Berlin. Was passiert, wenn sich Leben nach 25 Jahren noch mal berühren? Der Film „Klassentreffen“ mit vielen deutschen Stars spürt dem nach.

Der Mensch kann nicht anders: Er vergleicht sich. Und mit wem ginge das besser als mit ehemaligen Klassenkameraden? Gleiches Alter, gleiche Ausgangslage, gleich viel Zeit, um erfolgreich zu werden. Oder eben nicht.

Vielen graut es vor einem solchen Realitätscheck. In Jan Georg Schüttes ARD-Film „Klassentreffen“ lassen sich 17 frühere Mitschüler aber genau darauf ein. Auf den Abgleich untereinander und mit sich selbst. Denn ein Klassentreffen nach 25 Jahren ist unweigerlich auch ein Wiedersehen mit seinem jüngeren Ich.

Bin ich immer noch die Klassenbeste, der alles locker von der Hand zu gehen scheint? War ich damals wirklich so fies, wie alle sagen? Und was ist eigentlich aus dem Leben geworden, dass ich mir damals erträumt hatte?

„Klassentreffen“ wurde ohne Drehbuch gefilmt

Klassentreffen bieten psychologischen und sozialen Sprengstoff. Wie genau der explodiert, ließ Grimme-Preisträger Schütte seine Darsteller selbst entscheiden. Denn gedreht wurde „Klassentreffen“ ohne Textvorgaben an nur einem Wochenende – ähnlich wie die preisgekrönten improvisierten Filme „Altersglühen – Speed Dating für Senioren“ und „Wellness für Paare“.

„Ich denke, dass so ziemlich jeder von uns schon mal vor der Entscheidung stand, ob er zu einem Klassentreffen gehen oder die Konfrontation mit der Vergangenheit vermeiden soll“, sagte Regisseur Schütte der „Goldenen Kamera“. „Man ist gespannt, was aus den anderen geworden ist, will aber auch nicht feststellen müssen, dass die anderen aus ihrem Leben vermeintlich oder tatsächlich mehr gemacht haben als man selbst.“

Ihn habe interessiert, was passiert, wenn sich Lebenswege nach 25 Jahren für einen Abend noch einmal berühren. „Ich freue mich, dass ich so ein wunderbares Ensemble hatte, das sich mit Hingabe, Leidenschaft und höchster Konzentration in diese Versuchsanordnung begeben hat und zu Ergebnissen gekommen ist, die zum Teil auch mich vollkommen überrascht haben“, so Schütte.

Nach und nach blättert die Fassade

Ort des Wiedersehens ist jene Gaststätte, in der die meisten der früheren Mitschüler damals den Abschied vom Gymnasium gefeiert haben. Es beginnt mit Umarmungen, man pflegt die Nettigkeit, aber nach und nach blättern bei vielen die Fassaden, greifen Wut und Enttäuschung um sich.

Sven (Fabian Hinrichs, l.), Thorsten (Oliver Wnuk) und Gesa (Annette Frier) in einer Szene des Improvisationsfilms „Klassentreffen“.
Sven (Fabian Hinrichs, l.), Thorsten (Oliver Wnuk) und Gesa (Annette Frier) in einer Szene des Improvisationsfilms „Klassentreffen“. © dpa | Jan Georg Schütte

Krischi (Charly Hübner) beispielsweise war zur Schulzeit offenbar der beste Kumpel von allen, jetzt muss er sich „Nazi“ nennen lassen, weil er sich als Wertkonservativer versteht, mit Eheglück und vier Kindern. Sven (Fabian Hinrichs), damals „der Arsch der Jahrgangsstufe“, ist extra aus L.A. eingeflogen, um mit seinem Reichtum zu protzen.

Eigentlich hat sich niemand wirklich verändert

Aushilfspfleger Andi (Aurel Manthei) lässt seinen Deutschlehrer (Burghart Klaußner) seine ganze Verachtung spüren. Der nämlich hatte ihn damals beim Abitur den letzten wichtigen Punkt verweigert und ihn somit vom Germanistikstudium ausgeschlossen.

Eigentlich hat sich niemand wirklich verändert. Sexy Astrid (Anna Schudt) spielt immer noch die Frohnatur, die Tratscherin Sandra (Elena Uhlig) verstreut immer noch Halbwahrheiten. Jetz gegen Gesa (Annette Frier) und Thorsten (Oliver Wnuk) – das Ehepaar, das das Fest organisiert hat.

Da sind Marion (Jeanette Hain), die immer noch die Rätselhafte spielt, und Stefanie (Anja Kling), für die Krischi vermutlich immer noch seine Ehe aufs Spiel setzen würde. Es ist eine illustre Gesellschaft, die hier zwischen Tresen, Saal und Raucherecke pendelt.

„Klassentreffen“ als sechsteilige Serie auf One

Um das improvisierte Stück realistisch aussehen zu lassen, waren 32 Kameras nötig, alle gut abgeschirmt. Im Kontrollraum gab es 20 Monitore, doch die Regie griff so gut wie nie ein. Musste sie auch nicht, denn Regisseur Schütte war als Kneipenwirt mitten im Geschehen.

Etwa 130 Stunden wurden aufgezeichnet, fast ein Jahr am Schnitt für eine knapp 90-minütige Version getüftelt. Zu wenig, meint der Regisseur, und hat Recht bekommen. Eine sechsteilige Serie „Klassentreffen“ wird nun am 8. März an einem Stück auf One gesendet. Hier soll vertieft werden, was bisher nur angestoßen wurde, und Figuren ins Licht bringen, die bisher viel zu kurz gekommen sind.

Diese Schauspieler wirkten bei „Klassentreffen“ mit:

• Annette Frier (Gesa)

• Oliver Wnuk (Thorsten)

• Charly Hübner (Krischi)

• Jeanette Hain (Marion)

• Fabian Hinrichs (Sven)

• Elena Uhlig (Sandra)

• Kida Khodr Ramadan (Ali Nasser)

• Nina Kunzendorf (Katharina)

• Aurel Manthei (Andi)

• Anna Schudt (Astrid)

• Christian Kahrmann (Harald)

• Marek Harloff (Hergen)

• Burghart Klaußner (Herr Rebentisch)

• Anja Kling (Stefanie)

• Nadja Zwanziger (Nicole)

• Nicole Kersten (Nina)

• Guido Renner (Ulli)

• Björn Jung (Stefan)

• Jan Georg Schütte (Carsten)

Fazit: Ein findiger Regisseur demonstriert zum dritten Mal, wie aufregend improvisiertes Fernsehen sein kann. Starke Schauspieler liefer Komik und Dramatik.

Nicht zu verwechseln ist der Film mit Til Schweigers Komödie „Klassentreffen 1.0“, die 2018 in die Kinos kam. Im Herbst 2019 soll der zweite Teil folgen.

Hintergrund: Schauspieler Til Schweiger: „Frauen sind immer stärker“

ARD, Mittwoch, 6. März, 20.15 Uhr

(mit cho)