Berlin. Parteichef ist er nicht geworden, für ein Amt sieht sich Merz dennoch berufen. Er bietet an, das Wirtschaftsressort zu übernehmen.

Er hat wieder verloren. Vor zwei Jahren fehlten Friedrich Merz 35 Stimmen, dieses Mal sind es 55. Die erneute Pleite versuchte Merz mit Fassung zu tragen. Er lächelte eher gequält und hielt Armin Laschet die rechte Faust hin. Der neue Parteichef erwiderte die Corona-Geste. Händeschütteln auf der Bühne des Parteitagsstudios in der Berliner Messe verbot sich in Pandemie-Zeiten. Umarmt hätten sich die langjährigen Rivalen aus Nordrhein-Westfalen vermutlich sowieso nicht.

Bei der Gratulation für den Sieger kam Merz kein Wort über seine künftige Rolle in der CDU über die Lippen. Auf Twitter schickte er zunächst die blumige Botschaft heraus, „es komme jetzt darauf an, dass wir alle gemeinsam im Team arbeiten für eine moderne und erkennbare CDU, die begeistert und Wahlen gewinnt“.

Zweieinhalb Stunden später legte der 65-Jährige mit einem Knaller nach: Er will Wirtschaftsminister werden. „Dem neuen Parteivorsitzenden Armin Laschet habe ich angeboten, in die jetzige Bundesregierung einzutreten und das Bundeswirtschaftsministerium zu übernehmen“, schrieb Merz.

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Verlierer Merz: Wird er nun Wirtschaftsminister?

Mit seiner Kompetenz und seinen Verbindungen in die Dax-Chefetagen wäre der erfolgreiche Wirtschaftsanwalt prädestiniert für das Amt. Aber würde die Kanzlerin mitten in einer tiefen Rezession einen Schlüsselminister austauschen? Noch dazu, wenn der Peter Altmaier heißt und einer ihrer treuesten Mitstreiter ist?

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Als Aktivposten gilt der Saarländer zwar schon lange nicht mehr. Aktuell gibt es wieder heftige Kritik aus der Wirtschaft an Altmaier, weil Corona-Hilfen nicht rechtzeitig fließen. Die Kanzlerin würde sich mit Merz aber einen Unruheherd ohne jegliche Regierungserfahrung in die Exekutive holen. Und das auf dem Höhepunkt der Corona-Jahrhundertkrise.

Es dauerte nur gut eine halbe Stunde, bis Merkel Merz abblitzen ließ. Sie will ihr Kabinett nicht umbilden. Abzuwarten bleibt, ob Merz‘ Vorstoß nun in der CDU als rein egoistischer Akt eines schlechten Verlierers dargestellt wird. Oder war da mehr? Gab es vor dem Parteitag nicht doch informelle Signale an ihn, er könne Verteidigungs- oder Wirtschaftsminister werden?

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Laschet muss das Merz-Lager ins Boot holen

Laschet muss dem Merz-Lager Angebote machen, um die Spaltung der Partei zu überwinden. Wohin mit dem Volkstribun Merz? Er erreicht die konservative Seele. Im ersten Wahlgang hatte er mehr Stimmen als Laschet. An der Parteibasis ist er ein Star. Hätten die 400.000 Mitglieder abgestimmt, der Gewinner hätte wohl ziemlich sicher Merz geheißen.

Hätte Laschet Merz ins Kabinett gedrückt, wäre das als ein Signal von Stärke und Beinfreiheit gegenüber der Kanzlerin gewertet worden. Am aussichtsreichsten wäre so ein Manöver im Verbund mit CSU-Chef Markus Söder gewesen.

In Andreas Scheuer gibt es einen mehr als angezählten Bundesverkehrsminister. Ihn könnte man durch CSU-Generalsekretär Markus Blume rasch ersetzen. Nur mag es Merkel eben nicht, wenn ihr andere reinreden. Annegret Kramp-Karrenbauer erlebte im Amt der Parteichefin, dass neben und unter Merkel eine sauerstoffarme Zone beginnt.

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Holen Merkel und Laschet Röttgen ins Kabinett?

Für einen Platz in Präsidium oder Vorstand kandidierte Merz nicht. Das war schon 2018 nach der Pleite so. Das will er nicht als Flucht vor Verantwortung verstanden wissen. Die CDU könne nicht nur von Männern aus NRW geführt werden. „Ins Präsidium wären bei meiner Bewerbung noch weniger Frauen gewählt worden. Ich habe mich deshalb entschlossen, zugunsten der Frauen auf eine Kandidatur zu verzichten.“

Außenseiter Norbert Röttgen übrigens wurde nach seinem achtbaren Ergebnis im ersten Wahlgang souverän ins CDU-Präsidium gewählt. Er sicherte Laschet Loyalität zu: „Du kannst Dich, Armin, voll auf meine Unterstützung verlassen.“

Ob Röttgen noch einmal auf Ministerweihen hoffen kann, ist offen. Merkel hatte ihn 2012 nach dessen vernichtender Niederlage als NRW-Spitzenkandidat als Bundesumweltminister rausgeworfen. Bald ist Merkel zwar Geschichte, aber Laschet und Röttgen sind sich nach vielen NRW-Kämpfen in herzlicher Abneigung verbunden. Den Röttgen zwischenzeitlich angebotenen Posten als künftiger Chef der Münchner Sicherheitskonferenz soll der 55-Jährige Außenpolitiker abgelehnt haben.

Wieder bleibt der wortgewaltige Merz unter seinen Möglichkeiten

Merz kann sich damit trösten, dass er im ersten Wahlgang sogar knapp vor dem Favoriten lag. Warum reichte es nicht zum Sieg? Merz gilt als begnadeter Rhetoriker. Am Samstag wirkte er - wie 2018 in Hamburg – überraschend gehemmt. Das lag sicher auch an der sterilen Digitalatmosphäre der Veranstaltung.

Zu Beginn seiner Rede schaute Merz wie wild nach links und rechts, als spreche er zu einem imaginären Parteitagspublikum. Dabei hätte er nur geradeaus in die Kamera gucken müssen. Die Delegierten saßen ja in ihren Büros und Wohnzimmern vor Fernsehern und Laptops.

Nach ein paar Minuten fing sich Merz. Mit Blick auf den Klimawandel und Corona gab er den Macher: „Nicht Angst und Verzagtheit, sondern Mut und Zuversicht sind angebracht. Die Welt geht morgen nicht unter.“ Auch zeigte er sich selbstkritisch.

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Merz versuchte, sein Chauvi-Image zu korrigieren

Offensiv thematisierte er das Chauvi-Image, das ihm seit vielen Jahren anhängt: „Ich weiß, dass wir in der Frauenpolitik besser werden und mehr tun müssen. Aber wenn ich wirklich ein ‚Frauenproblem‘ hätte, wie manche sagen, dann hätten mir meine Töchter längst die gelbe Karte gezeigt – und meine Frau hätte mich nicht vor 40 Jahren geheiratet.“

Zum Schluss des 15-Minuten-Auftritts war er bei sich. Im Stil eines CEO, eines Vorstandsvorsitzenden der einstigen Deutschland AG, appellierte Merz an die Delegierten: „Ich werde es mir nicht leicht machen, Ihnen aber auch nicht!“ Parteichef ist er damit nicht geworden. Unbequem wird Merz für die CDU bleiben.

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