Essen. Horst Eckel ist verstorben. Er war der letzte lebende Weltmeister von 54 - und stolz darauf, dass ihn das Wunder von Bern nicht verändert hatte.

Es gibt große Fußballer, die sich selbst auch für solche halten. Die sich ihrer Wirkung bewusst sind, die großspurig auftreten, weil sie sich wichtig nehmen.

Horst Eckel war nie so.

Er war Weltmeister. Einer der Helden von Bern. Einer von elf deutschen Fußballern, die 1954, erst neun Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, Sportgeschichte schrieben. Er hätte sich tatsächlich etwas einbilden können auf das Geleistete und Erreichte. Doch nichts wäre ihm fremder gewesen.

Horst Eckel: „Ich bin immer derselbe geblieben“

Wer das Glück hatte, diesen Mann treffen zu dürfen, erlebte einen Menschen, der sich mit keinem Wort überhöhte. Dessen Bescheidenheit bewundernswert war. Auch der Weltmeistertitel habe ihn nicht verändert, versicherte er bei einem Interviewtermin vor sechs Jahren in Essen. „Ich bin immer derselbe geblieben. Das ist mir oft bestätigt worden, und darauf bin ich auch ein bisschen stolz.“ Bis ins hohe Alter erzählte er gerne, wie sie damals überhaupt zu Weltmeistern werden konnten. Seine Erklärung, so simpel wie logisch: „Wir waren eine Mannschaft.“

Am Freitag ist Horst Eckel im Alter von 89 Jahren verstorben.

Im Himmel wird er sich nicht einsam fühlen. Seine Freunde von damals sind alle vor ihm gegangen, er war der letzte noch lebende Weltmeister von 1954. Jetzt hat Sepp Herberger, von seinen Spielern hochachtungsvoll „der Chef“ genannt, sie alle wieder um sich.

Fünf Spieler aus Kaiserslautern waren dabei

Horst Eckel war der Jüngste im Team der Legenden, 22 beim Titelgewinn. Er gehörte zum Block aus Kaiserslautern, mit Fritz Walter, Ottmar Walter, Werner Liebrich und Werner Kohlmeyer. Der FCK war in jenen Jahren das Nonplusul­tra des deutschen Fußballs. „Mein Lehrmeister“, sagte Horst Eckel voller Ehrfurcht, wenn er über Fritz Walter sprach, den Anführer.

Ernste Gesichter nach großem Triumph: (vorn von links) Sepp Herberger, Fritz Walter, Toni Turek, Horst Eckel und Helmut Rahn.
Ernste Gesichter nach großem Triumph: (vorn von links) Sepp Herberger, Fritz Walter, Toni Turek, Horst Eckel und Helmut Rahn. © Imago

Horst Eckels Rolle war eine andere. Im alten System übernahm er die Position des rechten Außenläufers, er war sich für keinen Weg zu schade. Sie nannten ihn „Windhund“.

Steinreich hätte der Pfälzer werden können, wenn zu seiner Zeit die Verhältnisse von heute gegolten hätten. Horst Eckel ist nicht nur seinem FCK immer treu geblieben. Er musste sich auch noch um die Karriere nach der Karriere kümmern, er hatte noch nicht ausgesorgt. Die WM-Prämie betrug damals 1000 Mark, und die besondere Belohnung für jeden Spieler aus der Final-Elf war, Achtung: ein Goggomobil-Motorroller. Horst Eckel wurde Realschullehrer für Sport und Werken. Er versicherte, dass es ihm nie um ein dickes Bankkonto ging. Familie, Freunde, Werte wie Zusammenhalt, auch die Freude über die sportlichen Erfolge – all das, betonte er, war ihm wichtiger.

Wenn er in den vergangenen Jahren als letzter Vertreter dieser großen Mannschaft bei Veranstaltungen zu Gast war, achtete er immer darauf, den „Geist von Spiez“, benannt nach dem Ort des Teamhotels am Thunersee in der Schweiz, lebendig zu halten. Aber wollte überhaupt jemand daran zweifeln, dass sie eine Einheit waren? Das Wunder von Bern hätten sie sonst nicht schaffen können.

Sie trugen ihn auf Schultern

Denn es waren die Ungarn, die damals als weltbeste Mannschaft galten, vor allem Ferenc Puskas wurde weltweit bewundert. Als der Kapitän den Favoriten im Endspiel schon nach sechs Minuten in Führung brachte, schien alles den erwarteten Verlauf zu nehmen. Und schon zwei Minuten später musste man annehmen, dass dieses Spiel früh vorentschieden war: Denn da brachte Zoltan Czibor die Ungarn mit 2:0 in Führung.

Finalszene: Horst Eckel (links) und Ferenc Puskas.
Finalszene: Horst Eckel (links) und Ferenc Puskas. © Imago

Der Rest ist große Fußballgeschichte. Max Morlock, 10. Minute, 1:2. Helmut Rahn, 18. Minute, 2:2. Schon dieser frühe Ausgleich: hochdramatisch, völlig unerwartet. Und dann kam die 84. Minute, dann schoss Helmut Rahn aus dem Hintergrund, dann war die Sensation im Dauerregen von Bern perfekt. 3:2, der Weltmeister hieß Deutschland. Nach dem Abpfiff wurde auch Horst Eckel auf Schultern getragen.

Nie mehr danach hatte der Ausgang eines Fußballspiels hierzulande eine solche Auswirkung auf die Befindlichkeit der ganzen Nation. Neun Jahre nach dem verlorenen Krieg waren dessen Folgen noch sicht- und spürbar. Auf einmal gab es in Deutschland einen Grund zu kollektiver Freude. Als die Mannschaft im Sonderzug nach Hause fuhr, wurde sie an jedem Bahnhof groß gefeiert, mehr als eine Million Menschen standen jubelnd an der Strecke. „Beim Schlusspfiff wussten wir, dass wir Weltmeister sind. Aber was das für die Leute zu Hause bedeutet, haben wir erst gemerkt, als wir wieder deutschen Boden betreten haben“, erzählte Horst Eckel.

Er genoss es, mittendrin zu sein. Aber ein Held? „Das Wort Held höre ich nicht so gerne“, sagte er. Er sei doch „immer mit den Füßen auf dem Boden geblieben“.

Horst Eckel hinterlässt seine Frau Hannelore und seine beiden Töchter Susanne und Dagmar. Die Familie hatte eine große Feier zu seinen Ehren geplant, am 8. Februar des kommenden Jahres wäre er 90 geworden. Eine Woche vor seinem Tod hat eine aus Sportjournalisten bestehende Jury Horst Eckel noch in die Hall of Fame des deutschen Fußballs berufen, die im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund beheimatet ist. Dessen Direktor Manuel Neukirchner berichtet Tröstliches: „Ich weiß, dass er sich hierüber sehr gefreut hat.“