Washington. Bei der US-Wahl wollen die Demokraten den Republikanern im Senat die Mehrheit abnehmen – ein Präsident Joe Biden könnte durchregieren.

Glaubt man dem Mann, um den sich ausnahmslos alles dreht in diesem Wahlkampf, dann sieht es für seine Partei, die Republikaner, einigermaßen schlecht aus, um im Senat von Washington die Hosen anzubehalten.

„Sehr schwer”, zitieren US-Medien aus internen Gesprächen Donald Trumps mit Vertrauten und Spendern, werde es für Anführer Mitch McConnell, die konservative Mehrheit in der zweiten Kammer des Kongresses zu bewahren – und damit eine entscheidendes Instrument im Macht- und Staatsgefüge.

Nur dort entsteht wirklich Gesetzeskraft, ob bei der Einwanderung, im Gesundheitswesen oder beim Klimawandel. Nur dort erhalten Richter (siehe just Amy Coney Barrett), Generäle und Kabinettsmitglieder die parlamentarische Tüv-Plakette. Nur dort wird über das Wichtigste letztendlich entschieden – Geld.

US-Wahl: Demokraten kämpfen um Mehrheit im Senat

Zurzeit bekleiden die Republikaner 53 der 100 Sitze. Die demokratische Opposition kommt, die beiden meist mitstimmenden Unabhängigen Bernie Sanders und Angus King eingerechnet, auf 47 Sitze. Jeder Bundesstaat schickt ungeachtet von Größe und Bevölkerungszahl für jeweils sechs Jahre zwei Senatoren nach Washington. Das vergleichsweise menschenarme Wyoming hat also mit 580.000 Einwohnern gleich viele Vertreter in der Hauptstadt wie Kalifornien, wo 40 Millionen Menschen leben.

Parallel zur Wahl zwischen Trump und Joe Biden ums Weiße Haus müssen sich am Dienstag diesmal 35 Senatoren/-innen zur Abstimmung stellen. Dabei sind bei den Republikanern 12 von 23 Posten wackelig, bei den den Demokraten nur 2 von 12.

Wie viele Sitze die Demokraten im Senat zusätzlich brauchen

Holt Joe Biden das Weiße Haus, reichen den Demokraten rechnerisch drei zusätzlich gewonnene Sitze, um das Ruder zu übernehmen. Denn bei 50:50-Patt-Situationen würde Bidens Vize Kamala Harris als Präsidentin des Senats den Ausschlag geben.

Unterliegt Biden, müssten die Demokraten der Gegenseite vier Sitze abjagen. Dass beide Szenarien nicht aus der Welt sind, zeigen Analysen des Beratungsdienstes „FiveThirtyEight“ und des auf den Kongress spezialisierten Cook-Reports. Beide sehen zwischen fünf und sieben Sitze, die bislang von Konservativen gehalten werden, in akuter Gefahr.

Was eine Senats-Mehrheit der Demokraten für Präsident Trump bedeuten würde

Die Demokraten könnten bei den Wahlen am Dienstag die Mehrheit im Senat gewinnen.
Die Demokraten könnten bei den Wahlen am Dienstag die Mehrheit im Senat gewinnen. © AFP | Olivier Douliery

Käme es zum Wechsel und würde, was durch als gesichert angenommen wird, das 435-köpfige Repräsentantenhaus weiter fest in demokratischer Hand bleiben (derzeit 232 Abgeordnete), müsste Donald Trump im Falle eines Sieges bis zur Zwischenwahl 2022 zwei Jahre Fundamental-Opposition ertragen. Seine Regierungsvorhaben in einer zweiten Amtszeit blieben bis auf wenige Ausnahmen zum Stillstand veurteilt.

Macht Biden das Rennen, wären die Demokraten in der Lage zwischen Kongress und Weißem Haus aus einem Guss zu regieren. Große Projekte wie eine Reform des Krankenversicherung, der Steuer-Architektur oder der Umwelt- und Energiegesetze, allesamt Themen, die von Trump geschreddert wurden, könnten bis zu den „midterms” 2022 ungestört umgesetzt werden. Die Republikaner gingen 24 Monate durch ein Tal der Tränen. Lesen Sie hier die Analyse: Präsident Joe Biden? Wie das die US-Politik verändern würde

US-Wahl 2020 - Alles zum Duell Trump vs. Biden

Senatoren-Wahlen: Kommt es zum Wachwechsel in Arizona und Colorado?

Die besten Karten für einen Wachwechsel gibt es in Arizona und Colorado. Im Südstaat hat der ehemalige Nasa-Astronaut Mark Kelly die republikanische Amtsinhaberin Martha McSally in Umfragen weit hinter sich gelassen. Ähnlich deutlich führt in Colorado der ehemalige Gouverneur John Hickenlooper vor dem amtierenden republikanischen Senator Cory Gardner. Gardner wie McSally gelten in einem latent Trump-feindlichen Wählerumfeld als Hypothek.

Wettbewerbsfähig sind die Demokraten auch in Maine, wo die republikanische Amtsinhaberin Susan Collins von Sara Gideon bedrängt wird. In Georgia, wo sich die Amtsinhaber Kelly Loeffler und David Perdue gegen den eloquenten, schwarzen Pastor Raphael Warnock und Jon Osoff strecken müssen. In Montana, wo Steve Bullock gegen den Konservativen Steven Daines obsiegen könnte. In Iowa, wo sich die Trump-Vertraute Joni Ernst gegen Theresa Greenfield behaupten muss. Auch in North Carolina leidet der Republikaner Thom Tillis unter seiner ausgeprägten Trump-Liebedienerei, obwohl sein demokratischer Widersacher Cal Cunningham ein Sex-Skandälchen am Bein hat. In Alaska hat der republikanischen Senator Dan Sullivan in Dr. Al Gross (parteiunabhängig) einen chancenreichen Konkurrenten. Lesen Sie hier: Chaos, Klagen, Amtsübergabe: Was in den USA passieren könnte

Senatssitz von Trump-Freund Lindsey Graham in Gefahr

Schon aus rein finanziellen Gründen spielt sich das spannendste Duell in South Carolina ab. Lindsey Graham, mächtiger Justiz-Ausschuss-Vorsitzender und Trumps regelmäßiger Golf-Buddy, hat in Jaime Harrison den Krösus der Herausforderer gegen sich. Der junge Afro-Amerikaner strich im Monat September knapp 57 Millionen Dollar an Wahlkampfspenden ein – amerikanischer Rekord in einem Senatsrennen. Graham, in Umfragen nur leicht favorisiert, rief in einer Fox News-Sendung seine Anhänger zum Griff ins Portemonnaie auf: „Hilfe, ich werde überrannt.”

Ginge Graham unter, wäre eine Sensation perfekt. Dagegen sieht es in Alabama so aus, als bliebe es beim einmaligen Gastspiel des Demokraten Doug Jones. Der frühere Football-Coach Tommy Tubberville wird wohl für die Republikaner einen Touchdown landen.

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Was Biden tun könnte, wenn die Demokraten den Senat gewinnen

Im Falle eines Durchmarschs der Demokraten sind, vorbehaltlich der Zustimmung eines Präsidenten namens Joe Biden, auch revolutionäre Veränderungen denkbar. So könnten das zu Amerika gehörende aber politisch impotente Puerto Rico wie der Hauptstadt-Bezirk Washington DC zu ordentlichen Bundesstaaten deklariert werden. Konsequenz: vier zusätzliche Senatoren; angesichts des bisherigen Wahlverhaltens wahrscheinlich Demokraten.

Noch weiter würden Forderungen greifen, die im linken Spektrum der Demokraten lauer werden, seit die Republikaner gnadenlos die erzkonservative Richter Coney Barrett in den Obersten Gerichtshof katapultiert haben. Was zu einer konservativen 6:3-Mehrheit führte. Was wiederum durch eine Aufstockung der Richterbank von neun auf elf oder zwölf Mitglieder ideologisch kompensiert werden könnte.

Abseits der Kongresswahlen wählt Amerika am Dienstag auch noch mehrere Gouverneure, Landes-Kongresse, Bürgermeister und Polizeichefs. Unter den üblichen Referenden sticht in der Hauptstadt eine drogenpolitisch umstrittene Maßnahme zur Abstimmung an. Der Gebrauch von halluzinogenen Pilzen (magic mushrooms) soll nicht mehr bestraft werden.