Berlin. . Mit dem Nachholfaktor sorgt die Ampel wohl für eine Nullrunde bei der Rente 2022. Im Wahlkampf hörte sich das noch ganz anders an.

  • Die Ampel-Pläne sorgen für Ärger bei Rentnern in Deutschland
  • Eigentlich sollte die Rente 2022 deutlich ansteigen
  • Durch die Pläne der Ampel wird die Erhöhung viel niedriger ausfallen. So werden viele getäuscht, schreibt unser Autor

Für die rund 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner wird der Start der Ampelkoalition mit einer bösen Überraschung eingeläutet: Das starke Rentenplus von über fünf Prozent im nächsten Jahr, vollmundig angekündigt, fällt aus. Die Ampel will die Erhöhung zum 1. Juli ohne Vorwarnung deutlich kürzen.

Wie stark genau sich die Wiederauflage eines Nachholfaktors bei der Rentenberechnung im Portemonnaie auswirkt, wird zwar noch ermittelt – aber die 30 führenden Rentenexperten der Republik gehen bereits von einer Halbierung des Anstiegs aus. Auf gut Deutsch: Ein Rentenplus von dann noch etwa 2,5 Prozent würde nächstes Jahr nicht mal die erwartete Inflation ausgleichen. Die Ampel würde den Rentnern eine Netto-Nullrunde bescheren, nachdem die gesetzlichen Altersbezüge schon in diesem Jahr nicht oder – im Osten – kaum gestiegen sind.

Möglich, dass die neue Regierung die Kürzung durch Rechenoperationen auf mehrere Jahre verteilt. Sie bliebe dennoch bitter, es geht für die meisten Rentner um Hunderte Euro im Jahr. Fast noch ärgerlicher ist die Chuzpe, mit der die Koalitionäre vorgehen. Im Wahlkampf war von solchen Einschnitten nie die Rede, vor allem die SPD hat die Ruheständler nach Kräften umworben.

Kein Wortbruch aber schlechter Stil

Das Versprechen sicherer Renten ist zwar nicht dem Wortlaut nach gebrochen, aber die Senioren dürfen sich dennoch getäuscht fühlen. Noch am Mittwoch hat das Kabinett einen Rentenbericht beschlossen, in dem für 2022 das dicke Fünf-Prozent-Plus regierungsamtlich avisiert wurde. Olaf Scholz und die anderen SPD-Minister stimmten zu – dabei wussten sie ja, dass in dem wenige Stunden später präsentierten Koalitionsvertrag diese Zusage gleich wieder kassiert würde. Das ist, mit Verlaub, schlechter Stil.

Sicher, im Prinzip gibt es Gründe für den Nachholfaktor. Er ist das Gegengewicht zur Rentengarantie, die verhindert, dass bei sinkenden Löhnen Altersbezüge gekürzt werden – der Nachholfaktor soll zum Ausgleich Rentenerhöhungen in späteren Jahren dämpfen.

Doch der SPD-Arbeitsminister hat vor drei Jahren dafür gesorgt, dass genau dieser Faktor bis zum Jahr 2026 ausgesetzt wird: Die SPD als Schutzpatron der Rentner, das war der Tenor im Bundestagswahlkampf. Kaum ist die Wahl vorbei, legt die SPD-geführte Koalition den Rückwärtsgang ein. Mehr noch: Sie will – ohne Not – in größter Eile unbedingt schon 2022 bei den Renten sparen.

Das ist nur zu schaffen, wenn das Gesetz im Eiltempo durch den Bundestag geprügelt wird. Merkwürdig, denn ansonsten zeigt die Ampel wenig Reformwillen bei der Rente. Aber wer den Senioren so in die Tasche greift, sollte wenigstens den Mut haben, ihnen die Rotstift-Attacke ehrlich anzukündigen und zu erläutern. Stattdessen: nur ein paar dürre Zeilen im Koalitionsvertrag. Und Schweigen.

Rente: Scholz muss schnell erklären, was noch kommt

Es mag sein, dass der Eingriff für jüngere Generationen und für Arbeitgeber, also für Beitragszahler, eher als beruhigende Nachricht verstanden wird, Rentenexperten haben dafür geworben. Aber auch sie müssen die Art und Weise dieses Überraschungseingriffs als Alarmsignal begreifen. Es wird ja kaum die letzte Kürzung sein.

Im Kleingedruckten des Koalitionsvertrags verbergen sich Pläne für ein Streichkonzert bei Subventionen und staatlichen Ausgaben, das Millionen Menschen betreffen könnte. Was steht nach dem Rentenmanöver noch alles bevor? Wenn die Koalition nicht mit schwerer Misstrauenshypothek starten will, sollte der künftige Bundeskanzler Scholz schnell und ehrlich erklären, was auf die Bürger wirklich zukommt: Darauf haben nicht nur die Rentner einen Anspruch.