Berlin. Barack Obama hat 1000 Seiten über Familie, politische Gegner und Rassismus geschrieben. Wie schaut der Ex-Präsidenten auf sein Land?

Und die Hautfarbe ist nicht egal: Das möchte Barack Obama am 25. Januar 2008 seinen Fans am Tag der Vorwahl zu den Präsidentschaftswahlen auf ihren Schlachtruf erwidern. „Ich brachte es nicht übers Herz, diese wohlmeinenden Rufe („die Hautfarbe ist egal“) zu korrigieren, schreibt Obama nun in seinem autobiografischen Werk „Ein verheißenes Land“.

Es ist ein großer Titel für ein Werk über ein Präsidentenleben – vor allem, wenn es in einem Land spielt, das so polarisiert wie die Vereinigten Staaten von Amerika . Denn Einigkeit, wohl die Grundvoraussetzung für ein „verheißenes Land“, liegt in weiter Ferne.

Das weiß auch Obama – und wählte doch den Titel bewusst mit dem Wunsch, dass es in Zukunft keine vollkommene, aber eine vollkommenere Einheit gibt, wie er in einem Fernsehinterview sagte.

Obamas Buch und die Vermarktungsmaschinerie dahinter

Interviews gibt der frühere Präsident derzeit viele. Und er geht in Talkshows; diesen Donnerstag etwa ist er bei Markus Lanz zu Gast. Es ist sozusagen die globale Lesereise. Tatsächlich ist es eine bemerkenswerte Maschinerie, die hinter der Vermarktung des Buches steckt, das seit Erscheinen am 17. November gleich in 25 Sprachen übersetzt im Buchhandel zu haben ist. Mehr zum Thema: Barack Obama bei Lanz: Harte Worte für Donald Trump

Keine Frage: Das fast 1000 Seiten lange Werk wird seine Leserinnen und Leser finden. Und es legt wieder einmal die wohl größte Wunde der USA offen: der strukturelle Rassismus in der Gesellschaft. Er ist der rote Faden in Obamas Leben, sein Antrieb, sein Idealismus, seine Visionen fußen auf den Erfahrungen, die er selbst machte.

Das größte Minenfeld: Schwarze und Polizei

Gleich zu Beginn der Präsidentschaft lernt Obama das gefährliche Minenfeld kennen, das sich hinter dem Thema „Schwarze und Polizei“ verbirgt.

Obama muss sich nach einem Shitstorm öffentlich entschuldigen, weil er das Wort „dumm“ in den Mund nimmt im Zusammenhang mit einer überflüssigen polizeilichen Überprüfung eines angesehenen schwarzen Professors, der – weil das Schloss klemmte – nicht in seine Wohnung kam und von einem Passanten des Einbruchs bezichtigt worden war.

Obamas Anhänger sind frustriert über die Entschuldigung, die der Shitstorm erzwang, entmutigt. „Aber sie verstehen es“, tröstet eine Mitarbeiterin den Präsidenten. Bei allem, was du um die Ohren hast, sehen sie es halt nicht gern, dass man dich in diese Lage bringt.“ Obama erwiderte: „Welche Lage? Schwarz zu sein oder Präsident zu sein“?

Wie Barack Obama Rassismus erlebte

Rassismus zog durch Obamas Jugend: „Wie ich mehrmals nach meinem Studentenausweis gefragt worden war, wenn ich zur Bibliothek auf dem Campus der Columbia University ging, was meinen weißen Kommilitonen nie zu passieren schien. Die grundlosen Verkehrskontrollen, wenn ich gewisse „gute“ Gegenden in Chicago besucht hatte. Wie mir bei den Weihnachtseinkäufen Sicherheitspersonal des Kaufhauses gefolgt war. Das Klicken von Türverriegelungen, wenn ich am helllichten Tag in Anzug und Krawatte an Autos vorbeigegangen war.“

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Barack Obama hat seine Memoiren geschrieben.
Barack Obama hat seine Memoiren geschrieben. © Getty Images | Jamie McCarthy

Die Angst vor dem Schwarzen Mann im Weißen Haus

Seinen politischen Kontrahenten wirft er vor, im Präsidentschaftswahlkampf 2008 ein bewusst negatives Porträt von ihm und seiner Familie entworfen zu haben, ein Porträt, „das sich aus Stereotypen zusammensetzte, von Angst befeuert war, ein Schwarzer könnte die wichtigsten Entscheidungen des Landes treffen und mit seiner Schwarzen Familie im Weißen Haus sitzen.

Der Rassismus als Antrieb, dazu das stete Bestreben, Einfluss zu haben auf die Gesellschaft: Obama will in die Politik, will immer weiter, erst bis in den Senat, dann ins Präsidentenamt. Rücksichtslos gegenüber seiner Familie zieht er die Karriere durch, so viel wird klar, auch wenn er mit viel Pathos sein Familienleben beschreibt.

„Ich las Malia vor, während sie auf meinem Schoß lag und aus großen Augen fragend zu mir hochblickte, oder döste mit ihr auf meiner Brust ein, nachdem sie ein Bäuerchen gemacht und ich ihr die Windel gewechselt hatte“.

Und seine Frau Michelle hebt er – sozusagen als zweiter roter Faden – auf einem Podest durch das Buch: Er, der Träumer, der Harvard-Student, verliebt sich in die „toughe, große, schöne“ Anwältin. Michelle wird sein „Anker, seine Heimat“ – doch auch sie schafft es nicht, ihn zurückzuhalten. „Wir stritten immer häufiger, meistens nachts, wenn wir beide völlig erledigt waren. `so hatten wir es nicht abgemacht`, sagte sie irgendwann zu mir.“

Die heile Familie

Im Weißen Haus angekommen, ist der Familienstress scheinbar überwunden: Leserinnen erfahren von gemeinsamen Spaziergängen im Garten, einem großen Zusammenhalt mit den Bediensteten, den täglichen festen Essenszeiten und zwei wunderbaren Töchtern, die glücklich und unbeschwert ihr Schülerinnenleben leben – der ständigen schwerbewaffneten Begleitung, den vielen Sicherheitsauflagen, der öffentlichen Aufmerksamkeit zum Trotz.

Hund Bo und die allseits geliebte Schwiegermutter vervollständigen das Bild von der heilen Familie.

Die blauen Augen von Angela Merkel

Was sonst noch auf den 1000 Seiten passiert: Obama lernt beim G20-Gipfel in London Angela Merkel kennen. „Ihre Augen waren groß und strahlend blau, und sie konnten abwechselnd den Ausdruck von Frustration, Belustigung und Andeutungen von Besorgnis annehmen. Andererseits spiegelte ihre stoische Art ihr nüchtern-analytisches Bewusstsein wider.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige US-Präsident Barack Obama im Rahmen der G7-Konferenz 2015 auf einer Wiese bei Schloss Elmau
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige US-Präsident Barack Obama im Rahmen der G7-Konferenz 2015 auf einer Wiese bei Schloss Elmau © dpa | Michael Kappeler

Er nimmt seine Familie mit in den Kreml. Er versucht, beim Klimagipfel in Stockholm die Blockade der Chinesen zu brechen. Die Wall Street bricht zusammen. Er trifft die Entscheidung, Osama bin Laden töten zu lassen.

Sarah Palin, die ärgste Feindin

So heil sein Familienleben zu sein scheint: Die politische Realität setzt im arg zu. Sarah Palin, die Vizepräsidentin unter einem Präsident John McCain werden wollte, ist mit ihrer Tea Party sozusagen die Vorhut der späteren Trump-Präsidentschaft.

Der Stress, den sie bereitet mit der Blockade von Obamacare -- der Krankenversicherung, die Obamas größtes innenpolitisches Ziel ist – muss der Präsident schon mal mit heimliches Zigaretten und schnellen Martinis abbauen.

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Und wieder ist es vor allem Rassismus, der Obama entgegenschlägt: „Bei Veranstaltungen wurden Journalisten Zeuge, wie mich Teilnehmer mit verschiedenen Tieren verglichen. Auf Schildern wurde ich als afrikanischer Hexendoktor mit Knochen in der Nase dargestellt. Wilde Verschwörungstheorien machten die Runde.

Und dann kam Trump

Dann tauchte Trump auf und mit ihm eine alte weitere Verschwörungstheorie , wonach Obama gar nicht in den USA (Hawaii), sondern in Afrika zur Welt gekommen sei – und daher gar kein rechtmäßiger Präsident sein könne.

Plötzlich, schreibt Obama, nahmen die Medien Trumps Bekenntnis zu diesem sogenannten Birtherism ernst – „die Trennlinie zwischen Information und Unterhaltung war überschritten. … Trump versprach Millionen Amerikanern, die wegen eines Schwarzen Mannes im Weißen Haus verschreckt waren, ein Elixier zur Behandlung ihrer ethnischen Ängste.“ Mehr zum Thema: Obama kritisiert Trump: Klare Worte zur Corona-Politik

Was Michelle dazu sagt, am Ende der Präsidentschaft : „Es ist verrückt, nicht wahr?“ – Was ist verrückt?“, fragte ich. „Dass sie Angst vor dir haben. Dass sie Angst vor uns haben.“