Berlin. Die große Koalition drückt sich vor ihren Hausaufgaben. Und sie gibt keine Antworten auf die Fragen beim Zukunftsthema Digitalisierung.

Wie viele Kabinettsmitglieder braucht man, um in Deutschland Digitalpolitik zu machen? Mindestens fünf, wenn es nach der aktuellen Bundesregierung geht: Neben dem Verkehrsminister und der Forschungsministerin auch den Wirtschafts- und den Kanzleramtsminister sowie eine Digitalstaatsministerin.

Außerdem mitspielen dürfen ein Digitalrat (Experten und Unternehmer) und ein Digitalkabinett (dieselben Mitglieder wie im normalen Kabinett, nur dass über Digitalisierung geredet wird). Von ungefähr allen, die auf dieser langen Liste stehen, ist dabei regelmäßig zu hören, dass Digitalisierung alle Bereiche des Lebens betrifft und grundlegend verändert. Das ist korrekt.

Digitalisierung in Deutschland: Viele Köche verderben den Brei

Und das ist auch der Grund, warum es 2018 zumindest nicht völlig absurd war, sich gegen ein einziges zuständiges Ministerium zu entscheiden und eine Aufgabe, die viele betrifft, auch auch auf viele zu verteilen. Man kann das so machen.

Nur: Diese Koalition kann das so offensichtlich nicht machen. Nach knapp zwei Jahren Digitalpolitik (oder was man so nennt) – die federführenden Ministerien und das Kanzleramt übrigens alle fest in Unionshand – drängt sich zur Bestandsaufnahme ein Sprichwort auf. Eines, das den Zusammenhang zwischen der Zahl der Köche und der Qualität des Digitalisierungsbreis beschreibt.

Zwei Prozent der Deutschen halten die Regierung für „sehr kompetent“

Die aberwitzige Lücke, die im Bereich künstliche Intelligenz klafft zwischen Anspruch („weltweit führendes Niveau“) und Wirklichkeit (bestenfalls Mittelfeld), ist da nur ein Beispiel. Andere wären die immer noch lückenhafte Mobilfunkabdeckung, der schleppende Breitbandausbau, die nach wie vor sehr analoge Verwaltungslandschaft.

Und weil genau in diesen Bereichen spürbar ist, ob es vorangeht oder eben nicht, ist das Vertrauen der Bürger in die Digitalisierungskompetenz der Bundesregierung – genauso wie das Handynetz – stark ausbaubar. Aktuell liegt der Anteil der Bürger, die Berlin in diesem Bereich für „sehr kompetent“ halten, bei zwei Prozent.

Keine Antworten auf die großen Fragen der Digitalisierung

Dabei ist es nicht so, als ob sich die Regierung nicht mit dem Thema beschäftigt hätte: Es gibt eine KI-Strategie, eine Blockchain-Strategie, eine 200-seitige Umsetzungsstrategie Digitalisierung. Darin findet man zum Beispiel Pläne für ein digitales Gesundheitsinformationsportal und ein Vorhaben zur Digitalisierung des nationalen Filmerbes. Ganz unironisch: Das sind lohnenswerte Projekte.

Aber von Antworten auf die elementaren Fragen, die Digitalisierung aufwirft, ist all das weit entfernt.

Wie wollen wir arbeiten? Wie viel müssen wir arbeiten? Wie gehen wir um mit Unternehmen, die mächtiger sind als viele Staaten und mehr über uns wissen als unsere Eltern oder unser Arzt? Und wie können wir dafür sorgen, dass es Alternativen zu diesen Unternehmen gibt?

Ein Forschungswettbewerb hier, ein Pilotprojekt da: Das reicht nicht

Je länger die Bundesregierung es versäumt, hier Vorschläge für Antworten zu machen, umso mehr von diesen Fragen werden andere beantworten. Ohne demokratische Kontrolle, ohne Möglichkeit für Bürger, Einfluss zu nehmen.

Ein Forschungswettbewerb hier, ein Pilotprojekt da: Das reicht nicht. Das wird der Dimension der Aufgabe nicht gerecht. In der Kleinteiligkeit, mit der Digitalthemen angegangen werden, wirkt die Bundesregierung wie ein Schüler, der erst einmal sein Zimmer aufräumt, mit dem Hund rausgeht, freiwillig Geschirr spült, bevor er endlich seine Hausaufgaben macht.

Plädoyer für ein Alles-aus-einer-Hand-Digitalisierungsministerium

Immerhin, die Erkenntnis, dass es so nicht geht, ist zumindest bei einem Teil der Regierung angekommen: Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung, hat sich kürzlich für ein Alles-aus-einer-Hand-Digitalisierungsministerium ausgesprochen. Jetzt muss sie nur noch die vielen anderen Zuständigen überzeugen.