Kampf um die Nachfolge an der Parteispitze wird in der kommenden Woche eine wichtige Entscheidung getroffen. Am Montagvormittag entscheidet der CDU-Bundesvorstand, wann und wie der verschobene Parteitag stattfindet. Geplant ist bisher der 16. Januar.

CDU-Parteichef: Die Kandidaten und das Corona-Prozedere

Sicher ist schon jetzt: Einen Präsenzparteitag wird es nicht geben. Doch für die Wahl des neuen Parteichefs bietet eine Digitalabstimmung nicht genügend Rechtssicherheit. Deshalb läuft es auf ein Mischmodell hinaus: Erst sollen die 1001 Delegierten online abstimmen, dann das Ergebnis noch einmal schriftlich bestätigen. Lesen Sie hier:Einigung auf CDU-Parteitag im Januar – wer profitiert davon?

Am Montag um 19 Uhr treten dann die drei Kandidaten – Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen – in der Berliner Parteizentrale gemeinsam vor die Kamera, um sich im digitalen Live-Format den Fragen der Mitglieder zu stellen. Außerdem gibt es noch Einzelgespräche. Den Auftakt hat Röttgen bereits am Freitagabend gemacht. Laschet folgt am Donnerstag, Merz am Freitag danach.

Norbert Röttgen mit Außenpolitik auf der Überholspur

Den bemerkenswertesten Wandel hat Röttgen hinter sich. Der 55-Jährige startete als völliger Außenseiter ins Kandidatenrennen. Inzwischen liegt er laut Umfrage auf Platz zwei hinter Merz und deutlich vor Laschet. Röttgen hat vieles richtig gemacht: Anders als Merz gelang es ihm, sich trotz Corona-Krise mit außenpolitischen Themen zu profilieren.

Personell hat er sich – mit der rheinland-pfälzischen Landtagsabgeordneten Ellen Demuth als Chefstrategin – ein kleines, aber feines Team zusammengestellt (die „Röttgang“). Auch zur einflussreichen Frauen-Union hat Röttgen gute Verbindungen. Allerdings haben ihm viele nicht vergessen, dass er 2012 im NRW-Landtagswahlkampf das schlechteste Ergebnis aller Zeiten einfuhr.

Auch deshalb glauben die meisten in der CDU nicht an einen Sieg Röttgens, aber an eine Zukunft als Minister in einem schwarz-grünen Kabinett.

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Friedrich Merz polarisiert – und löst Angst vor Gang in die Opposition aus

Der einstige Unionsfraktionschef Friedrich Merz ist in allen Umfragen zum Parteivorsitz auf Platz eins. Mit seinem klaren wirtschaftsliberalen Profil polarisiert er wie kein anderer Kandidat. Für die Konservativen verkörpert er die Hoffnung, er werde die CDU wieder stärker nach rechts rücken und an die AfD verlorene Wähler zurückzuholen.

Für seine Gegner steht er für eine Politik der Vergangenheit. Aus ihrem Lager stammt das Szenario, ein Kanzlerkandidat Merz könnte dazu führen, dass die FDP es nicht mehr in den Bundestag schafft – sodass am Ende Grün-Rot-Rot gewinnt.

Hintergrund: Friedrich Merz und das Establishment: Einer gegen alle

Stolpernder Armin Laschet bald „Merkel 2“

Am schlechtesten steht derzeit Armin Laschet dar. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident kämpft nicht nur mit der Corona-Lage in seinem Bundesland, sondern hat sich auch mehrere Patzer geleistet. Zuletzt geriet er mit der Vermittlung eines Millionenauftrags an einen Schutzmasken-Hersteller in die Schlagzeilen.

Merz-Fans in der Partei fürchten, mit Laschet könne eine Art „Merkel 2“ an die Spitze kommen. Doch sollte man ihn nicht unterschätzen. Bis kurz vor der letzten Landtagswahl rechnete ihm kaum jemand ernsthafte Chancen aus. Heute ist er Ministerpräsident.

Der Zauderer Armin Laschet als Kanzler – das sagt Markus Söder

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    Jens Spahn und Ralph Brinkhaus – zwei Männer mit Ambitionen

    In der Reserve hält sich Gesundheitsminister Jens Spahn, der seinen nach oben hin offenen Ehrgeiz nicht verbirgt. Hätte er gewusst, dass mit der Pandemie auch seine große Stunde schlagen würde – er hätte sich wohl nicht auf eine Team­lösung mit Armin Laschet eingelassen, sondern wäre selbst (erneut) ins Rennen um den Parteivorsitz gegangen. Sollte Laschet gewinnen, gilt Spahn als Chef der Bundestagsfraktion als gesetzt.

    Kommentar: Das CDU-Trauerspiel: Die Partei braucht eine starke Führung

    Das dürfte einer der Gründe sein, warum der momentane Fraktionschef Ralph Brinkhaus sich in den vergangenen Wochen verstärkt ins Gespräch brachte, sei es mit einer herausragenden Bundestagsrede, sei es mit der Forderung, die Länder müssten sich stärker an den Corona-Hilfen beteiligen. Kaum einer glaubt, dass Brinkhaus sich noch selbst per Kampfkandidatur einschaltet, wohl aber, dass er sich für künftige höhere Ämter empfehlen möchte – als Minister etwa.

    Markus Söder oder die Erinnerungen an Edmund Stoiber

    Und dann ist da noch Markus Söder. Der Bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef hat mit allerlei Anspielungen dafür gesorgt, bei allen Merkel-Nachfolge-Diskussionen als Elefant im Raum dabei zu sein. Langjährige Beobachter bezweifeln, dass er in eine Konfrontation mit dem neuen CDU-Chef ums Kanzleramt gehen würde. Sollte dieser aber schwächeln, würde sich Söder nicht lange bitten lassen.

    Lesen Sie dazu: Umfrage: Spahn als CDU-Chef, Söder als Kanzlerkandidat

    Möglich also, dass das legendäre Frühstück von Wolfratshausen, bei dem Angela Merkel 2002 Edmund Stoiber die Kanzlerkandidatur überließ, im kommenden Jahr in Nürnberg eine Neuauflage erlebt.