Berlin. Kontakt halten mit den Angehörigen ist auch in Corona-Zeiten in Alten- und Pflegeheimen ein Problem. Es gibt oft keinen Internetzugang.

Oma oder Opa im Pflegeheim besuchen – das ist für viele Familien zwischen Weihnachten und Neujahr auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie oft nur mit starken Einschränkungen oder mancherorts auch gar nicht möglich. Doch auch ein Videoanruf mit Zoom, Facetime und Co. scheitert in vielen Fällen. Viele der über 820.000 Bewohnerinnen und Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen in Deutschland sind auch im ausgehenden Jahr 2021 gezwungenermaßen offline.

Nur ein Bruchteil der Senioren und Seniorinnen kann sich in den Einrichtungen über einen drahtlosen Internetzugang mit dem Rest der Welt verbinden. Eine lückenlose Versorgung aller Zimmer mit Wlan bietet bislang kein einziger der führenden Heimbetreiber. Das zeigt eine Umfrage des Vergleichsportals Verivox unter den 20 größten Anbietern, die unserer Redaktion vorab vorliegt.

Einige Betreiber wollen Internetzugang bald in allen Heimen anbieten

Verivox hatte die 20 größten Betreiber von Senioren- und Pflegeheimen in Deutschland angefragt, darunter 17 private und drei gemeinnützige Anbieter. In ihren 1725 Häusern bieten sie rund 174.000 Pflegeplätze. Einen Spitzenplatz nimmt dabei die Alloheim-Gruppe ein. Dort hätten die Bewohnerinnen und Bewohner in rund zwei Drittel der Einrichtungen einen Wlan-Zugang. Und: „Möglichst zeitnah“ soll der drahtlose Internetzugang in allen Heimen zur Verfügung stehen.

Auch interessant: Smartphones und Handys für Senioren: Fünf Modelle im Test

Die Korian-Gruppe gab zum Umfragezeitpunkt im Spätsommer an, dass 149 der 252 Seniorenheime mit Wlan ausgestattet seien. Bis zum Jahresende sollten alle Häuser einen Zugang erhalten. In den Pflegeheimen der Deutschen Wohnen gibt es den Internetzugang an jedem zweiten Standort. Die K&S-Gruppe meldete Wlan für alle 35 Häuser, jedoch oft nur an zentralen Plätzen. Auf den Zimmern gebe es in einem Viertel der Heime Empfang. Pro Jahr sollen bis zu zehn Standorte nachgerüstet werden.

Die gemeinnütze Evangelische Heimstiftung bietet Senioren in 31 ihrer 90 Häuser einen Internetzugang – bis zum Jahresende sollten 15 weitere hinzukommen. Völlig ohne Internetzugang sind die Bewohnerinnen und Bewohner bislang bei der Schönes-Leben-Gruppe – dies soll sich den Angaben zufolge aber ändern.

Einige Betreiber – darunter der AWO-Bezirk Westliches Westfalen, die Azurit-Hansa-Gruppe, Charleston, Dorea, Emvia Living und Kursana Residenzen – wollten laut Verivox keine Auskunft zur Internetversorgung in ihren Häusern geben – andere hätten trotz mehrfacher Nachfrage nicht reagiert.

Pflegebeauftragter kritisiert „Einbuße an Lebensqualität“

Das Thema bewegt auch die Politik. „Kein Internet in einer stationären Pflegeeinrichtung bedeutet für die Bewohner eine erhebliche Einbuße an Lebensqualität“, sagt der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, unserer Redaktion. „Gerade in der Pandemie, aber auch wenn die Angehörigen weiter weg wohnen, entfällt so auch eine wichtige Möglichkeit für Sozialkontakte. Die Betroffenen würden ohne Wlan gesellschaftlich abgehängt.

Für Westerfellhaus geht es beim Internetzugang für Hunderttausende Senioren in Heimen nicht um eine Zukunftsfrage, „sondern eine selbstverständliche Notwendigkeit“, betont er. Für den Pflegebevollmächtigten handele es sich auch kaum um eine Finanzierungsfrage, denn es gebe für die Betreiber genug Fördertöpfe. „Daher sind alle Einrichtungsträger aufgefordert, hier sofort zu handeln.“

Geschehe dies nicht freiwillig, müsse der Gesetzgeber den Anspruch gesetzlich durchsetzen. Zuvor hatte bereits die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen eine Ausrüstung aller rund 12.000 Alten- und Pflegeheime in Deutschland mit Wlan gefordert.

Mehr zum Thema:Internet und Smartphone – diese neuen Rechte haben Kunden

Internetzugang: Kosten betragen mehrere hunderttausend Euro für ein großes Heim

Wie hoch die Kosten für den drahtlosen Internetzugang in jedem Zimmer eines Heims sind, hat die Evangelische Heimstiftung in der Verivox-Umfrage aufgeschlüsselt. So werden für die komplette Ausstattung einer kleinen Einrichtung samt Verkabelung rund 90.000 Euro fällig. Bauzeit: rund sechs Wochen. In einem großen Haus mit rund 130 Plätzen dauere die Ausrüstung rund drei Monate – und koste stolze 270.000 Euro. Die Organisation hat im Jahr 2020 ein sieben Millionen Euro starkes Wlan-Investitionsprogramm gestartet.

Beim Internetzugang in Pflegeheimen geht es aber nicht nur um den Kontakt der Bewohnerinnen und Bewohner mit ihren Angehörigen. Schließlich gibt es in der Branche etliche Digitalisierungsprojekte wie technische Assistenzsysteme oder auch die Telemedizin, wie Verivox-Experte Jens-Uwe Theumer anmerkt. „Eine flächendeckende breitbandige Internetversorgung ist Voraussetzung auch für digitale Projekte in der Pflege“, betont er. Weiterlesen:Corona: Pflegeheime werden wieder zur Gefahrenzone

Doch nicht immer liegt der fehlende drahtlose Internetzugang nur am mangelnden Willen der Betreiber. So merkte etwa Alloheim in der Umfrage an: Insbesondere auf dem Land sei es schwierig, für das Haus einen schnellen Internetanschluss zu bekommen, der das ganze Haus versorgen kann – entsprechende Breitband-Anschlüsse fehlen noch immer in vielen Teilen des Landes.