Washington. Joe Biden geht mit Kamala Harris in das Rennen um die Präsidentschaft der USA. Deshalb ist sie seine beste Wahl als Vizepräsidentin.

Geschichte zu schreiben und gleichzeitig auf Nummer sicher zu gehen - das gelingt nicht jedem. Joe Biden hat es in einem Feld von hoch talentierten Bewerberinnen mit der Auswahl von Kamala Harris geschafft. Der Demokrat, der Amerika im November vom Trumpschen Albtraum erlösen will, hat nicht nur der ersten schwarzen und durch ihre indisch-jamaikanischen Wurzeln auch darüber hinaus multikulturell ausstrahlenden Politikerin in der Geschichte der USA den Weg zum zweithöchsten Amt im Staate vorgezeichnet.

Biden setzt sich damit eindrucksvoll ab von der abgestandenen Männerwirtschaft, die Trump und sein Stellvertreter Mike Pence führen. Viel entscheidender: Mit Harris, die ideologisch wie Biden in der moderaten Mitte verortet ist und somit keine Begeisterungsstürme im links-progressiven Spektrum auslösen wird, hat der 77-Jährige einen weitsichtigen, potenziell historischen Vorratsbeschluss für Amerikas Demokratie getroffen, der seinen Charme erst in den nächsten Wochen entfallen wird.

US-Wahl: Amerika könnte 2024 die erste Präsidentin bekommen

Träte er nach einem Sieg in diesem Herbst in vier Jahren aus Altersgründen ab, wäre die 55-Jährige im Falle einer soliden Leistungsbilanz 2024 erste Anwärterin der Demokraten auf den Spitzenjob. Im Erfolgsfall würden dabei gleich zwei bisher undurchdringbar scheinende Glasdecken gesprengt: Amerika bekäme die erste Präsidentin.

Noch dazu eine, die sich mit Stolz der afro-amerikanischen Identität verpflichtet fühlt. Einen zukunftsträchtigeren Meilenstein für ein Land, das entlang der ungelösten Rassenfrage gerade wieder einmal zu zerbrechen droht, konnte Biden kaum setzen.

Könnte die nächste US-Präsidentin werden: Kamala Harris.
Könnte die nächste US-Präsidentin werden: Kamala Harris. © AFP | SAUL LOEB

Die Personalie Harris macht den seit bald 50 Jahren zum politischen Inventar Washington gehörenden Weißen zu einer wirklich gestaltenden Figur des Übergangs in einer Gesellschaft, die demographisch ihrer weißen Dominanz verlustig geht.

Mit Kamala Harris hat sich Biden nicht nur ein ihm in mancher Hinsicht überlegenes, charismatisches Kraftpaket an die Seite geholt, das seine Schwächen ausgleichen kann, ohne ihn in den Schatten zu stellen. Das wird bei Frauen, Afro-Amerikanern, Latinos und Jüngeren in der Wählerschaft zusätzliche Mobilisierung erzeugen und auch noch Unentschlossene bewegen.

Harris verwaltete als Justizministerin ein Jahresbudget von 750 Millionen Dollar

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Dazu kommt: Harris wäre qua Erfahrung vom ersten Tag an in der Lage, in die Führungsrolle zu gehen, falls Gesundheit oder Schicksal Biden ein Strich durch die Rechnung machen sollten. Als Justizministerin in Kalifornien stand sie Tausenden Staatsanwälten vor und verwaltete ein Jahresbudget von 750 Millionen Dollar. Im Senat von Washington machte sich Harris als Fragenstellerin einen Namen, wenn die amerikanische Verfassung bedroht schien.

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Justizminister Bill Barr und der Oberste Richter Brett Kavanaugh wurden von ihr in Anhörungen so systematisch zerlegt, das man Mitleid bekommen konnte. Als Präsidentschaftskandidatin hat Harris 2019 nach hoffnungsvollem Start und vielen Turbulenzen eine kontrollierte Bruchlandung hingelegt und das Spielfeld in Würde verlassen. Diese Schlüssel-Ereignisse haben Harris abgehärtet und schlauer gemacht. Lesen Sie hier: Warum ein US-Historiker Joe Biden den Wahlsieg vorhersagt

Das Lager um Amtsinhaber Donald Trump hat schon jetzt de facto Angst vor der schlagfertigen und telegenen Rednerin, die nicht als Avatar der Linken in der demokratischen Partei stilisiert werden kann. Attacken wie „Sie ist gemein” und „Sie ist verlogen” werden sich rächen, wenn Mike Pence im Fernsehduell auf Harris trifft. Sie macht mit altväterlichen Dampfplauderern gern kurzen Prozess. Es sei denn, Trump bietet für das Rennen um die zweite Amtszeit auf die Schnelle auch eine Frau auf.