Barcelona. Weltmeister Lewis Hamilton hat im Duell mit Max Verstappen nachgelegt und den Großen Preis von Spanien gewonnen. Sebastian Vettel ohne Punkte.

Zwei Drittel lang scheint Max Verstappen im Duell um die WM-Spitze ausgleichen zu können. Doch dann fängt Rekord-Weltmeister Lewis Hamilton mit einer gewagten Taktik und einer grandiosen Aufholjagd im Mercedes doch wieder ab: Der Große Preis von Spanien geht zum fünften Mal in Folge an den Briten, mit fast 16 Sekunden Vorsprung vor dem niederländischen Widersacher. Dritter wird pflichtgemäß Valtteri Bottas. Sebastian Vettel kommt einmal mehr auf einem enttäuschenden Rang 13 ins Ziel, Mick Schumacher auf dem ordentlichen 18. Platz.

Was für eine großartige Fahrt, nachdem Hamilton samstags schon die 100. Pole Position errungen hatte, folgt Rennsieg Nummer 98! Es wird schwer für Red Bull Racing die perfekte Kombination aus Team, Technik und Pilot in dieser Saison zu knacken. „Ihr beeindruckt mich immer wieder", jubelt Hamilton am Ende, „was für ein Tag!" Nach Siegen führt er jetzt Dreieins, nach WM-Punkten steht es 94:80 für ihn. Dabei hatte Verstappen ihn schon in der Tasche. „Aber ich habe es kommen gesehen und konnte nix tun. Ich war eine lahme Ente", klagt der Zweite nach dem Taktik-Thriller.

Sehr guter Start für Max Verstappen

Der Weg zur ersten Kurve auf dem Circuit de Catalunya ist nur halb so lang wie die berühmten Ramblas, aber das Gedränge ist ähnlich groß. Die saubere Seite der Startgeraden wird Lewis Hamilton zum Verhängnis, die nahezu unglaubliche Bestmarke von 100 Pole-Positionen ist im vierten Grand Prix der Saison schon vergessen, als es losgeht. Der Brite kommt zwar ganz gut weg, aber innen hat sein Gegenspieler Max Verstappen mehr Gummiablagerungen unter seinem Red-Bull-Honda, und deshalb zieht der Niederländer gleich am zweiten Mercedes von Valtteri Bottas vorbei. Verstappen drängt innen auf die entscheidende erste Kurve zu, Hamilton hält die Außenbahn. Sein Gegenspieler geht volles Risiko, bremst einen Tick später und zieht eiskalt rein. Die beiden besten Autos im Feld berühren sich vermutlich ganz leicht, aber Verstappen ist vorbei. Es ist sein 100. Grand Prix für Red Bull Racing, bei seinem Einstand 2016 in Katalonien hatte er auf Anhieb gewinnen können, nachdem die Silberpfeile von Hamilton und Rosberg kollidiert waren.

Mit freier Fahrt zieht Verstappen schnell um fünf Sekunden davon, ehe ihn der Ausfall des Honda-Motors von Yuki Tsunoda aus dem Nachwuchsrennstall Alpha Tauri einbremst. Der Japaner bleibt ungünstig stehen – zwei Runden Safety Car, Neustart. Jetzt in umgekehrter Reihenfolge, aber Hamilton ist zu weit weg. Verstappen, zuletzt anfällig für kleine Fehler, macht in der ersten Phase alles richtig. Auch sein Auto scheint im Renntrimm besser zu sein als der Mercedes. Hamilton fährt sich beim Versuch einer Aufholjagd die Pneus schneller runter, Verstappen behält die Kontrolle.

Taktik von Lewis Hamilton geht auf

Anders als seine Boxencrew, die sonst die schnellste der Formel 1 ist. Aber da klemmt es in der 25. Runde, statt unter zwei Sekunden ist die Standzeit doppelt so lang. Der linke Hinterreifen wird erst gebracht, als das Auto schon da ist – ein Missverständnis. Lewis Hamilton bleibt draußen, gleich drei Runden lang. Eine gewagte Taktik, zumal er vom russischen Verkehrshindernis Nikita Mazepin so sehr eingebremst wird, dass der erboste Mercedes-Chef Toto Wolff die Rennleitung anbrüllt, blaue Überholflaggen zu zeigen. Doch zu retten ist das nicht mehr, Hamilton als Zweitem fehlen am Ende wieder fünf Sekunden auf Spitzenreiter Verstappen. Die Taktik zielt aber darauf ab, Verstappen am Ende mit noch etwas besseren Reifen noch einzuholen. So kommt eben doch noch Spannung in die zweite Rennhälfte.

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Hamilton fängt wieder von vorn an, den Rückstand abzuschmelzen. Jetzt wird entscheidend sein, wer mit den Reifen auf dem aggressiven Asphalt von Barcelona besser umgeht. Immerhin ist auch Bottas wieder am Ferrari von Charles Leclerc auf Rang drei hochgerückt. Hamilton scheint keine Lust zu haben, lange zu warten, er ist zwischenzeitlich schon im Überholfenster, bis auf eine halbe Sekunde dran. Der Routinier zeigt sich im Rückspiegel, legt sich den Vordermann zurecht, steckt dann aber wieder zurück. Alles wichtig für den Reifenpoker ganz am Ende. Verstappen heult fast: „Es ist verrückt, Die haben so viel mehr Grip..." Sagt's und schon versucht Hamilton einen überraschenden Undercut in der 43. Runde, holt frische Reifen. 22 Sekunden muss er aufholen, das schreckt sogar einen Rekordweltmeister. Sein Renningenieur beruhigt: „Das hast Du schon mal geschafft..." Ein Vabanque-Spiel, das in der 66. und letzten Runde entschieden werden könnte. Passieren darf da nix, aber Hamilton macht eine Sekunde pro Umlauf gut. Sein Motor ist im Party-Modus. Verstappen hat jetzt richtig Grund zu heulen: „Ich sehe keine Chance, wie ich bis zum Ende durchhalten soll." Dieses Duell wird auf der Reifenoberfläche entschieden.

15 Runden noch, da hat Hamilton schon den Kollegen Bottas eingeholt, der Finne täuscht zumindest Wehrhaftigkeit an – das könnte sich für Mercedes am Ende rächen. Jetzt sind es noch zehn Sekunden ganz nach vorn. Verstappen kontert die Hinweise seines Renningenieurs nur noch mit Schimpfworten. Hamilton fährt weiter um die Wette mit sich selbst, jetzt zwei Sekunden schneller im Fernduell. „Viel Gummi werde ich am Ende nicht mehr drauf haben", sagt er zu seinem Ingenieur. Der muss wohl ein Schmunzeln unterdrücken: „Verstappen wird noch weniger haben..." Sechs Runden vor Schluss ist Hamilton ganz breit im Red-Bull-Rückspiegel – und außen rum vorbei. Toto Wolff reißt in der Box die Arme wie nach einem Tor im WM-Finale hoch. Verstappens Wechsel auf die weichsten Reifen nützt dann nix mehr. 25 Sekunden Rückstand bei nur noch 20 Kilometern sind uneinholbar, immerhin bleibt der Ehrenpunkt für die schnellste Rennrunde. Doch der Sieger von Barcelona heißt zum fünften Mal in Folge Hamilton.