Berlin. Die Lokführer sind dafür, dennoch schließt GDL-Chef Weselsky unbefristete Streiks aus. Wie geht der Arbeitskampf bei der Bahn weiter?

Claus Weselsky scheut den Konflikt nicht. Das hat der Chef der Lokführergewerkschaft GDL oft genug bewiesen. In der Regel legt er sich jedoch mit der Deutschen Bahn an oder sorgt für Ärger bei den Kundinnen und Kunden, wenn wegen eines Streiks Züge ausfallen. Nun, so scheint es, sucht er die Konfrontation mit seinen Gewerkschaftsmitgliedern.

Die hatten sich zuletzt klar für einen unbefristeten Arbeitskampf bei der Deutschen Bahn ausgesprochen. In einer Urabstimmung stimmten 97 Prozent der Befragten für diese Möglichkeit. Das Ergebnis liegt deutlich über der notwendigen Zustimmung von 75 Prozent.

Für GDL-Chef Claus Weselsky ist das eigentlich eine starke Rückendeckung. Dennoch erteilte er unbefristeten Streiks am Mittwoch eine Absage. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk betonte er, die GDL sei sich ihrer Verantwortung bewusst und wiederholte gleichzeitig, dass er die Schuld für den andauernden Tarifkonflikt bei der Bahn sehe.

Deutsche Bahn: Ab 8. Januar drohen Streiks

Erneut hob Weselsky auch hervor, dass es ab dem 8. Januar zu Streiks kommen werde. Diese will die GDL 48 Stunden vorab ankündigen. Bis zum 7. Januar gilt ein Weihnachtsfrieden, auf den sich die Gewerkschaft im Tarifkonflikt eingelassen hatte. Doch danach wird es wohl einen umso härteren Arbeitskampf geben, wie Weselsky angekündigt hat.

Die Urabstimmung richtete sich nicht nur an die Deutsche Bahn. Auch bei einer Reihe privater Bahnen machten die Mitglieder den Weg für einen unbefristeten Arbeitskampf frei. Eine Lösung des Konfliktes ist nicht in Sicht. „Nur mit einem zufrieden stellenden Angebot zur Absenkung der Arbeitszeit und einer spürbaren Entgelterhöhung ist die Wiederaufnahme und gütliche Einigung der Verhandlungen möglich“, stellte der GDL-Chef klar.

Beim Geld könnten sich beide Seiten wohl schnell einig werden. Die GDL verlangt 555 Euro monatlich mehr, sowie eine Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro. Die Arbeitgeber bieten durchschnittlich elf Prozent mehr Lohn an. Bei der 32-monatigen Laufzeit, die von der Bahn angeboten werden, liegen beide Seiten noch weit auseinander. Die GDL will nur für zwölf Monate abschließen.

Der Knackpunkt im Tarifstreit bei der Bahn: Die Arbeitszeit

Der wohl entscheidende Knackpunkt ist jedoch die Arbeitszeit. Schichtarbeiter sollen nach Vorstellung der Gewerkschaft bald nur noch 35 Stunden in der Woche arbeiten, drei Stunden weniger als bisher und das bei einem vollen Lohnausgleich. Das lehnt der Personalvorstand der Bahn, Martin Seiler, bisher rundweg ab. Als Begründung führen die Arbeitgeber enorm hohe Kosten dafür an. Außerdem müsste das Personal in diesem Bereich um zehn Prozent aufgestockt werden. Das sei angesichts des Fachkräftemangels unmöglich, argumentiert Seiler.

Ab dem 8. Januar könnte es bei der Bahn wieder zu Streiks kommen.
Ab dem 8. Januar könnte es bei der Bahn wieder zu Streiks kommen. © DPA Images | Thomas Banneyer

Die GDL liegt darüber nicht nur mit dem Branchenprimus im Streit. Auch kleinere private Bahnen verweigern der Gewerkschaft noch eine Arbeitszeitverkürzung. Nur bei einem Unternehmen kann Weselsky einen Erfolg vorweisen. Das im Nahverkehr tätige Unternehmen Natinera, eine Tochter der italienischen Staatsbahn, hat einer schrittweisen Absenkung der Arbeitszeit ab 2025 zugestimmt.

Mit Streiks mussten sich die Fahrgäste in diesem Jahr mehrfach abfinden. Zunächst legte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) im Frühjahr und Sommer den Verkehr zwei Mal lahm. Eine weitere Streikandrohung der größeren Bahngewerkschaft sorgte noch für viel Verunsicherung bei den Kunden, auch wenn ein Gericht den Ausstand indirekt stoppte. Im Dezember rief dann die GDL zu ersten Warnstreiks auf. Der wirtschaftliche Schaden für die Deutsche Bahn dürfte Millionen betragen. Doch nachgeben will das Unternehmen an den entscheidenden Stellen immer noch nicht.

Rivalität der verschiedenen Gewerkschaften

Es gibt im Hintergrund der Entgeltverhandlungen noch einen weiteren Knackpunkt. Die GDL hat den Anspruch, für alle Mitglieder der rund 300 Eisenbahnbetriebe des Konzerns Tarifverträge abzuschließen. Tatsächlich werden die Tarifverträge der GDL nur in 18 Betrieben angewendet. Grund ist das Tarifeinheitsgesetz (TEG). Es sieht vor, dass in jedem Betrieb nur der Vertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern dort angewendet wird.

Diese Mehrheit schreiben die Arbeitgeber in den meisten Betrieben der EVG zu. Es ist durchaus möglich, dass die GDL in diesem Arbeitskampf auch die Anwendung ihrer Verhandlungsergebnisse in den Betrieben der Infrastruktur oder der Werkstätten durchsetzen will. Bisher gelten ihre Vereinbarungen vornehmlich für das Personal in den Zügen, Lokführer und Zugbegleiter. Eine Ausweitung lehnen die Arbeitgeber rundweg ab und verweisen auf die geringe Mitgliederzahl in diesen Bereichen.