Washington. Die neue US-Regierung veröffentlicht einen Bericht über den Mord an Jamal Khashoggi. Das setzt den saudischen Kronprinzen unter Druck.

Rund zweieinhalb Jahre nach der Hinrichtung des „Washington Post“-Kolumnisten Kashoggi in Istanbul wurde am Freitag ein von der Vorgänger-Regierung trotz richterlicher Anweisung und parlamentarischer Beschlüsse unter der Decke gehaltener Bericht der US-Geheimdienste veröffentlicht werden, der eine in Fachkreisen seit langer Zeit geteilte Kern-Botschaft beglaubigt: „MBS“ hat die Exekution des Regime-Kritikers persönlich genehmigt.

Donald Trump brüstete sich noch im jüngsten Buch von Star-Autor Bob Woodward damit, Mohammed bin Salman („MBS“) nach der Ermordung des saudischen Regime-Kritikers Jamal Kashoggi „den Arsch gerettet zu haben“. Um ausnahmsweise in der Körper-Sprache zu bleiben: Sein Nachfolger im Weißen Haus, Joe Biden, tritt dem saudi-arabischen Kronprinzen dagegen politisch mit Anlauf ins Hinterteil.

Saudi-Arabien: Biden schlägt eine andere Tonlage an als Trump

Im Vorfeld der Veröffentlichung sprach Präsident Biden am Donnerstag mit dem Herrscher in Riad, König Salman. Der 85-Jährige sei Bidens „Ansprechpartner“, sagte Regierungssprecherin Psaki; ein subtiler Affront gegen den jungen De-Facto-Herrscher in Riad, der sich zu Trumps Zeiten bester Kontakte in Washington erfreute. Besonders der Draht zwischen Kronprinz und Trumps Schwiegersohn-Berater Jared Kushner war eng.

Mit Biden zieht eine neue Tonlage gegenüber dem Königreich ein, wie bereits die strategische Wende der USA im Jemen-Krieg zeigte, wo Washington Saudi-Arabien im Kampf gegen die Huthi-Rebellen nicht mehr unterstützt. Die Aufarbeitung des Kashoggi-Mordes könnte das Verhältnis zur Wüsten-Monarchie, die zu den größten Abnehmern von US-Rüstungsgütern gehört, „nachhaltig abkühlen“, sagen Experten im Außenministerium. Denn Biden spricht Klartext.

Bericht zu Kashoggi-Mord: Kronprinz genehmigte das Attentat

„Kashoggi wurde ermordet und zerstückelt auf Anweisung des Kronprinzen“, hatte der Demokrat bereits im Wahlkampf 2020 konstatiert, „wir werden sie (Saudi Arabien) dafür bezahlen lassen und sie zu den Parias machen, die sie sind.“

Mit seiner Bewertung steht der Präsident zu dem, was der Auslandsgeheimdienst CIA bereits sechs Wochen nach der Tat durchsickern ließ, die weltweit Entsetzen ausgelöst hatte: Der Kronprinz hat das tödliche Attentat autorisiert.

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Tödliches Attentat auf Journalist – MBS weist Vorwürfe bis heute zurück

Im am Freitag veröffentlichten Bericht heißt es: „Seit 2017 hat der Kronprinz die absolute Kontrolle über die Sicherheits- und Geheimdienst-Organisationen des Königreichs. Das macht es höchst unwahrscheinlich, dass saudi-arabische Vertreter einen solchen Einsatz ohne die Genehmigung des Kronprinzen ausgeführt hätten.“ Außerdem seien an der Tat in Istanbul ein enger Berater und diverse Personenschützer des Kronprinzen beteiligt gewesen. Fazit der CIA: „Der Kronprinz sah Khashoggi als Bedrohung für das Königreich an und unterstützte grundsätzlich wenn nötig gewaltsame Mittel, um ihn zum Schweigen zu bringen.“

„MBS“ weist das bis heute zurück. Donald Trump machte sich dessen Argumentation bei öffentlichen Auftritten zu eigen. Er tat bis Amtsabtritt alles, damit die US-Geheimdienst-Expertise, die sich exakt mit dem deckt, was UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard herausgefunden hatte, nicht offiziell ans Licht kam.

Mord an Jamal Kashoggi durch „Killerkommando“

Rückblick: Am 2. Oktober 2018 wollte Kashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul nach Termin-Absprache Dokumente für die geplante Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten Hatice Cengiz abholen. Der damals 59-Jährige, der bis dahin in der Nähe von Washington lebte, wurde von einem kurz zuvor aus Saudi-Arabien angereisten 15-köpfigen Killerkommando erwartet.

Der türkische Geheimdienst hörte durch installierte Wanzen mit, als die Mörder Kashoggi als „Opfertier“ bezeichneten, das geschlachtet werden müsse. Die Killer betäubten ihn und hielten ihm Mund und Nase zu. „Ich habe Asthma, macht das nicht, ihr erstickt mich“ , sagte Khashoggi. Von den türkischen Audio-Mitschnitte konnte sich die damalige CIA-Chefin Gina Haspel überzeugen.

Nach dem Mord am Journalisten Jamal Kashoggi demonstrierten Menschen vor saudi-arabischen Konsulaten.
Nach dem Mord am Journalisten Jamal Kashoggi demonstrierten Menschen vor saudi-arabischen Konsulaten. © imago/Depo Photos | imago/Depo Photos

Trump-Regierung bestärkte Darstellung, dass der Kronprinz nichts vom Attentat wusste

Laut Türkei zersägte ein aus Riad angereister Forensiker die Leiche. Wo die sterblichen Überresten Khashoggis sind, ist bis heute ungeklärt. Bevor das saudische Kommando unbehelligt in die Heimat ausgeflogen wurde, schickte man einen Doppelgänger Khashoggis auf die Straße. Damit sollte der Eindruck erweckt werden, der Regime-Gegner habe die diplomatische Vertretung lebend verlassen. Vor dem Gebäude wartete jedoch Khashoggis Verlobte. Sie alarmierte die türkische Regierung ein.

Tagelang verstrickten sich die saudischen Behörden in immer neue Ausflüchte. Bis man schließlich zugab, dass Khashoggi im Konsulat getötet wurde. Monate später wurden ein Dutzend mutmaßliche Tatbeteiligte in Saudi-Arabien in einem Geheimverfahren vor Gericht gestellt und teilweise zum Tode verurteilt. Das Königreich blieb, bis zuletzt durch die Trump-Regierung bestärkt, bei der Darstellung, dass Kronprinz Mohammed bin Salman von der Ermordung Kashoggis nichts wusste.

Biden will Saudi-Arabien zur Verantwortung ziehen

Die Regierung Biden will Saudi-Arabien dagegen zur Verantwortung ziehen. In welcher Form, das ist noch die Frage. Einstweilen wurde Waffenverkäufe aus den USA an das Königreich auf Eis gelegt. Außenminister Tony Blinken kündigte am Freitag den sogenannten „Kashoggi-Bann“ an. Damit ist ein neuer Hebel zur Einschränkung bei der Erteilung von Visa und Einreisemöglichkeiten in die USA gemeint. Gegen 76 saudi-arabische Offizielle, die nicht nur im Fall Kashoggi gegen Dissidenten im Ausland vorgegangen sind, wurde das neue Instrument bereits eingesetzt.

Unterdessen geht in der Türkei ein Prozess um den Mord an Khashoggi weiter. Ein saudisches Gericht hatte im Herbst die Todesstrafe gegen fünf Angeklagte in Haftstrafen von jeweils 20 Jahren umgewandelt. Khashoggis Familie hatte zuvor erklärt, dass sie den Killern vergeben habe.

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