Berlin. Der generelle Abschiebestopp für Syrien gilt bis zum 31. Dezember. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will ihn nicht verlängern.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat sich gegen eine Verlängerung des generellen Abschiebestopp für Syrien über den 31. Dezember hinaus ausgesprochen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte Seehofer: „Ich werde bei der Innenministerkonferenz dafür eintreten, dass wir anstelle eines generellen Abschiebestopps künftig zumindest für Straftäter und Gefährder wieder in jedem Einzelfall prüfen, ob Abschiebungen nach Syrien möglich sind.“

Der generelle Abschiebestopp für das von einem Bürgerkrieg erschütterte Syrien war 2012 erstmals beschlossen und mehrfach verlängert worden. In den meisten Regionen des Staates im Nahen Osten gibt es aktuell kaum noch Kampfhandlungen. Gegnern des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad drohen aber nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen weiterhin Folter und Tod.

Abschiebestopp für Syrien wird immer wieder infrage gestellt

Gleiches gilt aber auch für Anhänger des Machthabers Assad – vornehmlich in den wenigen Gebieten, die noch unter der Kontrolle von Islamisten oder anderen Regime-Gegnern stehen.

Das Auswärtige Amt veröffentlichte Ende Mai einen neuen Lagebericht , in dem es hieß: „Auch in Landesteilen, in denen Kampfhandlungen mittlerweile abgenommen haben, besteht weiterhin ein hohes Risiko, Opfer von Gewalt und Übergriffen zu werden. Dies gilt auch für vermeintlich friedlichere Landesteile im äußersten Westen Syriens sowie die Hauptstadt Damaskus.“

Zuvor hatten Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen bei der Innenministerkonferenz in der Frage des Abschiebeverbots dafür plädiert, Menschen, die sich als Anhänger von Präsident Assad zu erkennen gegeben oder zwischenzeitlich wieder in Syrien aufgehalten hätten, „differenziert zu betrachten“.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will den generellen Abschiebestopp für Syrien nicht verlängern und stattdessen eine Einzelfallprüfung für Straftäter und Gefährder durchsetzen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will den generellen Abschiebestopp für Syrien nicht verlängern und stattdessen eine Einzelfallprüfung für Straftäter und Gefährder durchsetzen. © dpa | Martin Schutt

Messerattacke bot Anlass für eine erneute Debatte

Auch nach dem neuen Lagebericht des Auswärtigen Amtes war die Debatte in Deutschland immer wieder aufgeflammt. Zuletzt hatten mehrere Unionspolitiker die Verlängerung des generellen Abschiebestopps infrage gestellt. Sie reagierten damit auf die tödliche Messerattacke eines Islamisten in Dresden.

In der sächsischen Hauptstadt waren am 4. Oktober zwei Männer niedergestochen worden. Ein 55-Jähriger aus Krefeld starb, ein 53 Jahre alter Mann aus Köln überlebte schwer verletzt. Als Tatverdächtiger wurde ein 20-Jähriger festgenommen. Er ist nach Angaben der Behörden vorbestraft und soll aus Syrien stammen.

Mutmaßlicher Messerangreifer von Dresden als islamistischer Gefährder bekannt

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    Auswärtiges Amt hat seine Bewertung der Lage nicht geändert

    Das Auswärtige Amt hatte jedoch im Oktober keine Bereitschaft gezeigt, seine Haltung zu ändern. Die Lage in Syrien sei „weiterhin sehr komplex“, sagte eine Sprecherin. Rückkehrern drohten Gefahren aus unterschiedlichen Richtungen, „auch vom Regime selbst“. Erschwerend für mögliche Abschiebungen käme hinzu, dass Deutschland aktuell keine diplomatischen Beziehungen zu Syrien unterhält.

    Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte nach der Gewalttat in Dresden: „Es gibt aktuell de facto keine Möglichkeit, abschiebepflichtige Gefährder und schwere Straftäter nach Syrien zu bringen, dort herrscht immer noch Bürgerkrieg, es gibt auch keine zuständigen und ansprechbaren Behörden.“ Die „reflexhaften Rufe“ einzelner Politiker nach Abschiebung hielten der Realität nicht stand.

    Zwei syrische Mädchen stehen am Donnerstag am Eingang ihres Zeltes im Flüchtlingscamp von Batinta im Norden der syrischen Provinz Idlib.
    Zwei syrische Mädchen stehen am Donnerstag am Eingang ihres Zeltes im Flüchtlingscamp von Batinta im Norden der syrischen Provinz Idlib. © AFP | Omar Haj Kadour

    Einen eigenen Lagebericht will Seehofer nicht erstellen lassen

    Als „Gefährder“ bezeichnet die Polizei Menschen, denen sie massive politisch motivierte Straftaten zutraut – beispielsweise einen Terroranschlag . Lesen Sie dazu: Deutschland: 124 Hochrisiko-Islamisten auf freiem Fuß

    Vorschläge, das Bundesinnenministerium solle zur Innenministerkonferenz am 9. Dezember einen eigenen Bericht zur Lage in Syrien verfassen, hatte Seehofer zurückgewiesen. „Die gesamte Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass Straftäter und Gefährder unser Land verlassen“, sagte der CSU-Politiker.

    Tatsächlich hieße das, dass das Innenministerium exklusive eigene Quellen in Syrien haben müsste, deren Informationen eine andere Bewertung der Lage in dem arabischen Land rechtfertigten.

    EU-Gericht stärkt Aussicht auf Anerkennung als Flüchtling

    Erst in der vergangenen Woche hatte zudem der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Wehrdienstverweigerer aus Syrien gute Aussichten auf die Anerkennung als Flüchtling in der EU haben. Oftmals sei die Verweigerung Ausdruck politischer oder religiöser Überzeugung oder habe ihren Grund in der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, befanden die Richter.

    Wir haben Platz - Tausende fordern Aufnahme von Flüchtlingen

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      Hintergrund war der Fall eines Syrers, der nach eigenen Angaben nach Deutschland geflohen war, um dem Wehrdienst zu entgehen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte ihm nur subsidiären Schutz zugesprochen, nicht aber den Status eines Flüchtlings . Für subsidiär Schutzberechtigte ist etwa die Möglichkeit des Familiennachzugs begrenzt. (max/dpa)