Tokio. Einst wurde Andrea Herzog belächelt und für zu leicht befunden. Nun holte sie bei der Olympia-Premiere im Canadier eine Medaille.

Slalomkanutin Andrea Herzog verfolgte die Entscheidung bei der Olympia-Premiere ganz cool, nach dem Bronze-Coup herzte sie ihren Trainer, ehe sie ihrem Freund Philipp Reichenbach in die Arme fiel. "Ich bin gerade überglücklich, ich kann es nicht fassen. Die anderen sind super gefahren", sagte sie.

Solide Fahrt zu Bronze von Andrea Herzog

Die Anderen, das waren die mehrmaligen Weltmeisterinnen Jessica Fox aus Australien und Mallory Franklin aus Großbritannien, die im Einer-Canadier im Kasai Canoe Slalom Centre in Tokio Gold und Silber holten. Auch die 21-Jährige Herzog zeigte am Donnerstag ein enormes Gefühl beim Tanz um die Stangen und fuhr solide zu Bronze. Für das deutsche Kanuslalom-Team ist es nach Gold durch Ricarda Funk und Bronze durch Sideris Tasiadis bereits die dritte Medaille bei den Sommerspielen in Tokio. Dies gelang zuletzt bei Olympia 1996 in Atlanta.

Sportsoldatin Herzog hatte auf der anspruchsvollen Strecke im 25-Stangen-Labyrinth einen Rückstand von 6,09 Sekunden auf die Olympiasiegerin. Herzog leistete sich genau wie Franklin einen Fehler, Fox blieb bei ihrem Lauf dagegen fehlerfrei. Vorsichtig fuhr Herzog, kein volles Risiko ging sie - es war eine solide Fahrt zu Olympia-Bronze.

Vorläufe Bilanz macht Kanu-Funktionär glükcklich

Präsident Thomas Konietzko vom Deutschen Kanu-Verband war nach der dritten Medaille im dritten Wettbewerb happy. "So ein Abschneiden gab es in der Olympia-Geschichte im Kanuslalom lange nicht. Das gibt uns Zuversicht für den vierten Wettbewerb mit Hannes Aigner und für die Rennkanuten", sagte Konietzko.

Die im sächsischen Meißen geborene Herzog reiste mit dem Selbstbewusstsein eines Weltcupsieges nach Tokio. Bei der Olympia-Generalprobe auf der Heimstrecke in Markkleeberg bei Leipzig bezwang sie mit einem fast perfekten Lauf die komplett versammelte Weltelite. "Den Sieg hake ich gleich wieder ab, in Tokio geht es bei Null los", sagte sie. Ohnehin liebt die Leipzigerin es lieber defensiv und ruhig. Zudem wollte sie den ohnehin vorhandenen Druck nicht noch vergrößern. "Ich muss jetzt nicht unbedingt eine Medaille bei Olympia holen", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur und fügte an: "Ich bin noch jung und habe auch 2024 in Paris noch eine Chance."

Doch Drucksituationen sind ihr nicht fremd: Nach ihrem Überraschungssieg bei der WM 2019 - da war sie selbst erst 19 Jahre - wurde es spannend. "Ich habe erstmal etwas gebraucht, um mit der Verantwortung und der Drucksituation klar zu kommen", sagt sie offen und ehrlich. Daher war sie auch über die Olympia-Verschiebung um ein Jahr nicht traurig. "Da hatte ich mehr Zeit, um mich mit der Situation anzufreunden."

Das kannte sie auch aus ihrer Kindheit: Bei ihren ersten Paddelversuchen wurde sie für zu leicht befunden - und belächelt. In jungen Jahren, wo sie viel mit der Familie im Kanu unterwegs war, machte sie mit ihrem Bruder Robert einen Ausflug in Slowenien zum wilden Fluss Soča. Beim Anblick der damals noch jungen Schülerin war der verantwortliche Instrukteur pessimistisch. Zu zierlich, zu klein und zu kraftlos gegen das wilde Wasser - so sein Urteil. Andrea Herzog belehrte ihn eines besseren und bezwang die Strömungen und Wasserwalzen beeindruckend - so wie bei ihrer Olympia-Premiere in Tokio. (dpa)