Paris. Der Verdacht: Russland ließ einen Mann in Berlin ermorden. Deutschland wies deshalb Diplomaten aus. Putin will sich jetzt revanchieren.

Das Aufeinandertreffen von Russlands Präsident Wladimir Putin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel war mit Spannung erwartet worden: Nach dem Mord an einem Georgier in einem Park in Berlin stecken die beiden Länder in einer diplomatischen Krise. Der Generalbundesanwalt hatte die Ermittlungen übernommen – wegen des Verdachts, staatliche Stellen in Russland könnten den Mord in Auftrag gegeben haben.

In Paris bezeichnete der russische Präsident den ermordeten Georgier nun als einen „Banditen“, der selbst viele Menschen auf dem Gewissen habe. „In Berlin wurde ein Krieger getötet, der in Russland gesucht wurde, ein blutrünstiger und brutaler Mensch“, sagte Putin in der Nacht zum Dienstag auf einer Pressekonferenz zum Ukraine-Gipfel in Paris, an der auch die Bundeskanzlerin teilnahm.

Putin nennt ermordeten Georgier „Banditen“: CDU-Politiker Sensburg zeigt sich bestürzt

Der CDU-Innenpolitiker Patrick Sensburg zeigte sich am Dienstag bestürzt über die Äußerungen des Präsidenten. „In Russland scheint nicht erst seit diesem Mord oder dem Fall Skripal eine Renaissance der gezielten Tötungen zu beginnen, die an den Kalten Krieg erinnert“, sagte Sensburg unserer Redaktion.

„Es werden durch russische Geheimdienste anscheinend nicht nur unliebsame Personen umgebracht, es werden auch politische Zeichen gesetzt: Wer gegen das russische Regime vorgeht, verliert im Zweifel sein Leben. Das sind Morde als Warnungen.“

Es sei „nicht akzeptabel, dass Russland sich in keiner Weise an der Aufklärung des Mordes an Khangoshvili beteiligt und die deutschen Ermittlungsbehörden nicht unterstützt“, sagte das Mitglied im Bundestagsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste. „Wenn es sich doch tatsächlich um einen staatlichen Auftragsmord handelt, ist dies natürlich erklärlich.“ Leider führe die Spur in Sachen Khangoshvili eindeutig nach Russland.

Wladimir Putin fordert Auslieferung des mutmaßlichen Täters

Auch CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen zeigte sich irritiert über Putins Äußerungen. „Auffällig ist, wie gut Putin die Identität des ermordeten Georgiers bekannt zu sein scheint“, sagte Röttgen unserer Redaktion. „Zum Mord selbst hat Putin kein Wort verloren.“ Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag warf die Frage auf, ob Putin mit seinen Anschuldigungen über den Ermordeten etwa nahelegen wollte, „der Mord sei gerechtfertigt“.

Der 40-jährige Georgier soll in der russischen Teilrepublik Tschetschenien auf Seite der Separatisten gegen Russland gekämpft haben. Er war am 23. August im Kleinen Tiergarten in Berlin von hinten erschossen worden. Putin kritisierte Deutschland dafür, den Mann nicht ausgeliefert zu haben.

Röttgen entgegnete: „Von einem Auslieferungsbegehren in Hinblick auf den Ermordeten seitens Russlands ist deutschen Behörden nichts bekannt. Dasselbe gilt für Putins Anschuldigungen über seine Person.“ Bekannt sei dagegen, dass Zelimkhan Khangoshvili mutmaßlich von einer Person mit von russischen Behörden ausgestellten, gefälschten Papieren ermordet worden sei.

Russland kündigt an, deutsche Diplomaten auszuweisen

Der CDU-Politiker nannte es bedauernswert, dass Russland die Kooperation bei der Aufklärung des Falles verweigere. Der Mann habe auf der Seite von Separatisten im Kaukasus gekämpft und dort alleine bei einem Anschlag den Tod von 98 Menschen verschuldet. Zudem sei er an einem Anschlag auf die Moskauer Metro beteiligt gewesen.

Im Jahr 2010 hatte es zwei Sprengstoffattacken auf die U-Bahn in der russischen Hauptstadt gegeben. Den deutschen Behörden warf Putin vor, den „Verbrecher und Mörder“ trotz entsprechender Gesuche nicht ausgeliefert zu haben.

Bei den Ukraine-Gesprächen in Paris trafen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Russlands Präsident Wladimir Putin aufeinander – zum ersten Mal, seit der Verdacht besteht, dass Russland einen Mord in Berlin in Auftrag gegeben haben könnte.
Bei den Ukraine-Gesprächen in Paris trafen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Russlands Präsident Wladimir Putin aufeinander – zum ersten Mal, seit der Verdacht besteht, dass Russland einen Mord in Berlin in Auftrag gegeben haben könnte. © Reuters | CHARLES PLATIAU

Der mutmaßliche Mörder des Georgiers wurde kurz nach der Tat gefasst, sitzt seither in Untersuchungshaft und schweigt zu den Vorwürfen.

Der Mord hat die deutsch-russischen Beziehungen schwer belastet. Die Bundesregierung wies in der vergangenen Woche zwei russische Diplomaten aus. Putin kündigte in Paris eine „spiegelgenaue“ Reaktion an, also die Ausweisung von ebenfalls zwei Mitarbeitern der deutschen Botschaft in Moskau.

Putin spielt Folgen für das deutsch-russische Verhältnis herunter

Gleichzeitig zeigte er sich aber bereit, die deutschen Ermittler bei der Aufklärung des Mordes zu unterstützen. Zu den möglichen Hintergründen der Tat sagte er: „Ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist. Das ist ein verbrecherisches Umfeld. Da kann alles Mögliche passieren.“

Merkel hatte den Fall bei einem Einzelgespräch mit Putin vor dem Ukraine-Gipfel angesprochen. „Wir haben im Augenblick einen Anfangsverdacht des Generalbundesanwalts, nicht mehr und nicht weniger“, sagte sie später auf der Pressekonferenz. Das habe sie dem russischen Präsidenten auch so mitgeteilt.

Auf die Frage, ob sie nun eine russische Kooperation bei den Ermittlungen erwarte, sagte die Kanzlerin: „Ich gehe davon aus, dass die russische Seite ihre Informationen uns zur Verfügung stellt, jedenfalls fände ich das gut.“ (dpa/lah/mbr)