Washington. Donald Trump droht den Gouverneuren. Warum? Dem amerikanischen Präsidenten gehen in Umfragen die religiöse Wähler-Klientel stiften.

Bevor Amerika ins lange Feiertagswochenende geht – am Montag gedenkt das Land traditionell seiner Kriegsgefallenen – gab es eigentlich keinen Grund für Donald Trump in der Coronavirus-Krise in alte Basta!-Allüren zu verfallen.

Viele Bundesstaaten haben nach wochenlangen Ausgehsperren und Bleibt-zuhause-Appellen individuelle Lockerungen genehmigt, um wieder so etwas wie Normalität einzuüben. Vielerorts sind – unter strengen Auflagen des sozialen Abstandshaltens – Golfplätze und Strände geöffnet, Geschäfte, Restaurants und Bars sowieso. Keine schlechten Voraussetzungen, um am „Memorial Day“ das Gefühl des Eingesperrtseins wenigstens ein bisschen abzulegen und kontrolliert Freiheit und Leichtigkeit zu leben. Alle weitere Nachrichten zur Corona-Krise in den USA lesen Sie im Ticker.

Der amerikanische Präsident hatte anderes im Sinn. Mit einer gezielten Attacke gegen vorzugsweise demokratische Gouverneure forderte Trump, unverzüglich Kirchen, Synagogen, Moscheen und andere Glaubensreinrichtungen zu öffnen. Andernfalls werde er sich über sie „hinwegsetzen“. Das alles hat einen profanen Grund: Trump steckt mental schon mitten im Wahlkampf um seine Wiederwahl.

US-Präsident Trump für Gottesdienstbesuche: „In Amerika brauchen wir mehr Gebete.“

Sein Plädoyer für uneingeschränkten Gottesdienstbesuch erinnerte an rhetorische Verrenkungen vor Ostern. Damals wünschte sich Trump, der es mit der Bibel nicht so hat, zum dritten Mal verheiratet ist und früher aktiv für Abtreibung eintrat, zum Entsetzen vieler Epidemiologen „volle Kirchenbänke“. Allerdings spielten quer durch die Konfessionen Bischöfe und andere Kirchenführer nicht mit.

Die folgten bis auf wenige Ausnahmen den dringenden Empfehlungen der staatlichen Seuchenschutzbehörde, sagten Messen und Gottesdienste ab, um nicht zur Verbreitung des Virus beizutragen, dem schon in der kommenden Woche 100.000 Amerikaner zu Opfer gefallen sein werden.

Heute liegen die Dinge etwas anders. In Bundesstaaten wie Kentucky, Texas, Virginia, Tennessee, Louisiana und Kalifornien haben einige Glaubenseinrichtungen den Rechtsweg eingeschlagen. Sie wollen die von den dortigen Gouverneuren verhängten Restriktionen für ihre seelsorgerischen Dienstleistungen nicht hinnehmen.

Trump trägt wieder keine Maske

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    Auf dieser Protestwelle will Trump mitsurfen. Der jahrelang durch Kirchen-Abstinenz aufgefallene New Yorker Geschäftsmann stellt nun fest, dass Kirchen „essenzielle Orte“ seien, die „essenzielle Dienste“ verrichteten. Seine Schlussfolgerung: „In Amerika brauchen wir mehr Gebete, nicht weniger.“

    Coronavirus in den USA: Gesundheitsbehörde soll Richtlinien erlassen

    Aus diesem Grund sollte die Gesundheitsbehörde CDC, die sich aus Konfliktscheu hier bislang bewusst zurückhielt, umgehend Richtlinien für die sofortige Wiedereröffnung von Gotteshäusern erlassen, sagte Trump am Freitag im Weißen Haus. Das ist nun geschehen: Verantwortlichen und Gläubigen wird dringend das Tragen von Masken, die Begrenzung der Besucherzahl, der Verzicht auf Gesänge und den Austausch von Gebetsbüchern empfohlen.

    Hintergrund: Die CDC war es, die erst kürzlich mit warnendem Unterton feststellte, dass sich von 92 Besuchern eines Gottesdienstes im ländlichen Bundesstaat Arkansas Mitte März 35 mit dem Coronavirus angesteckt hatten. Drei Kirchgänger starben. Auch in anderen Teilen des Landes wurden geballte Infektionszahlen auf Kirchenbesuche zurückgeführt.

    Obwohl inzwischen nur noch wenige Gouverneure in stark vom Coronavirus betroffenen Bundesstaaten den Kirchenbetrieb kategorisch ausschließen – fast überall wird im Einvernehmen mit den regionalen und lokalen Religionsvertretern nach verantwortbaren Kompromisslösungen gesucht – droht Trump pauschal mit präsidialer Intervention, falls die Gotteshäuser an diesem Wochenende nicht generell geöffnet werden. „Wenn sie das nicht tun, werde ich mich über die Gouverneure hinwegsetzen.“

    Trumps Wiederwahl: Zustimmung für Trump bröckelt

    Allein, Trump hat laut Verfassung „weder die Autorität noch das Mandat für einen Eingriff“, sagen Rechts-Professoren in US-Medien. Und sollte er Justizminister Bill Barr vorschicken, um einzelne Gouverneure zu verklagen, würde dies bis zur endgültigen Klärung Monate dauern.

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    Warum dann die große Pose? Der Grund könnte bei den Demoskopen zu suchen sein. Sie haben in den vergangenen Wochen bröckelnde Zustimmung bei einer für Trump im kommenden November entscheidenden Wählergruppe festgestellt, die ihn bereits 2016 stark unterstützt hatte: konservative Christen, Evangelikale, und weiße Katholiken. Sie sind Trump von März bis April in Umfragen des „Public Religion Research Institute“ in teilweise zweistelliger Prozentpunkte-Höhe von der Fahne gegangen.

    Ähnliche Trends hatte das Meinungsforschungsinstitut Pew erhoben. Im Weißen Haus wurden die Zahlen laut „New York Times“ und „Washington Post“ als Alarmsignale gewertet, die ein schnelles Gegensteuern erforderten. Darum Trumps Basta!-Auftritt kurz vor dem „Memorial Day“. Wahlkampf.