Ankara/Berlin. Schweden beantragt den Nato-Beitritt, Finnland folgt bald. Jetzt soll alles ganz schnell gehen – aber die Türkei stellt Bedingungen.

Es soll schnell gehen mit dem Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens. Die Regierung in Stockholm erklärte am Montag, die Mitgliedschaft zu beantragen, Helsinki dürfte bald folgen. Trotzdem muss sich die Allianz auf ein langes Gefeilsche einstellen. Beobachter glauben, dass sich der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan seine Zustimmung teuer bezahlen lassen will. Damit Finnland und Schweden zum Militärbündnis beitreten können, muss es Konsens geben.

Die Türkei spricht von beiden Ländern als „Gästehäusern für Terrororganisationen“. Damit meint Erdogan die kurdische PKK, aber nicht nur sie. Insbesondere Schweden galt wegen seiner offenen Asylpolitik lange als Zufluchtsort für kurdische Oppositionspolitiker und Regierungskritiker.

Die Regierung in Ankara wirft den Skandinaviern vor, gegen Mitglieder der PKK nicht hart genug vorzugehen. Auch einige regierungskritische prominente türkische Exiljournalisten haben in Skandinavien ihre Zelte aufgeschlagen und betreiben Internetportale. Ihnen würde Erdogan gern einen Maulkorb verpassen.

Türkei steht beim Nato-Beitritt der Skandinavier auf der Bremse

Dass die Regierungen in Helsinki und Stockholm auf die türkischen Forderungen eingehen werden, ist nach Einschätzung von Nato-Experten nicht zu erwarten. In beiden Ländern gibt es traditionell eine große Sensibilität für Demokratiedefizite und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei.

Ein Gespräch zwischen der schwedischen Außenministerin Ann Linde und ihrem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu beim Nato-Außenministertreffen am Wochenende in Berlin brachte keine Annäherung, man wolle aber im Gespräch bleiben, hieß es. Linde erklärte später vor Journalisten, dass Schweden die PKK als Terrororganisation eingestuft, man mit anderen kurdischen Gruppen aber im Gespräch bleiben wolle – so wie andere Nato-Länder auch.

Nicht nur in Schweden ist die PKK verboten, auch in Finnland, den USA und in der gesamten EU. Doch ihr syrischer Ableger, die YPG-Miliz, hat als Verbündeter der USA gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ in Syrien gekämpft, Waffen und andere Unterstützung aus Amerika erhalten – was die Türkei sehr verärgerte.

Waffen an die Türkei? Da gibt es Widerstand im US-Kongress

So sind auch die USA ein Adressat der türkischen Veto-Drohung. Am Mittwoch wird der türkische Außenminister Cavusoglu in Washington erwartet. Bei seinen Gesprächen geht es unter anderem um den Wunsch der Türkei nach Waffenlieferungen. Nachdem Erdogan in Russland Luftabwehrraketen bestellte, stoppten die USA die Auslieferung von 100 fest bestellten und bereits angezahlten Tarnkappenjets des Typs F-35 an die Türkei. Jetzt bemüht sich Ankara ersatzweise um 40 neue F-16-Jets und die Modernisierung von 80 älteren Flugzeugen dieses Typs.

Aber auch dagegen gibt es Widerstände im Kongress. Der demokratische Abgeordnete Frank Pallone erklärte vergangene Woche, die USA dürften „angesichts der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen des Erdogan-Regimes die Türkei nicht mit neuen Waffen belohnen“. US-Diplomaten vermuten, dass die Türkei jetzt die Nato-Erweiterung als Hebel einsetzen wird, um den Widerstand im Kongress zu brechen.

Die Türkei war von Anfang an ein schwieriger Partner. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Erdogan in der Nato querlegt. Sechs Jahre lang verhinderte die Türkei mit ihrem Veto die Teilnahme Österreichs an Nato-Übungen und Auslandseinsätzen. Das war die Antwort Erdogans auf die Forderung Wiens nach einem Abbruch der türkischen EU-Beitrittsverhandlungen. „Wer blockiert, der wird blockiert, so einfach ist das“, sagte Erdogan damals.

Erdogan strapaziert die Geduld der Bündnispartner

Mit der Beschaffung russischer Raketen, völkerrechtlich fragwürdigen Militäroffensiven in Nordsyrien und einem zunehmend aggressiven Auftreten gegenüber dem Nachbarn Griechenland im östlichen Mittelmeer strapazierte Erdogan die Geduld seiner Bündnispartner. Erst vor Kurzem bezeichnete er die Aufnahme Griechenlands in die Nato 1952 als einen „Fehler“, der sich nicht wiederholen dürfe.

Erdogan wird den Beitritt Finnlands und Schwedens letztlich nicht verhindern können. Aber er kann ihn verzögern.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.