Berlin. Die Wirtschaftsweisen empfehlen der Regierung, zum Klimaschutz einen Preis für Treibhausgase einzuführen. Wie das aussehen könnte.

In einem sind sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr oberster wirtschaftspolitischer Berater, Christoph Schmidt, einig: Die Einführung eines Preises für Treibhausgase ist eine komplexe Angelegenheit.

Wenn die Regierung das wolle, dann sei das „keine einfache Kiste“, sagt Schmidt, als er Merkel im Namen seiner vier Kollegen am Freitag ein Sondergutachten für eine „neue Klimapolitik“ überreicht. Auch Merkel weiß: „Das sind keine einfachen Entscheidungen.“ Die Bundesregierung wolle sie aber bis Ende September treffen, verspricht sie.

Experten: Benzin und Diesel für Autos und Lastwagen soll teurer werden

Die Frage, mit der sich die fünf Wirtschaftsweisen in ihrem Gutachten befasst haben, lautet: Wie kann der Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2) im Verkehr und in Gebäuden möglichst effizient verringert werden? Wie also kann ein System aussehen, damit jeder Bürger ein persönliches finanzielles Interesse hat, sich klimafreundlich zu verhalten?

Die Antwort der Experten birgt politischen Sprengstoff. Unterm Strich lautet sie: Benzin und Diesel für Autos und Lastwagen soll teurer werden. Das Gleiche gilt für das Heizen mit Öl und Gas, denn alle diese Energieträger enthalten CO2. „Es wird teurer an der Zapfsäule“, sagt Schmidts Kollege Lars Feld bei der Vorstellung des Gutachtens. Auch für Hauseigentümer und Mieter würden die Heizkosten steigen.

Kommt die CO2-Steuer?

Damit die Bürger das verkraften können, empfehlen die Sachverständigen einen sozialen Ausgleich. Wie der genau aussehen soll, dafür machen sie Vorschläge, legen sich aber nicht fest. Eine Variante wäre, dass jeder Bürger einen pauschalen Betrag ausgezahlt bekommt. Eine andere Möglichkeit wäre eine Senkung von Steuern oder Sozialabgaben. Auch die Stromsteuer könnte sinken.

Auch bei der Frage, wie Treibhausgase wie CO2 einen genauen Preis zugeordnet bekommen sollen, bleiben nach Ansicht der Wirtschaftsweisen zwei Möglichkeiten: Entweder führt die Politik eine CO2-Steuer ein. Oder sie installiert ein System, in dem Autofahrer und Hausbesitzer eine bestimmte Menge an Treibhausgasen ausstoßen dürfen, die dann schrittweise gesenkt wird. Ein solches System – Fachleute nennen es „Emissionshandel“ – existiert bereits für die Industrie und Energieerzeuger in ganz Europa.

Was für eine CO2-Steuer spricht – und was für den Emissionshandel

Der Vorteil der Steuer wäre, dass sie schnell eingeführt werden kann. Der Nachteil: Eine Steuer wird erfahrungsgemäß kaum wieder abgeschafft. Sie müsste auch, um eine Wirkung zu erzielen, stetig erhöht werden.

Für den Emissionshandel spricht dagegen, dass es ihn bereits gibt und er nur erweitert werden müsste. Der Nachteil wäre, dass die Einführung relativ lange dauert. Die Regierungsberater können sich auch einen Mix aus beiden Instrumenten vorstellen.

Ganz wichtig sei, dass der Staat den CO2-Preis nicht als zusätzliche Einnahmequelle verstehe, betonte Berater Schmidt. Die Einnahmen müssten an sie zurückgegeben werden. Wie hoch der Preis für eine Tonne CO2 sein soll, dazu wollten Schmidt und seine Kollegen nichts sagen. Man müsse ein solches System als lernendes System begreifen: „Das ist wie beim Topfschlagen. Es ist nicht sicher, ob Sie die richtige Stelle treffen.“

Umweltministerin Schulze mahnt zu schnellem Handeln

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vorgelegt hatte, begrüßte die Vorschläge der Wirtschaftsweisen. „Die neuen Gutachten bestätigen mich in zentralen Punkten: Ein sozial gerechter CO2-Preis ist möglich, wenn der Staat das Geld den Bürgerinnen und Bürgern zurückgibt“, sagte sie unserer Redaktion. Es gebe nicht das eine Allheilmittel, mit dem Deutschland alle Klimaziele garantiert erreichen könne. „Darum brauchen wir neben einem CO2-Preis weitere Klimaschutzmaßnahmen, vor allem im Bereich Verkehr und Gebäude.“

Schulze mahnte zu schnellem Handeln. „Die wissenschaftlichen Erkenntnisse liegen auf dem Tisch. Jetzt ist Zeit für gute Politik“, sagte sie. „Beim CO2-Preis müssen wir jetzt nicht mehr über das Ob reden, wir können jetzt entscheiden, wie wir ihn am besten einführen.“ Ihr komme es dabei auf einen starken Klimaschutzeffekt und eine sozial gerechte Ausgestaltung an, die kleine und mittlere Einkommen nicht ungerecht belaste. Außerdem seien eine unbürokratische Einführung und Planungssicherheit für Bürger und Unternehmen wichtig.

Deutscher Mieterbund aufgeschlossen für CO2-Steuer

Der deutsche Mieterbund zeigte sich grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber einer CO2-Steuer. „Es kann aber nicht sein, dass die dadurch entstehenden Kosten im Bereich der Heizung auf die Mieter umgelegt werden“, sagte der Präsident Lukas Siebenkotten. Mieter hätten „gar keinen Einfluss darauf, wie ihre Wohnung geheizt wird“. Das entschieden die Vermieter, weshalb diese auch die zusätzlichen Kosten einer CO2-Steuer im Heizungsbereich zahlen sollten. Sie sollten allerdings auch „substanzielle Investitionskostenzuschüsse“ erhalten, um auf klimafreundliche Heizungen umzusteigen.

Auch der Eigentümerverband Haus und Grund fordert eine „steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung“. Es dürfe keine weiteren mietrechtlichen Einschränkungen für die Wohnungseigentümer geben, sagte Verbandschef Kai Warnecke unserer Redaktion.