Berlin. . Bei seiner Befragung im Bundestag verteidigte Scholz die Impfpflicht. Gleich am Anfang seiner Stellungnahme wurde er unterbrochen.

Die erste Befragung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag beginnt mit Verspätung. Erst gedenken die Abgeordneten in einer Schweigeminute still dem verstorbenen EU-Parlamentspräsidenten David Sassoli. Dann wird es laut. Anlass sind die strengeren Corona-Regeln für Abgeordnete: Ab sofort gilt im Plenarsaal eine verschärfte Maskenpflicht und ein 2GPlus-Gebot. Zulässig sind nur noch FFP2-Masken, zudem brauchen die Abgeordneten eine doppelte Impfung plus Test oder eine dreifache Impfung, um das Plenum zu betreten.

Erfüllen Parlamentarier dies nicht, müssen sie die Sitzung von der Besuchertribüne verfolgen – vorausgesetzt sie können einen negativen Test vorlegen. Rederecht haben die Parlamentarier aber dennoch, wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) betont. Für die AfD ist die Neuregelung jedoch ein Anlass zur Empörung, eine ganze Reihe ihrer Parlamentarier muss die Sitzung von der Tribüne verfolgen. Die „völlig überzogene“ Regelung greife tief ins freie Mandat der Abgeordneten ein, kritisiert Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann in einer kurzfristig angesetzten Geschäftsordnungsdebatte. „Das kann nicht sein, das darf nicht sein, das kann nicht so bleiben.“

Scholz wird am Anfang seiner Stellungnahme von AfD unterbrochen

Mit den Stimmen der anderen Fraktionen wird die Neuregelung jedoch angenommen. Als sich Scholz schließlich mit 21 Minuten Verspätung von seinem Platz auf der Regierungsbank im Bundestag erhebt, um seine einführende Stellungnahme abzugeben, kommt er nicht weit. Die Abgeordneten der AfD im Plenum und auf der Tribüne halten Plakate mit der Aufschrift „Freiheit statt Spaltung“ hoch. Solche politischen Aktionen sind im Bundestag verboten. Bas unterbricht den Kanzler und fordert die AfD auf, ihren Protest „ziemlich zügig“ zu beenden. „Sonst werden sie des Saales verwiesen“, mahnt die Parlamentspräsidentin. „So sind die Regeln.“

Danach setzt Scholz erneut an. Und spricht über Corona. Der Kanzler rechtfertigt die kürzlich verschärften Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Schließlich rollt das Virus in diesen Tagen aufgrund der besonders ansteckenden Omikron-Variante so stark über das Land, wie noch nie zuvor. Am Morgen hatte das Robert Koch-Institut (RKI) das 80.430 Neuinfektionen in Deutschland gemeldet. Ein neuer Rekord. Der Kanzler nimmt die Entwicklung zum Anlass, für die allgemeine Impfpflicht zu werbe. „Ich jedenfalls halte sie für notwendig und werde mich aktiv dafür einsetzen“, sagt Scholz.

CDU attackiert Scholz beim Thema Impfpflicht

Die Union hatte dem Sozialdemokraten in den vergangenen Tagen Führungsschwäche in der Frage vorgeworfen. Die Abgeordneten von CDU und CSU haben sich vorgenommen, Scholz an diesem Tag beim Thema Impfpflicht weiter zu attackieren. Als erster Redner nach dem Kanzler ergreift Thorsten Frei von der CDU das Wort. „Wenn der Bundeskanzler in der größten Krise unserer Zeit sagt, das ist der Weg aus der Krise, dann muss der Bundeskanzler und seine Regierung doch einen Vorschlag dafür unterbreiten, wie man das ethisch richtig und verfassungsrechtlich korrekt machen kann“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion.

Bundeskanzler Olaf Scholz während der Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude.
Bundeskanzler Olaf Scholz während der Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude. © imago images/Future Image | imago images/Future Image

Wenn Scholz dazu aber nicht die Kraft habe, müsse der Kanzler aber wenigstens die von der Unionsfraktion gestellten Fragen zur Impfpflicht beantworten, damit diese sich angemessen der Diskussion widmen könne. Dies sei aber nicht geschehen. „Was muss in unserem Land passieren, dass Sie bereit sind, in einer so entscheidenden Frage die Fragen des Parlaments und der Opposition zu beantworten?“, fragt Frei den Kanzler.

Scholz reagiert gelassen auf den Angriff des früheren Koalitionspartners, der sich in seiner Rolle des Oppositionsführers erst noch finden muss, wie der Schlingerkurs der Union in der Impfpflichtdebatte in den vergangenen Tagen gezeigt hat. Es sei richtig, die heikle Frage der Impfpflicht in die Hände des Parlaments zu legen, sagt Scholz. Über die Impfpflicht soll von den Abgeordneten jenseits von Parteigrenzen auf Grundlage von Vorschlägen aus der Mitte des Parlaments entschieden werden, ohne dass es einen Gesetzesentwurf der Regierung dazu gibt. Scholz betont zudem, sich früh zu einer allgemeinen Impfpflicht bekannt zu haben. Er habe bereits gesagt „Ich bin dafür“ als noch die meisten nicht dafür gewesen seien.

Bei Frage nach Todesfällen nach Corona-Impfung wird Scholz energisch

Ob Deutschlands G7-Präsidentschaft, Inflation, hohe Energiepreise, Nutzung von Atomstrom, höhere Löhne oder eine marode Autobahnbrücke im Sauerland – Scholz antwortet ruhig und ausführlich. Mehrfach muss Bundestagspräsidentin Bas den Kanzler daran erinnern, sich bei seinen Antworten kürzer zu fassen. Wie schon in der Vergangenheit stellen die Abgeordneten der Regierungsfraktionen auch in der Legislaturperiode der Ampel-Koalition Fragen, die den Regierungschef nicht ins Schwitzen bringen. Aber auch den Oppositionsvertretern von Union, AfD und der Linken gelingt es in der einstündigen Regierungebefragung nicht, Scholz aus der Reserve zu locken.

Nur als der AfD-Abgeordnete Martin Sichert von der Tribüne aus den Kanzler zu den angeblich zahlreichen Fällen fragt, in denen es infolge einer Corona-Impfung zu schweren Nebenwirkungen oder sogar Todesfällen gekommen sei, wird Scholz energisch – für seine Verhältnisse. „Schönen Dank für Ihre Frage, aber nicht für die Intention, die dahintersteckt, das will ich ausdrücklich dazu sagen“, antwortet Scholz. „Sie verwirren die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Und das Einzige was daran gut ist, dass sie damit keinen Erfolg haben. Denn unser Land ist nicht gespalten und hält zusammen“, sagt Scholz und wünscht dem Abgeordneten einen „offenen und ehrlichen Umgang mit Fakten“.

Danach geht die Befragung wieder friedlich ihren Gang. Am Ende verabschiedet sich Scholz hanseatisch-knapp mit einem „Schönen Dank“ von den Abgeordneten.