Basel/Barcelona. Gladbachs Torhüter Yann Sommer hat der Elfmeter-Bilanz von Spaniens Kapitän Sergio Ramos einen Knick verpasst. Schweizer hält zwei Strafstöße.

Lange hatte Sergio Ramos auf diesen Abend hingearbeitet. In Freundschaftsspielen ließ er sich zuletzt eigens kurz vor Schluss einwechseln, um den Italiener Gianluigi Buffon als europäischen Rekordinternationalen abzulösen. Am Samstag in der Schweiz war es nun soweit: Ramos bestritt sein 177. Länderspiel, die spanischen Zeitungen waren seit Tagen voll mit Elogen über ihren charismatischen Kapitän, und wie bestellt gab es zum Festtag dann nicht nur einen Elfmeter, sondern sogar zwei. Ramos’ Spezialdisziplin. Die letzten 25 hatte er allesamt verwandelt.

In der 57. Minute lief der Abwehrchef erstmals an. Wie immer verzögerte er lange, und wie viele Keeper blieb Yann Sommer im Schweizer Tor lange stehen. Härte bekommt der Schütze dann nicht mehr hinter den Ball, aber normalerweise reicht Präzision, ein flacher Schuss ins Eck. Doch Sommer war schnell unten, sehr schnell. Er parierte.

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80. Minute, wieder Elfmeter. Spaniens Nationaltrainer Luis Enrique sagte noch etwas zu ihm – an den Inhalt wollte er sich später nicht mehr erinnern. Als Ramos anlief, lächelte ihm Sommer ins Gesicht. Der Torwart täuschte nun seinerseits an, kniete sich kurz ab, richtete sich wieder auf. Der stolze Ramos wollte es ihm umso mehr heimzahlen, doch sein missglückter Schnibbler („Panenka“) endete quasi direkt in Sommers Armen.

Luis Enrique: Ramos hätte auch dritten oder vierten Elfmeter geschossen

„Hätte es noch einen dritten Elfmeter gegeben, hätte ihn auch Ramos geschossen, und einen vierten genauso“, beharrte Luis Enrique später, der Trainer versteht sich nicht umsonst glänzend mit seinem Abwehrchef: er ist genauso stur. Wer Ramos’ Vorliebe zum letzten Wort kennt, kann sich schon mal auf das Champions-League-Duell am finalen Gruppenspieltag zwischen Real Madrid und Mönchengladbach freuen – dann gibt es ein Wiedersehen mit Sommer. In Basel wahrte Ramos immerhin insofern das Gesicht, als er in seinem Kernjob einmal auf der eigenen Torlinie rettete. Insgesamt konnte Spanien einen Rückstand (Remo Freuler, 26.) gegen dezimierte Schweizer (Platzverweis Nico Elvedi, 79.) nur noch zum 1:1 ausgleichen (Gerard Moreno, 89.).

Am Dienstag in Sevilla gegen Deutschland muss man daher gewinnen, um das Final Four der Nations League zu erreichen. „Wie ein EM-Viertelfinale“, definiert Luis Enrique die Partie, und daraus ergibt sich für sein Team besondere Brisanz. Denn seit Ende der großen Ära mit drei Titeln zwischen 2008 und 2012 hat Spanien kein Spiel mehr gewonnen, in dem es um den Aufstieg in eine nächste Runde ging. Zuletzt wurde in der Nations League 2018 eine perfekte Ausgangslage mit zwei Pleiten noch versemmelt.

Spanien mit nur einem Sieg aus den letzten fünf Spielen

Nun bekommt Luis Enrique eine weitere Chance, sein Image als Siegertyp aufzupolieren. 2018 wurde er auch deshalb angeheuert, weil man sich nach Jahren des Laissez-faire eine härtere Hand wünschte. Der betont furchtlose Ex-Coach des FC Barcelona, der fürs Teambuilding schon mal in Militärklamotten zum Paintball bittet, gestattet außer Ramos niemandem Privilegien oder auch nur Nominierungssicherheit. Statt Baustellen zu schließen, macht er bewusst immer neue auf. In der Schweiz etwa zog er dem bisherigen Stammkeeper David de Gea überraschend den Neuling Unai Simón vor.

Die Strategie lautet, den Kreis aus aktuell vielen guten, aber wenig außergewöhnlichen Spielern möglichst groß zu halten und dann jeweils nach Formstärke aufzustellen. Flankiert wird sie von gutem Zureden. „Meine Mannschaft unterhält mich, sie gefällt mir und ich gehe mit ihr bis an Ende der Welt“, so Luis Enrique in Basel. Auf dem Weg dahin hat Spanien allerdings nur eines der letzten fünf Spiele gewonnen, dabei nur drei Tore geschossen – und nun auch noch einen unfehlbaren Elfmeterschützen verloren.