Berlin. Bayern verhängt härtere Corona-Auflagen und bekommt dafür breite Unterstützung. Kommen bald Verschärfungen für ganz Deutschland?

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ist vorgeprescht. Der CSU-Chef hat die Republik am Sonntag mit seiner Ankündigung überrascht, wegen hoher Corona-Infektionszahlen strengere Kontaktbeschränkungen für den gesamten Freistaat zu verhängen. In bayerischen Hotspots soll es sogar nächtliche Ausgangssperren geben.

Inzwischen werden auch andernorts Forderungen nach einer Verschärfung der Maßnahmen laut, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Auch die eigentlich vorgesehene Lockerungen für die nahenden Feiertage stehen infrage, nachdem Söder in Bayern zumindest die großzügigeren Kontaktregelungen für Silvester zurückgenommen hat.

Ausgangssperren? Kanzleramtschef Braun für „richtig deutliche Verschärfungen“

Nun sprechen sich auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Kanzleramtschef Helge Braun (beide CDU) für schärfere Corona-Regeln aus. Mit Blick auf die derzeitigen Auflagen betonte Braun bei einer Veranstaltung der „Bild“-Zeitung: „Weil ein Lockdown dieser Art auf Dauer nicht funktioniert, müssen wir mindestens in den Hotspots noch einmal richtig deutliche Verschärfungen machen.“

Altmaier sagte, die Entwicklung der Zahlen liege „weit hinter unseren Erwartungen“ zurück. Man werde „sagen können und sagen müssen, dass unsere bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen, um die zweite Infektionswelle wirklich zu brechen“.

Braun betonte: „Die Bundesregierung hat die ganze Zeit gesagt: Wir wollen mehr machen.“ Die Zahl der Neuinfektionen müsse so schnell wie möglich auf unter 50 Fälle pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen gebracht werden. Wenn Kontakte konsequent beschränkt würden, wie dies in Frankreich und Belgien geschehen sei, sei dieses Ziel „innerhalb von drei Wochen zu schaffen“.

Corona-Gipfel: Weitere Gespräche zwischen Ministerpräsidenten und Merkel?

Ende November hatten Bund und Länder lediglich allgemein vereinbart, dass bei besonders hohen Infektionslagen mit einer Inzidenz von über 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern pro Woche noch einmal verschärfte Maßnahmen ergriffen werden.

Kanzleramtschef Braun sprach sich dafür aus, in den Hotspots mit einer Inzidenz von mehr als 200 bei älteren Schülern zum Distanzunterricht zurückzukehren. Wenn die Länder zu einem weiteren Corona-Gipfel bereit wären, „sind wir sofort dabei“.

Ursprünglich sollte das nächste Treffen zwischen Bund und Ländern erst am 4. Januar stattfinden. Söder hält aber ein Treffen der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor Heilig Abend für zwingend. „Ich bin mir sicher, dass wir uns noch einmal vor Weihnachten treffen“, man müsse sich wohl noch einmal unterhalten, was an den Feiertagen stattfinde.

Warnung vor Silvester-Partys als „Einfallstor“ für Coronavirus

Mit Blick auf Silvester sagte Braun, es sollte keine Partys geben. Bund und Länder hatten vereinbart, bei Familientreffen vom 23. Dezember bis 1. Januar zehn Personen plus Kinder zuzulassen. Der Spielraum sei gedacht gewesen für Menschen, die über Weihnachten arbeiten müssen. Diese Regelung dürfe aber kein Einfallstor für Millionen andere sein, Silvester Partys zu feiern.

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Braun warb dafür, Weihnachtsbesuche bis 27./28. Dezember zu beschränken. Das bayerische Kabinett hat die geplanten Lockerungen auf den Zeitraum vom 23. bis zum 26. Dezember begrenzt. Nun sind in Bayern nur noch vom Tag vor Heilig Abend bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag Treffen über zwei Hausstände hinaus mit bis zu maximal zehn Personen erlaubt.

Ansonsten dürfen maximal fünf Leute aus zwei Hausständen zusammen sein. Eine ähnliche Regelung hat bereits Baden-Württemberg. In Berlin sind über die gesamten Feiertage maximal fünf Leute erlaubt.

Sachsen derzeit mit den meisten Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner

Auch in anderen Bundesländern wird darüber nachgedacht, von Erleichterungen über die Feiertage abzurücken. SachsensMinisterpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte, es müsse „nachgesteuert“ werden in den Hotspots. „Wir werden da sicherlich im Laufe dieser Woche auch noch weitere Entscheidungen treffen“, sagte Kretschmer.

Unter den Bundesländern hat Sachsen derzeit den mit Abstand höchsten Wert an Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner pro Woche. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) von Montag lag dieser Wert zuletzt bei 322 Neuansteckungen.

Städtetag: Für einige Wochen stärkerer Lockdown notwendig

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte, er glaube, dass eine Ausgangssperre bei Inzidenzwerten über 200 notwendig sei. Auch werde die Politik „manches verbieten müssen – zum Beispiel Alkoholverkauf oder Alkoholnutzung in der Öffentlichkeit“.

Forderungen nach strengeren Auflagen kommen auch aus den Kommunen. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung(SPD), verlangte, wenn eine Inzidenz über 200 oder 300 erreicht werde, sei es „dringend geboten, auch noch einmal für einige Wochen einen stärkeren Lockdown zu machen“. Anders könne man die Situation nicht in den Griff bekommen.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach plädiert für deutschlandweit schärfere Beschränkungen und eine Schließung von Geschäften nach Weihnachten. Schulen und Geschäfte sollten mindestens bis zum Ende der ersten Januarwoche geschlossen bleiben.

Zahl der Covid-19-Toten in Deutschland steigt auf 19.000

Zudem bekräftigte Lauterbach seine Warnungen vor einem Silvesterfest mit Lockerungen der bisherigen Beschränkungen, „sonst haben wir Ende Januar noch einmal zusätzliche 25.000 Tote.“

Die Zahl der Neuansteckung in Deutschland bleibt auf hohem Niveau, auch wenn die Gesundheitsämter dem RKI zum Wochenstart wieder vergleichsweise wenig neue Corona-Infektionen gemeldet haben. Innerhalb eines Tages wurden 12.332 neue Fälle übermittelt. Das sind über 1000 Fälle mehr als am vergangenen Montag, als die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen bei 11.168 lag.

Zugleich meldeten die Gesundheitsämter 147 neue Todesfälle binnen 24 Stunden. Vor genau einer Woche hatte dieser Wert bei 125 gelegen. Der bisherige Höchststand von 487 Todesfällen war am vergangenen Mittwoch erreicht worden. Insgesamt sind in Deutschland damit seit Beginn der Pandemie 18.919 im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben.