Berlin. Am Freitag beschloss die Thüringer CDU eine Kooperation mit Linken, SPD und Grünen. Die Bundes-CDU hat etwas gegen die Pläne.

Die Bundes-CDU lehnt nach den Worten von Generalsekretär Paul Ziemiak die Wahl eines linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow in Thüringen mit Hilfe der CDU ab. Wer von der CDU Ramelow wähle, verstoße gegen die Beschlüsse der CDU, sagte Ziemiak am Samstag in Iserlohn.

Nach dem Debakel in Thüringen vor zwei Wochen – FDP-Chef Thomas Kemmerich war mit den Stimmen der AfD zum zum Ministerpräsidenten gewählt worden – hatte sich die dortige CDU am Freitagabend mit der Linken, der SPD und der Grünen-Partei über künftige Formen der Zusammenarbeit geeinigt: Der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) soll am 4. März im ersten Wahlgang wiedergewählt werden.

Die nächste Landtagswahl soll am 25. April 2021 stattfinden. Doch jetzt brodelt es erneut in der CDU: Aus Berlin und vielen Landesverbänden kommt Kritik: Es gelte der Parteitagsbeschluss, der jegliche Kooperation mit AfD oder Linken untersagt.

Frage nach Zusammenarbeit habe Thüringer CDU „fast zerstört“

Bisherige Stimmen aus der CDU lassen viel über das gegenwärtige Klima innerhalb der Partei vermuten.

  • Der Thüringer CDU-Landrat Werner Henning sagte, die Frage nach einer Annäherung zur AfD oder zur Linken habe die thüringische CDU fast zerstört: „(...) Es hat die CDU zerrissen. Es hat sie fast zerstört. Denn wir standen alle am Abgrund.“
  • Friedrich Merz, als Kandidat für den Vorsitz der Bundes-CDU gehandelt, kritisierte die Thüringer Parteifreunde: Die Entscheidung der CDU in Thüringen, den Linken-Politiker Bodo Ramelow „zum Ministerpräsidenten auf Zeit mitzuwählen, beschädigt die Glaubwürdigkeit der CDU in ganz Deutschland“, sagte Merz der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.
  • „Die CDU in Thüringen hätte sich von Anfang niemals auf den verächtlichen Umgang mit unserer Demokratie durch die AfD einlassen dürfen“, fügte Merz hinzu, der als Anwärter auf den CDU-Parteivorsitz gilt.
  • Gesundheitsminister Jens Spahn schrieb dazu auf Twitter, er lehne eine Wahl von Bodo Ramelow durch die CDU ab: „Wir sind als Union in einer Vertrauenskrise. Die letzten Wendungen aus #Thüringen kosten weiteres Vertrauen. Es geht jetzt um die Substanz unserer Partei – nicht nur in Thüringen.“
  • Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) bekräftigte seine Ablehnung einer Zusammenarbeit seiner Partei mit der Linken. „Die Linkspartei ist rechtlich noch die alte SED. Wir hatten und haben Kollegen im Bundestag, die Opfer der Stasi gewesen sind“, sagte Schäuble dem „Handelsblatt“. In der CDU waren nach dem Zweiten Weltkriegs und dem Verbot der NSDAP dagegen ehemalige Mitglieder der Partei aktiv.

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Ex-Ministerpräsidentin Lieberknecht: Andere Verhältnisse in ostdeutschen Ländern

Thüringens Ex-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht hält die Vereinbarung ihrer Partei mit Rot-Rot-Grün dagegen für tragfähig. Die 61-Jährige war zuletzt selbst auf Vorschlag Ramelows als Übergangs-Ministerpräsidentin im Gespräch gewesen, hatte sich dann aber zurückgezogen, weil es Unstimmigkeiten über die Zusammensetzung der Regierung und Neuwahlen gab. Daraufhin legte sie der CDU eine Kooperation mit der Linken nahe.

Der Kompromiss sei eine „realpolitische Lösung“ und sorge für Stabilität im Regierungshandeln „für eine überschaubare Zeit bis zur Neuwahl“. Das sagte Christine Lieberknecht am Samstag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Über den parteiinternen Beschluss, der Zusammenarbeiten mit der AfD und der Linken verbietet, sagt Lieberknecht: „Das war sicher auch richtig. Aber in den ostdeutschen Ländern gibt es andere Verhältnisse.“

Berliner CDU-Chef: „Stich ins Herz unserer Partei“

In Berlin scheint man dafür wenig Verständnis zu haben. Der Berliner CDU-Chef Kai Wegner findet deutliche Worte für den Vorstoß in Thüringen: Die Wahl Ramelows würde „die Grundsätze der CDU verraten“, sagte Wegner am Samstag. Das wäre „ein Stich ins Herz unserer Partei“ und „eine historische Dummheit“.

Die CDU setze die Extreme von Links und Rechts nicht gleich, aber verhelfe beiden nicht zur Macht, erklärte der Berliner Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete weiter. „Die CDU Thüringen ist auf dem besten Weg, ihren politischen Kompass zu verlieren. Ich habe für diese selbstverschuldete Haltungskrise überhaupt kein Verständnis.“

Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt kritisiert CDU-Spitze

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hat das Nein der CDU-Führung zu der Vereinbarung in Thüringen kritisiert. „Es ist unverantwortlich, wie die Bundes-CDU aus ideologischen Gründen die Lage chaotisiert und damit eine sinnvolle Lösung für Thüringen infrage stellt“, sagte Göring-Eckardt unserer Redaktion. „Für einen Ausweg aus der Regierungskrise müssen alle Beteiligte einen Schritt aufeinander zu machen.“

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hatte seine Parteifreunde in Thüringen vor einer Wahl des Linkenpolitikers Bodo Ramelow zum Regierungschef gewarnt. Wer für Ramelow stimme, verstoße gegen christdemokratische Beschlüsse.

Ramelow geht fest von Mehrheit im Thüringer Landtag aus

Bodo Ramelow ist von seiner Wiederwahl im Landtag überzeugt. „Ich gehe fest davon aus, dass ich am 4. März im ersten Wahlgang ausreichend Stimmen aus den demokratischen Fraktionen erhalte, ohne auf AfD-Stimmen angewiesen zu sein“, sagte er der „Thüringer Allgemeinen“. „Diese Sicherheit habe ich in vielen individuellen Gesprächen gewonnen, die ich mit Abgeordneten anderer demokratischer Fraktionen führte.“

Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) rechnet fest damit, ohne Stimmen der AfD zum nächsten Ministerpräsidenten Thüringens gewählt werden zu können.
Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) rechnet fest damit, ohne Stimmen der AfD zum nächsten Ministerpräsidenten Thüringens gewählt werden zu können. © dpa | Martin Schutt

Ramelow erklärt gleichzeitig, dass keine entsprechenden Zusagen der CDU-Fraktion existierten. Die Vertreter von Linke, SPD und Grüne hätten am Freitag mit der Union nur die „inhaltliche Grundbasis“ einer stabilen Regierung bis zu Neuwahlen besprochen. „Es gibt keinerlei Vereinbarung mit der CDU, dass deren Fraktion mich wählt“, erklärte der Linke-Politiker. Darüber sei nicht einmal geredet worden. „Im Gegenteil: Wir haben stattdessen durchgängig darüber gesprochen, dass die Thüringer CDU natürlich ihre Bundesbeschlüsse beachten muss. Das war Ausgangslage und wurde von allen vier Fraktionen am Tisch respektiert.“

Linke, SPD und Grüne kommen im Thüringer Landtag gemeinsam auf 42 von 90 Stimmen. Für die im ersten Wahlgang erforderliche Mehrheit von 46 Abgeordneten ist Rot-Rot-Grün auf Stimmen aus CDU oder FDP angewiesen.

Mehr zur Thüringen-Krise in der CDU

Ist der Parteibeschluss der CDU sinnvoll? Unser Autor meint: Die CDU legt sich in Thüringen selbst Fesseln an, indem sie zu AfD und Linken die gleiche Distanz hält. Warum die geplante Regierungsbildung ein Tabubruch ist – aber ein vernünftiger. Die CDU hat noch viel zu tun, denn auch der Kanzlerkandidat der Partei steht noch nicht fest: Die Junge Union stellt Bedingungen an die neue CDU-Führung.

(MD/dpa/reba/fmg)