Erfurt. Ein Konzertfilm, der keiner ist. Und alte Songs in berückend neuen Versionen. Christian Werner über das Album „Shadow Kingdom“ von Bob Dylan.

Niemand hat gesagt, dass es einfach sei mit Bob Dylan. Da lädt der Nobelpreis prämierte Pop-Poet mitten in der Corona-Pandemie unter dem Titel „Shadow Kingdom“ zum Konzertabend per Videostream ein – und spielt gar nicht live. Und trotzdem überraschen die dargebotenen Songs in ihrer Auswahl sowie ihren frisch und frech arrangierten bis feinfühligen Versionen.

Dylan steht für die Filmaufnahmen im Bon Bon Club in Marseille, so die Legende. Doch den Club gibt es nicht. Die amerikanisch-israelische Regisseruin Alma Har’el dreht in schwarz-weiß, das Setting erinnert an einen Film-Noir. Die Band trägt außer Dylan Schutzmasken. Covid lässt grüßen.

Dylan spielt Songs aus der ersten Hälfte seiner Karriere

Die Aufnahmen der Musik fanden vor dem Dreh in einem Tonstudio statt. Wenn die wie bei Dylan gewohnt spärliche Quellenlage stimmt, mit anderen Musikern als im Video; Größen wie Greg Leisz, T Bone Burnett oder Rolling-Stones-Produzent Don Was sollen beteiligt gewesen sein, um den neuen, formidablen Dylan-Sound zu kredenzen.

Das Cover des Albums „Shadow Kingdom“ von Bob Dylan.
Das Cover des Albums „Shadow Kingdom“ von Bob Dylan. © Sony Music

Nur wenige Tage war der Film im Juli 2021 online per Gebühr abrufbar. Nun wird „Shadow Kingdom“ auch als Album veröffentlicht, auf Doppel-Vinyl, CD und Streaming-Portalen. Dylan pickt als Schattenkönig aus der prall gefüllten Schatzkammer der ersten Hälfte seiner Karriere 13 Stücke von 1965 bis 1989 und fügt mit dem Instrumental „Sierra‘s Theme“ ein neues hinzu.

Dylans Band spielt Gitarren, Kontrabass, Akkordeon, Mundharmonika

Die Band verwendet kein Schlagzeug, nur Gitarren, Kontrabass, Akkordeon, Mundharmonika und in „Forever Young“ eine Dolceola – eine Zither mit Tastatur. Mit dieser Besetzung spielen sie sich durch eine Songauswahl, die auf einige der bekanntesten Stücke Dylans setzt, die andere zu Hits machten: „I’ll be your Baby tonight“, „It’s all right Baby Blue” oder „When I paint my Masterpiece“, das Dylan Anfang der Siebzigerjahre zuerst für die Freunde von The Band und deren Album „Cahoots“ freigab.

Drei Lieder sind von der Epochenplatte „Highway 61 Revisited“, das jüngste Stück, „What was it you wanted“ vom `89er „Oh, Mercy“-Album, strahlt eine dunkle Grandezza aus, die man beim Original nun für immer vermissen wird.

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„Forever Young“ ging nie mehr zu Herzen, einige Songs, wie „To be alone with you“, werden textlich angepasst. Und der ewige Streitpunkt unter Fans ist hier keiner: Dylans Stimme klingt vergleichsweise superb.

Zwei weitere Erkenntnisse: Mit „Shadow Kingdom“ hat Dylan keinen Konzertfilm gedreht, sondern ein ziemlich langes (und gutes) Musikvideo. Und: Mit der Albumversion reiht er sich ein in den Trend, das eigene Werk auch im Studio neu zu definieren. Allerdings deutlich inspirierter als jüngst U2, die Teilen ihres Backkatalogs ein reduziertes Soundlifting verpassten.

Wir stellen in #langenichtgehört vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor oder wie in diesem Fall auch zuvor anderweitig veröffentlichte Musik.

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